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Rennmäuse

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Rennmäuse
Mongolische Wüstenrennmaus (Meriones unguiculatus)
Mongolische Wüstenrennmaus (Meriones unguiculatus)
Systematik
Überordnung: Euarchontoglires
Ordnung: Nagetiere (Rodentia)
Unterordnung: Mäuseverwandte (Myomorpha)
Überfamilie: Mäuseartige (Muroidea)
Familie: Langschwanzmäuse (Muridae)
Unterfamilie: Rennmäuse
Wissenschaftlicher Name
Gerbillinae
Gray 1825

Die Rennmäuse (Gerbillinae) bilden eine Unterfamilie der Langschwanzmäuse und bewohnen die Wüsten, Halbwüsten, Steppen und Savannen Afrikas und Asiens. Sie sind die größte Gruppe der Nagetiere, die an ein Leben in trockener Umgebung angepasst ist. Einige Rennmäuse, insbesondere die Mongolische Rennmaus, werden häufig als Heimtier gehalten.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Körperbau und Funktion

Rennmäuse sind unverwechselbare Nagetiere. Sie ähneln oft der vertrauten Mongolischen Wüstenrennmaus, kommen jedoch in unterschiedlichen Größen von mausgroß und schlank bis größer und kompakt vor. Im Gegensatz zu den ihnen äußerlich ähnlichen Ratten und Mäusen besitzen sie meist behaarte Schwänze und Fußsohlen sowie etwas verlängerte Hinterbeine.

Kleinere Rennmausarten wie die Eigentlichen Rennmäuse kommen mit einem Gewicht von 8–11 g auf eine Körperlänge von 6,2–7,5 cm und eine Schwanzlänge von 7,2–9,5 cm. Die Indische Nacktsohlenrennmaus dagegen ist 115–190 g schwer, Körper und Schwanz messen 15–20 cm bzw. 16–22 cm.

[Bearbeiten] Fell, Farbe und Schwanz

Das weiche Fell der Rennmäuse verleiht ihnen ein mäuseähnliches Aussehen. Das der Oberseite ist meist hellgelb, hellbraun oder gräulich, das der Unterseite weiß oder cremefarben. Diese Färbung verringert zum einen die Gefahr gefressen zu werden, da sie der Farbe des Bodens entspricht, auf der die Tiere leben. Sogar innerhalb einer Art passen sich regionale Populationen der jeweiligen Farbe des Untergrundes an. So sind Tiere auf dunklen Böden dunkelbraun, solche auf roten Böden besitzen ein rötliches Fell. Zum anderen reflektiert die helle Unterseite besser die Hitze des Untergrundes. Auch die behaarten Fußsohlen ermöglichen ihnen das Laufen auf heißen Böden.

Der Schwanz dient den Rennmäusen als Gleichgewichtshilfe bei der Bewegung und sie können damit Sand über den Eingang ihres Baues fegen, um diesen zu verbergen. Er dient außerdem als Schutz vor Fressfeinden. Die Quaste an der Schwanzspitze lenkt vom Körper des Tieres ab und der Schwanz kann ganz oder teilweise abfallen, wenn er gefasst wird. Ein behaarter Schwanz schützt die Tiere vor Austrocknung.

[Bearbeiten] Sinne

Rennmäuse besitzen große, dunkle Augen, die weit oben am Kopf liegen und ihnen ein großes Gesichtsfeld verleihen. Typisch ist auch ein großes Mittelohr, besonders bei Arten in Wüstenlandschaften. Dies ermöglicht das Hören im Niedrigfrequenzbereich und sogar Geräusche wie der Flügelschlag von Eulen können wahrgenommen werden.

[Bearbeiten] Wasserhaushalt

Wasser wird normalerweise über Haut, Atmung, Urin und Kot abgegeben. Die meisten Rennmäuse besiedeln Trockenregionen mit schwierigen Klimaverhältnissen und besitzen eine im Verhältnis zum Volumen ungünstig große Körperoberfläche. Sie haben daran angepasste Eigenschaften entwickelt um den Wasserverlust so gering wie möglich zu halten und dadurch den Flüssigkeitsbedarf zu reduzieren. Sie schwitzen nicht und können deshalb Temperaturen über 45 °C nicht länger als zwei Stunden überleben. Die meisten Arten sind nachtaktiv und leben tagsüber in Bauen unter der Erde, deren Eingänge oft blockiert sind und die ihnen in etwa 50 cm Tiefe konstante Temperaturen zwischen 20 und 25 °C bieten. Einige nördliche Arten kommen auch tagsüber an die Oberfläche, südlich lebende Sandmäuse auch im Winter. Nachts ist ihre Nahrung – oft lediglich trockene Samen und Blätter – mit Tau befeuchtet und erhöht die Feuchtigkeit im Bau, wenn sie zum Fressen hinein genommen wird. Das Verdauungssystem der Rennmäuse entzieht der Nahrung fast jegliches Wasser, der Kot ist trocken und die Nieren produzieren nur ein paar Tropfen konzentrierten Urin.

[Bearbeiten] Lebensweise

[Bearbeiten] Ernährung

Rennmäuse ernähren sich vorwiegend von Pflanzenmaterial wie Sämereien, Früchten, Blättern, Stängeln, Wurzeln und Knollen. Die nachtaktiven Arten der Eigentlichen Rennmäuse suchen in der Wüste nach vom Wind hergewehten Samen. Die Sandratten haben sich auf salzige, sukkulente Pflanzen spezialisiert und die Indische Nacktsohlenrennmaus benötigt das ganze Jahr über frisches Futter und lebt oft in der Nähe bewässerter Felder. Viele Arten nehmen jedoch, was sie bekommen können, und verzehren auch Insekten, Schnecken, Reptilien und sogar andere Nagetiere. Insbesondere Tiere in den äußerst trockenen Wüsten des südlichen Afrikas fangen vorwiegend Insekten, während sich vor den Bauen von Gerbillus dasyurus Berge leerer Schneckenhäuser bilden.

Die Nahrung wird aus Vorsicht meist im Bau verspeist. Arten in Gebieten mit kalten Wintern lagern im Bau große Vorräte ein, große Rennmäuse legen auch vor ihren Bauen bis zu 1 m breite und 3 m lange Vorratshaufen an.

[Bearbeiten] Sozialverhalten

Während Rennmausarten in heißen Wüsten meist Einzelgänger sind, leben in Gebieten mit mehr Nahrung sozialere Arten mit dauerhafter Paarbildung und Familienstrukturen. Am komplexesten sind die sozialen Strukturen bei Tieren der Rhombomyina, die in Gegenden mit kalten Wintern leben. Insbesondere die Große Rennmaus und die Mongolische Wüstenrennmaus leben in großen Kolonien, die aus zahlreichen Untergruppen bestehen.

[Bearbeiten] Fortpflanzung und Lebenserwartung

In Savannen lebende Rennmausarten werfen nach der Regenzeit; dort wo es immer frische Nahrung gibt, werfen die Weibchen das ganze Jahr über zwei- bis dreimal pro Jahr; einige in Wüsten lebende Arten dagegen vermehren sich nur in den kälteren Monaten. Die Tragzeit beträgt 21 bis 28 Tage und ein Wurf besteht aus 1 bis 12 Jungtieren, meist drei bis fünf. Der Nachwuchs kommt hilflos, nackt und blind auf die Welt und ist zwei Wochen von der Mutter abhängig. Die Geschlechtsreife setzt im Alter zwischen zwei und sechs Monaten ein und richtet sich auch danach, ob die Tiere noch in der gleichen Saison zur Fortpflanzung kommen können.

Die Lebenserwartung beträgt normalerweise ein bis zwei Jahre.

[Bearbeiten] Vorkommen

Rennmäuse sind in drei Hauptregionen verbreitet:

Die einzelnen Gattungen sind üblicherweise einer dieser drei Regionen zuzuordnen. Neben Wüsten, Steppen und Savannen besiedeln sie auch Kulturland.

[Bearbeiten] Systematik

[Bearbeiten] Äußere Systematik

Die Rennmäuse gehören innerhalb der Mäuseartigen (Überfamilie Muroidea) zu den Langschwanzmäusen (Familie Muridae). Dies belegen neuere molekulargenetische Untersuchungen. Sie werden dabei in ein Schwestergruppenverhältnis zu den Stachelmäusen und ihren Verwandten (Unterfamilie Deomyinae) gestellt. Eine grafische Darstellung der möglichen externen Verwandschaftsverhältnisse sieht wie folgt aus: [1][2]

──┐ Langschwanzmäuse (Muridae)
  ├?── Furchenzahn-Waldmäuse (Leimacomyinae)
  ├─── Echte Mäuse oder Altweltmäuse (Murinae) einschließlich Lamellenzahnratten (Otomyinae)
  └──┬─── Mähnenratten (Lophiomyinae)
     │
     └──┬─── Stachelmäuse und Verwandte (Deomyinae)
        └─── Rennmäuse (Gerbillinae)

Auf Grund ihrer Morphologie, insbesondere ihrer Backenzähne, wurden sie lange auch in die Wühler (Familie Cricetidae) oder in eine eigene Familie eingeordnet.

[Bearbeiten] Innere Systematik

Die inneren Verwandtschaftsverhältnisse der Rennmäuse sind noch unklar. Die folgende Systematik mit 16 Gattungen folgt Musser und Carleton (2005). Neuere molekulargenetische Untersuchungen haben diese Systematik widerlegt, ohne jedoch selbst eine Alternative zu bieten. [3]

  • Unterfamilie Rennmäuse (Gerbillinae Gray, 1825)
    • Tribus Ammodillini Pavlinov, 1981
      • Walo (Ammodillus Thomas, 1904; auch Somali-Rennmaus); 1 Art in den Savannen und Wüsten Somalias und des östlichen Äthiopiens
    • Tribus Taterillini Chaline, Mein und F. Petter, 1977
      • Untertribus Gerbillurina Pavlinov, 1982
        • Kurzohrrennmaus (Desmodillus Thomas und Schwann, 1904); 1 Art in den Wüsten und Savannen des südlichen Afrikas
        • Zwergrennmäuse (Gerbillurus Shortridge, 1942; auch Namib-Rennmäuse); 4 Arten in den Savannen und Wüsten des südlichen Afrikas
      • Untertribus Taterillina Chaline, Mein und F. Petter, 1977
        • Nacktsohlenrennmäuse (Gerbilliscus Thomas, 1897); 11 Arten in den Savannen und Steppen des subsaharischen Afrikas
        • Indische Rennmaus (Tatera Lataste, 1882); 1 Art in Vorderasien und Indien; enthielt vormals auch die Arten der Gattung Gerbilliscus
        • Kleine Nacktsohlenrennmäuse (Taterillus Thomas, 1910); 9 Arten in den Halbwüsten, Savannen und Baumsavannen von Senegal und Mauretanien bis Sudan und Tansania
    • Tribus Gerbillini Gray, 1825
      • Untertribus Desmodilliscina Pavlinov, 1982
        • Brauer-Rennmaus (Desmodilliscus Wettstein, 1916); 1 Art in den Savannen von Senegal und Mauretanien bis Sudan
      • Untertribus Gerbillina Gray, 1825
        • Kurzschwanzrennmäuse (Dipodillus Lataste, 1881); 13 Arten in Nordafrika und Vorderasien; vormals in der Gattung Gerbillus enthalten
        • Eigentliche Rennmäuse (Gerbillus Desmarest, 1804; auch Echte Rennmäuse); 38 Arten in den Wüsten, Halbwüsten und Küstenebenen Nordafrikas bis Indiens
        • Somali-Zwergrennmaus (Microdillus Thomas, 1901); 1 Art in den Trockensavannen Somalias
      • Untertribus Pachyuromyina Pavlinov, 1982
        • Fettschwanz-Rennmaus (Pachyuromys Lataste, 1880); 1 Art in den Wüsten und Halbwüsten Marokkos bis Ägyptens
      • Untertribus Rhombomyina Heptner, 1933
        • Przewalski-Rennmaus (Brachiones Thomas, 1925); 1 Art in den Wüsten Nordchinas
        • Sandmäuse (Meriones Illiger, 1811; auch Wüstenrennmäuse); 17 Arten in den Wüsten und Halbwüsten Nordafrikas bis Zentralasiens
        • Sandratten (Psammomys Cretzschmar, 1828; auch Sandrennmäuse); 2 Arten in den Wüsten und Halbwüsten Nordafrikas, Syriens und der Arabischen Halbinsel
        • Große Rennmaus (Rhombomys Wagner, 1841); 1 Art in den Steppen und Wüsten Zentralasiens
        • Buschschwanz-Sandmaus (Sekeetamys Ellerman, 1947; auch Bilchrennmaus); 1 Art in den Wüsten des östlichen Ägyptens bis zentralen Saudi-Arabiens

Auch die genaue Anzahl der Arten ist noch unbekannt. Sichtbare Unterschiede innerhalb der Gattungen sind oft sehr fein und äußern sich in der Farbe des Fells und der Krallen, der Schwanzlänge oder des Fehlens bzw. Vorhandenseins einer Schwanzquaste. Selbst die Zuordnung einer Art zu einer Gattung ist ohne Chromosomen-, Protein- oder Molekülabgleich manchmal kaum möglich.

[Bearbeiten] Rennmäuse und Menschen

Mehrere Rennmausarten sind durch die Eingriffe des Menschen in ihren Lebensraum gefährdet, einige sogar vom Aussterben bedroht. Die meisten Tiere leben in kaum bewohnten Gebieten, andere werden vom Menschen teilweise als Schädlinge betrachtet, weil sie insbesondere im Winter die Felder plündern und durch ihre Grabtätigkeit Schäden an der Infrastruktur verursachen. Bauern bekämpfen die Tiere deshalb mit Giftgas oder pflügen ihre Bausysteme um. Als Wirt von Flöhen verbreiten sie Krankheiten wie die Pest und sind selbst auch Träger der gefährlichen Leishmaniose. Ihr süßliches Fleisch dagegen gilt als Delikatesse. Viele Arten werden vom Menschen als Versuchstier in der Forschung genutzt oder als Heimtier gehalten.

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Scott J. Steppan, Ronald M. Adkins, Joel Anderson: Phylogeny and Divergence-Date Estimates of Rapid Radiations in Muroid Rodents Based on Multiple Nuclear Genes. In: Systematic Biology. Bd. 4, Nr. 53, 2004, S. 533–553 (PDF; 294 KB).
  2. Sharon A. Jansa, Marcelo Weksler: Phylogeny of Muroid Rodents: Relationships Within and Among Major Lineages as Determined by IRBP Gene Sequences. In: Molecular Phylogenetics and Evolution. Nr. 31, 2004, S. 256–276 (PDF; 755 KB).
  3. Scott J. Steppan, Ronald M. Adkins, Philip Q. Spinks, Christopher Hale: Multigene Phylogeny of the Old World Mice, Murinae, Reveals Distinct Geographic Lineages and the Declining Utility of Mitochondrial Genes Compared to Nuclear Genes. In: Molecular Phylogenetics and Evolution. Nr. 37, 2005, S. 370–388 (PDF; 1.364 KB).

[Bearbeiten] Literatur

  • Duane A. Schlitter, Greta Ågren: Rennmäuse. In: David W. Macdonald (Hrsg.): Die große Enzyklopädie der Säugetiere. Könemann Verlag, Königswinter 2004, S. 652–655, ISBN 3-8331-1006-6 (deutsche Übersetzung der Originalausgabe von 2001).
  • Guy G. Musser, Michael D. Carleton: Superfamily Muroidea. In: Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World. 3. Ausgabe. Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, S. 894–1531, ISBN 0-8018-8221-4.

[Bearbeiten] Weblinks

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