San Romerio
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geographie
Die Kirche San Romerio liegt im südöstlichsten Teil der Schweiz im Kanton Graubünden im Val Poschiavo in landschaftlich grossartiger Lage auf einer Terrasse, etwa 800 m über dem Seespiegel des Lago di Poschiavo. Gegen Süden ist der Blick nach Tirano offen. Sie ist vom Talboden in einem 2-stündigen Marsch steil aufwärts zu erreichen. Es ist möglich auch mit den Auto ca. 30 Gehminuten von der Kirche entfernt zu parken und das letzte Stück von dort zu Fuß zurückzulegen. Unter den Einheimischen des Tals macht der folgende (scherzhafte) Ausspruch die Runde, welcher die Lage der Kirche zutreffend beschreibt: „Wer einmal vollständig um das Kirchlein läuft, wird niemals mehr krank“. Dies trifft auch zu, weil das Kirchlein an einer steilen, senkrecht abfallenden Felsflanke liegt. Den Absturz in die Tiefe der Felsen kann niemand überleben und wird somit wirklich nicht mehr krank.
[Bearbeiten] Geschichte
Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche´San Romerio geht zurück auf zwei Schenkungen von Gütern an die Kirche im Jahre 1106, wo auch eine Gemeinschaft von "servitores ecclesie sancti Romerii" erwähnt wird. Aus einer Erklärung von 1154 geht hervor, dass zu der Zeit, als Guido Grimoldi Bischof von Como war (zwischen 1096 und 1125), die Mitglieder dieser Vereinigung die Regel des hl. Augustin entgegengenommen haben. Dies wird ihnen vom Bischof Ardizzone 1154 bestätigt. Daraus ist ersichtlich, dass die hier vereinigten Religiösen zwar Laien blieben, aber eine feste Ordensregel befolgten, ohne jedoch Mönche im eigentlichen Sinn zu sein. In einer Urkunde vom 27. März 1237 wird dann die Kirche San Romerio mit jener von Santa Perpetua in Tirano, bei der eine ähnlich religiöse Niederlassung bestand, mit bischöflicher Genehmigung vereinigt.
Durch einen päpstlichen Erlass vom 27. September 1517 wurden die Kirchen St. Romerio und Perpetua mit allen Rechten und Gütern dem neu gegründeten Gotteshaus Santa Maria della Folla (heute Santuario della Madonna) di Tirano integriert. Seither diente San Romerio während der heissen Jahreszeit den Geistlichen aus dem Veltlin als Sommerstation. Es fand dann auch alljährlich von Tirano aus (400 müM)eine grosse Prozession statt, die sich durch Weinberge, den Wald und Alpweiden bis zur Kirche auf 1800 Meter Höhe bewegte.
[Bearbeiten] Baubeschreibung
Inneres - Die Kirche ist nach Osten gerichtet und besteht aus einem im Grundriss unregelmässig rechteckigen Schiff und einem annähernd quadratischen Chor. Der Chorbogen ist ungefasst und halbkreisförmig und trägt auf dem Scheitel das Datum 1659. Der Dachstuhl über dem Schiff liegt offen. Der Boden ist bedeckt mit roh zugerichteten unregelmässigen Steinplatten. Der Verputz der Schiffswände zeigt eine raue, der des Chores dagegen eine glatte Oberfläche. Das natürliche Licht ist äusserst spärlich. In der Südseite des Chores ist ein Viereckfenster zu finden, in der südlichen Längsseite des Schiffes eine rundbogige geschlossene Lichtscharte, in der Westwand ein kleines Viereckfenster dazu noch kleine Scharte. Die Türe, in der Südseite ist einfach viereckig, ebenso jene zum Turm. Diese ist durch eine im Inneren der Kirche roh aufgeschichtete Steintreppe von sechs Stufen zu erreichen.
Aus dem Schiff führt ferner ein Zugang zu einem südlich - nicht zusammenhängenden angefügten unregelmässig polygonalen Annbau, der auch durch eine nun zugemauerte rundbogige Türe von der Vorhalle her betreten werden konnte. Dieser wurde in späterer Zeit als Beinhaus verwendet, mag jedoch ehemals eine Seitenkapelle gewesen sein, worauf die Verbindung zum Schiff wie auch ein Wandbild des hl. Antonius Abt hinweist. Es ist ein hochrechteckiges Gemälde von provinzieller Arbeit, eingefasst von einer rot-weiss-grünen Borte; vermutlich aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts.
Äusseres - Der Verputz ist nur noch am Chor, besonders an dessen Nordseite in grösseren Partien erhalten, während er am Schiff mit Ausnahme von geringen Resten am Westgiebel abgefallen ist. Vor der Südwand des Schiffes liegt eine - an den oben beschriebenen Anbau in gleicher Flucht anschliessende - gemauerte offene Vorhalle. Das schwach geneigte, mit Steinplatten eingedeckte Dach geht in einheitlichem Zug über Schiff, Chor, Anbau und Vorhalle.
Der Turm steht an der Nordseite des Schiffes auf erhöhtem Niveau, wie schon an dem Zugang aus dem Schiff zu erkennen ist. Er besitzt keinerlei Gliederung, ist rau verputzt und weist im Erdgeschoss Lichtschlitze, im zweiten Stock einfache Halbrundfenster (gegen Osten und Süden vermauert) und oben breite, halbrunde Schallfenster auf. Die Gerüstlöcher stehen noch offen. Den Abschluss bildet eine Plattenpyramide.
Baugeschichtliche Schlussfolgerungen - Die sehr altertümliche Form des Schlitzfensters an der Südseite lässt die Annahme zu, dass das Schiff noch der 1106 erstmals erwähnten Kirche angehört. Der Chor ist, wie der lose Zusammenhang und die Putzunterschiede zeigen, späteren Datums. Jedoch muss er immerhin älter sein als das gegenwärtige Gewölbe, was aus den Unstimmigkeiten zwischen diesem und vorhandenen Eckpfeilern zu schliessen ist. Vielleicht entstand er - an Stelle eines alten Altarraumes unbekannter Form - nach 1517 (Vereinigung von San Romerio mit Madonna di Tirano). Aus der Zeit um 1517 mag der südliche Anbau ("Beinhaus") mit dem Antoniusbild stammen, wie auch der Turm, der aus einem Guss ist und nach der Form der Schallfenster und des Daches keinesfalls in die romanische Epoche gehört. Die Vorhalle ist jünger als das Beinhaus und gehört vermutlich zur Bauetappe von 1659.
Ausstattung - Der Altar. Die einfache, mit aufgelöster Verdachung bekrönte Umrahmung entstand offenbar bei der Renovation von 1659, das Bild – Muttergottes mit San Romerio und Perpetua – ist signiert: "1817 Domenico Faletti pinz. – Rechts des Eingangs, halb in eine kleine Wandnische hineingesetzt, ein schmuckloses Weihwasserbecken – In der Vorhalle liegt ein roh zugehauener Stein mit einer Schale von 46 cm Durchmesser und 20 cm Tiefe. Da für San Romerio ein Taufrecht nicht in Frage kommt, muss es sich auch hier um ein Stein einer alten Walkmühle handeln.
Glocke - Durchmesser 51.5 cm, Inschrift: + SANCTE REMIGI ORA NOBIS 1627. Auf einer Plakette: BERTHOLOMEUS QUADRIUS PONTENSIS VALTELINE FECIT (QUADRIO von Ponte bei Tirano).
Zu dem Maiensäss von San Romerio gehören zwei Rundbauten ("trulli"), die als Milchkeller dienen.
[Bearbeiten] Heutige Situation
Von Renata und Gino Bongulielmi wird heute das Ristorante und Rifugio (Berghütte) Alpe San Romerio betrieben. Hier findet der Tageswanderer Speisen und Getränke zur Stärkung und der Tourengänger eine Übernachtung im gemütlichen Doppel- und Mehrbettzimmer oder in einem der beiden Schlafsäle. Ein Besuch entschädigt in jedem Fall für den teilweise anstrengenden Aufstieg. Der Schlüssel zur Kirche wird hier aufbewahrt. Alljährlich findet am letzten Sonntag im Juli das traditionelle Fest von San Romerio statt.