Solaris (Roman)
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Solaris ist ein Entwicklungsroman in Gestalt einer Science-Fiction von Stanisław Lem aus dem Jahr 1961.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Inhalt
[Bearbeiten] Vorgeschichte
Auf der Suche nach extraterrestrischem Leben stieß die Menschheit bislang nur auf einen sonderbaren Planeten, der eigenen physikalischen Gesetzen zu gehorchen scheint. Die internationalen Weltraumforscher errichten eine Forschungsstation im Orbit und beginnen den „Solaris“ getauften Planeten zu erforschen. Seine Oberfläche ist eine kalte Flüssigmetallverbindung, gemeinhin „Ozean“ genannt. Schnell stellt man fest, dass dieser Ozean auf Reize reagieren kann und somit eine Lebensform zu sein scheint. Schon die frühen Versuche, die Intelligenz des Ozeans abzuschätzen oder gar auf gehobenem Niveau zu kommunizieren, scheitern. Es lässt sich weder ein Handlungsmuster in Solaris' Reaktionen erkennen, noch unternimmt der Ozean eigene Versuche zu kommunizieren. Eines Tages verschwindet der Physiker Fechner bei einem Erkundungsflug und man nimmt an, er sei in den Ozean gestürzt. Die Suche nach ihm bleibt vergeblich, doch der Hubschrauberpilot Berton macht eine seltsame Erfahrung: er sieht die überdimensionale Gestalt eines Kindes an der Oberfläche treiben. Nervlich schockiert verlässt Berton die Expedition, sein Bericht löst eine generelle Hinterfragung des Solarisprojektes aus. Von den ursprünglich 83 Forschern befinden sich schließlich bei Einsetzen der Haupthandlung nur noch drei an Bord der Station: der Kybernetiker Snaut, der Physiologe Gibarian und der Kernforscher Sartorius.
[Bearbeiten] Handlung des Buches
Der erfahrene Psychologe Kelvin wird zur Forschungsstation entsandt, um dort mitzuarbeiten. Auf Solaris angekommen stellt Kelvin fest, dass Gibarian sich das Leben genommen hat. Die meisten technischen Geräte auf der Station sind abgeschaltet, die beiden verbliebenen Forscher legen ein merkwürdiges Verhalten an den Tag. Snaut ist zwar freundlich doch wirkt er nervlich zerrüttet, im Gegensatz zu Sartorius, der unfreundlich, aber dafür entschlossen und geistig voll gegenwärtig auftritt.
Außerdem scheinen noch andere Personen an Bord zu sein. Die anderen beiden Forscher weisen seine Fragen nach einer Erklärung zurück. Kelvin solle bloß vorsichtig sein und seine eigenen Erfahrungen machen. Kelvin hört Stimmen aus den Labors seiner beiden Kollegen und begegnet in einem der Gänge einer barfüßigen schwarzen Frau. Nichts auf der Station ergibt für ihn einen Sinn.
Nach kurzem Schlaf sieht sich Kelvin seiner verstorbenen Frau gegenüber. Er wähnt sich wahnsinnig und beweist sich das Funktionieren seines Verstandes, indem er Berechnungen anstellt und dann mit Ergebnissen des Computers vergleicht. Doch schon dabei beschleicht ihn der Verdacht, dass er eine Abweichung auch so nicht erkennen würde, dass der Test keine Aussagequalität hätte, wäre er wirklich verrückt. [Anm.: Soweit ich weiß, ist der Punkt gerade, dass ihm nicht bewusst wird, dass der Test keine Beweiskraft hat, obwohl er sich als Psychologe eigentlich darüber im Klaren sein müsste.] Einmal befreit er sich von der peinlichen Anwesenheit dieser Person, indem er seine Freundin in eine Raumkapsel sperrt und in die Umlaufbahn befördert, doch nach einer Nacht ist sie wieder zurückgekehrt.
Nach anfänglicher Gefühlsverwirrung findet Kelvin heraus, was seine beiden Forscherkollegen bereits wissen: es handelt sich dabei um ein sehr realistisches dreidimensionales Abbild, das aus seinen Erfahrungen und Gefühlen zusammengestellt wurde und offensichtlich vom Ozean erschaffen wurde. Jeder, der auf der Station lebt, hat seinen eigenen „Gast“, mit dem er leben muss: dies erklärt die gedrückte Stimmung und die nervliche Situation seiner Kollegen. Schnell findet Kelvin heraus, dass jeder der anderen beiden eine eigene Technik gefunden hat, die so genannten Gäste zu beseitigen oder zu ignorieren: Snaut bedient sich der Raumkapseln, aber zieht sich öfters Brandblasen zu, weil sein Gast wohl sehr robusten Widerstand leistet, außerdem scheint er nie zu schlafen. Sartorius hat sich derart mit seinem Gast (es ist offenbar ein Kind) arrangiert, dass er ihn vor den anderen beiden geheim hält und bestmöglich ignoriert.
Kelvins „Gast“, seine verstorbene Frau, hat sich auf der Erde das Leben genommen, wofür sich Kelvin verantwortlich fühlt, weil er auf entsprechende Drohungen nicht verständnisvoll sondern abweisend reagiert hatte. Ihr Abbild, das auf der Solaris-Station erschien, erinnert sich zwar dunkel an all diese Vorgänge, kann sich aber nicht erklären, wie sie auf die Station kam. Sie wirkt verwirrt. Kelvin und seine Frau versuchen, sich gegenseitig Normalität vorzugaukeln. Nur selten und schleppend beginnen sie Gespräche über die absurde Situation, in der sie sich befinden.
Doch ist Harey, Kelvins „Gast“, zur Selbsterkenntnis fähig. Während Kelvin in der Bibliothek der Station nach Erkenntnis über die Vorgänge auf der Solaris forscht, beginnt auch sie zu begreifen, das sie nicht etwa echt ist, sondern ein nach Kelvins Erinnerungen geformtes Wesen. Diese Erkenntnis deprimiert sie und sie versucht sich, das Leben zu nehmen. Der Versuch scheitert: sie ist so konzipiert, dass all ihre Wunden und selbstzugefügten Verletzungen binnen Sekunden heilen. Kelvin und seine Frau leben nebeneinander her, ohne sich wirklich mit der Situation zu beschäftigen: stattdessen planen sie, die Station gemeinsam zu verlassen und auf der Erde ein neues Leben zu beginnen. Beiden ist jedoch klar, dass dieser Traum sich nie erfüllen wird.
Die anderen beiden Forscher, Snaut und Sartorius, entwickeln einen Plan, wie die vom Ozean geschaffenen „Gäste“ beseitigt werden können. Durch eine physikalische Reaktion hoffen die beiden, die Struktur der „Gäste“ zerstören zu können. Als Kelvin davon hört, versucht er, diesen Plan zu sabotieren. Anfangs gelingt ihm das auch. Stattdessen führen die drei Forscher einige andere Experimente durch: so werden etwa Kelvins Gehirnströme per harter Strahlung auf den Ozean auf Solaris abgeschossen - jedoch vorerst ohne erkennbare Reaktion.
Eines Nachts trifft sich Harey heimlich mit Snaut und bittet ihn, gegen Kelvins Willen das Experiment, das alle Gäste zerstören würde, durchzuführen. In der nächsten Nacht verabreicht sie Kelvin ein Schlafmittel und hilft Sartorius und Snaut bei dem Experiment, das erfolgreich ist. Kelvin erkennt am nächsten Morgen, dass alle Gäste zerstört wurden und - aufgrund einer nicht genauer geklärten Reaktion des Ozeans auf die vorhergegangenen Strahlenexperimente - auch nicht mehr wiederkommen.
Am Ende des Buches unternimmt Kelvin seine erste Reise auf solarischen „Boden“. Er verlässt die Raumstation mit einem kleinen Schiff und besucht den Ozean. Er verbringt Stunden an seiner Brandung, beobachtet ihn und versucht, ihn zu berühren. Dieses Erlebnis beeindruckt ihn sehr.
[Bearbeiten] Intentionen und Deutungen
Rückblickend sieht man, dass alle Herangehensweisen der einzelnen Forscher, so skurril sie auch schienen, ihren Platz hatten, dass aber nur Harey als „Botschafterin von Solaris“ die einzige war, die das Recht hatte, dem letzten großen Experiment zuzustimmen. Ein großes Problem der Forscher war, dass sie einander nie richtig begriffen haben: Bertran vertrat den Standpunkt, um jeden Preis weiterzuforschen, Sartorius war dafür das Experiment der harten Strahlung einzusetzen, weil es das einzige noch unerforschte war, Kelvin war auf der Erde noch der Ansicht von Sartorius, auf Solaris angekommen sah er die Pein der einzelnen Forscher mit ihren Gästen und unterstellte natürlich (als Psychologe) dass diese Pein der Grund für die „harte Tour“ mit Solaris wäre. Nur Snaut - der Logiker - hatte schon früh die totale Gleichwertigkeit aller denkbaren Intentionen begriffen. Mit seinem Ausruf „Und Du? Wer bist Du eigentlich?“ mit dem er Kelvins Aktionismus durchbricht zeigt er, was sein Problem mit der Situation ist: er kann seine eigene Existenz kaum schlüssig beweisen. Ist er selbst überhaupt real? Würde er es merken, wenn er eine Kreation von Solaris wäre? Es war nun an einem Psychologen, indirekt das wahre Problem zu finden und zu lösen. So trug jede Teildisziplin zum Endergebnis bei. Lem greift hier eines seiner philosophischen Lieblingsthemen auf, die grundsätzliche Unmöglichkeit einer Kommunikation zwischen Lebewesen verschiedener Bewusstseinsstrukturen. So wie Ameisen einen Menschen zwar durch Erkundung erforschen und ihn mittels Ameisensäure zu einer Reaktion zwingen können, kann der Mensch seinerseits einen Ameisenhaufen durch Duftstoffe verwirren und bestimmte Reaktionen des Ameisenstaates erzwingen. Trotz des Verständnisses, das beide Seiten über den anderen gewinnen, ist eine wirkliche Kommunikation, ein Gedankenaustausch unmöglich und wird es immer bleiben, denn Wahrnehmen und Verstehen setzt voraus, dass man Realität und Fiktion voneinander unterscheiden kann. Der Name des Planeten lautet Solaris. Das bedeutet u.a. „einziges“: Solaris war immer alleine. Dass es außer ihm noch Leben und Intelligenz gibt ist ihm a priori nicht begreiflich. Es muss erst eine Fremdwahrnehmung entwickeln, ein eigenes handelndes Subjekt und das „Kopieren des anderen“ in die eigene Vorstellungswelt: erst als Solaris die Menschen „in sich abbilden“ konnte, nachdem man Kelvins Reaktionen auf Harey ihm lesbar gemacht hat, trat ein Fortschritt im gegenseitigen Erforschen ein. Bewusstsein ist Erinnerung einer Wahrnehmung.
Daraus leitet sich das Problem der Identität der Kopie ab: kann man die Realität eines Objektes hinterfragen, wenn es ein perfektes Abbild der eigenen Sicht desselben ist? (Kant)
Wenn es möglich ist, eine in allen relevanten Details getreue Kopie eines Menschen zu erstellen, inwieweit ist diese Kopie dann ein (der) Mensch? (Descartes) Oder mit anderen Worten: gibt es eine Realität jenseits der Wahrnehmung? Bin ich nur weil ich denke?
Enge Verwandtschaft kann man zwischen Solaris und Also sprach Golem sehen: während Golem als Produkt der Menschen seine eigene Weiterentwicklung dadurch begeht, dass er sein Ego aufgibt um sich weiterzuentwickeln und als völlig neues Konzept wiedergeboren zu werden, ist es bei Solaris genau andersherum: Solaris muss erst lernen, was Individualität bedeutet, es war „Sol“: alleine. Die Kommunikation und das Denken in Individualismen kann für Solaris ein Entwicklungsrückschritt bedeuten, aber das ist reine Spekulation, lediglich in der Verfilmung von 1971 kann man erahnen wie es weiter geht.
[Bearbeiten] Ausgaben
- Stanisław Lem: Solaris. MON, Warszawa 1961
- Stanisław Lem: Solaris. (Deutsche Übersetzung von Irmtraud Zimmermann-Göllheim) Marion-von-Schröder-Verlag, Hamburg & Düsseldorf 1972. ISBN 3-547-75868-8
- Stanisław Lem: Solaris. (Deutsche Übersetzung von Kurt Kelm) Verlag Volk und Welt, Berlin 1983
[Bearbeiten] Verfilmungen
- 1968: Solaris von Boris Nirenburg
- 1972: Solaris von Andrei Tarkowski
- 2002: Solaris von Steven Soderbergh