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Talat Pascha

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Mehmed Talat, bekannt als Talat Bey oder Talat Pascha, (* Juli 1872 in Kardschali/Regierungsbezirk Edirne; † 15. März 1921 in Berlin), war Innenminister und Großwesir des Osmanischen Reichs und Führer der Jungtürken.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Herkunft und Aufstieg

Talat entstammte kleinen Verhältnissen und repräsentiert eine soziale Aufsteigerschicht, die mit der Jungtürkischen Revolution von 1908 im Osmanischen Reich an die Macht gelangte. Als Sechsjähriger erlebte er den Russisch-Türkischen Krieg von 1877/78 und die russische Besetzung seiner engeren Heimat. Diese Kindheitserlebnisse prägten ihn und legten den Keim für den übersteigerten Nationalismus, der sich durch sein ganzes Leben ziehen sollte. Während der Studentenzeit schloss er sich dem nationalistischen Flügel der jungtürkischen Bewegung an, die eine Rettung des Osmanischen Reiches gegen dessen Bedrohung durch die imperialistischen (christlichen) Großmächte durch gezielte Modernisierungsprojekte, immer stärker aber auch durch Modelle ideologischer „nationaler“ Geschlossenheit propagierte.

Nach Abschluss des Universitätsstudiums wurde er in den Staatsdienst übernommen und schlug die Laufbahn eines Telegrafenbeamten ein. Gleichzeitig entwickelte er sich zu einem führenden Kopf der Jungtürken, deren ältere Gründergeneration er beiseite schob. Die politischen Aktivitäten der Jungtürken richteten sich gegen die Regierung unter Sultan Abdülhamid II., der die liberale Verfassung des Großwesirs Midhat Pascha von 1876 außer Kraft gesetzt hatte. Der Kampf für die bürgerlichen Grundrechte gipfelte 1896 in einem versuchten Staatsstreich, der aber scheiterte. Talat war 1906 Gründungsmitglied der jungtürkischen Partei Komitee für Einheit und Fortschritt und sorgte dafür, dass die jungtürkische Bewegung um die Jahrhundertwende zunehmend Anhänger im türkischen Offizierscorps gewann. Insbesondere zur heimatlichen Garnison in Thessaloniki hatte er enge Verbindungen und förderte den Aufstieg des jungen Ismail Enver.

Talat Pascha war Freimaurer und als solcher erster Großmeister der Großloge der Freien und Angenommenen Maurer der Türkei.[1].

[Bearbeiten] Jungtürkische Revolution

Unter der Führung des befreundeten, charismatischen Enver Bey kam es 1908 in Thessaloniki zur offenen Rebellion, der sich die Offiziere und Mannschaften anschlossen. Die militärische Überlegenheit der von Enver Bey mobilisierten Truppen zwang die Regierung zum Rücktritt. Am 24. Juli 1908 musste Abdülhamid II. die Verfassung von 1876 wieder in Kraft setzen, die Zensur aufheben, eine Amnestie erlassen und reaktionäre Regierungsmitglieder entlassen. Talat zog als Abgeordneter des Regierungsbezirks Adrianopel für das Komitee für Einheit und Fortschritt in das Parlament ein. Seine Partei gewann entscheidenden Einfluss auf die neu gebildete Regierung. Gegen die Machtübernahme der Jungtürken unternahmen reaktionäre Kräfte am 13. April 1909 einen Putschversuch, den revolutionäre Truppen unter der Führung Envers und Cemals jedoch nach drei Tagen niederschlugen. Danach entthronten die Jungtürken Sultan Abdülhamid II. und ersetzten ihn durch seinen Bruder und Thronfolger Mehmed V., der Verfassungstreue schwor und die neuen Machtverhältnisse akzeptierte.

[Bearbeiten] Zeit als Innenminister und Großwesir

Als politisch führendem Kopf des Komitees für Einheit und Fortschritt gelang es Talat ab 1909, einflussreiche Positionen im Staat mit Gefolgsleuten zu besetzen. Im Zuge des Wandels des jungtürkischen Programms - dessen ursprünglich demokratisch-parlamentarische Ausrichtung, die eine enge Kooperation mit den Minderheiten des Reiches beinhaltete, angesichts der wachsenden Probleme immer stärker durch die Vorstellung von einer straffen nationalistisch-islamischen Diktatur verdrängt wurde - trat Talat Bey 1911 selbst als Innenminister in die Regierung ein und verschärfte die türkisch-nationalistische Ausrichtung des Staates. Auf Grund der militärischen Niederlage im italienisch-türkischen Krieg, der politischen Verfolgung oppositioneller Kräfte im Inland und der staatlich sanktionierten Gewaltakte gegen Bürger, die nicht türkischer Nationalität waren, verloren die Jungtürken jedoch im Juli 1912 die Macht. Aber schon im Januar 1913 - mitten im Ersten Balkankrieg von 1912/13, der dem Osmanischen Reich eine neuerliche Niederlage bescherte und mit massenhaften Massakern an den Muslimen des Balkans und der Vertreibung der Überlebenden nach Kleinasien verbunden war - organisierte Talat im Verein mit Enver und Cemal einen Putsch der Jungtürken gegen die neue schwache Regierung.

Der Putsch verlief erfolgreich, Talat wurde erneut Innenminister des Osmanischen Reiches, das er fortan zusammen mit Kriegsminister Enver Pascha und Marineminister Cemal Pascha in einem Triumvirat mit nahezu diktatorischen Vollmachten beherrschte. Anders als die beiden militärischen Führer der Jungtürken stützte sich Talat auf die Verwaltung des Reiches, die er seither systematisch mit Vertrauensleuten auch in den Provinzen durchsetzte, und auf einen ideologisch immer nationalistischeren Kern des Parteiapparats der jungtürkischen „Ittihad“.

Anders als Enver Pascha, der ein militärisches Bündnis mit dem Deutschen Kaiserreich anstrebte, optierte Talat für eine neutrale Außenpolitik. Mit seinen außenpolitischen Vorstellungen konnte er sich jedoch nicht durchsetzen, so dass das Osmanische Reich im Herbst 1914 als Verbündeter Deutschlands und Österreich-Ungarns in den 1. Weltkrieg eintrat. Talat, der bis 1917 Innenminister des Osmanischen Reiches blieb, war als solcher der Hauptverantwortliche für den Völkermord an den Armeniern, der vor allem in den Jahren 1915/16 erfolgte und von Talat mit Hilfe der Staatsverwaltung, aber auch einiger Geheimorganisationen seiner Partei zentral organisiert wurde. Talat stellte als Innenminister die konkreten Deportationsbefehle aus, die offiziell als kriegsbedingte Evakuierung einer unzuverlässigen Minderheit begründet wurden, und sorgte zugleich inoffiziell dafür, dass diese Befehle realiter als Genozid-Anweisungen verstanden und umgesetzt wurden. Zu diesem Zwecke setzte er eine parteiinterne jungtürkische Miliz ein und nutzte zugleich seine Befugnisse als Innenminister, um widerstrebende Gouverneure und Beamte durch Anhänger einer radikalen Linie zu ersetzen.

In den Jahren 1915 bis 1918 übernahm Talat innerhalb der osmanischen Regierung neben dem Amt des Innenministers zeitweilig weitere Ressorts, darunter die Ministerien der Finanzen und für Post- und Fernmeldewesen, und agierte auch als Stellvertreter der abwesenden Kriegs- und Marineminister Enver Pascha und Cemal Pascha.

Von Februar 1917 bis Oktober 1918 amtierte Talat, der deshalb den Titel eines „Pascha“ erhielt, als Großwesir und damit als Regierungschef des Osmanischen Reiches. Als sich die Kriegsniederlage des Hauptverbündeten Deutschland bereits abzeichnete, musste er am 8. Oktober 1918 zurücktreten, blieb jedoch bis zur Bildung der neuen Regierung unter dem früheren Kriegsminister Ahmed Izzet Pascha am 14. Oktober 1918 noch geschäftsführend im Amt.

Um der von den Ententemächten längst angekündigten persönlichen Strafverfolgung für den Armenier-Genozid zu entkommen, entfloh Talat am 2. November 1918 wie die beiden anderen Mitglieder des entmachteten jungtürkischen Triumvirats mit deutscher Hilfe nach Berlin, wo er seither im Exil lebte. Während er unter einer neuen, liberalen und pro-britischen Regierung in Istanbul 1919 in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde, arbeitete Talat von Berlin aus an einem politischen Comeback in der Türkei, wo er die nationalistischen Aufständischen um Kemal Atatürk unterstützte, an deren Spitze er sich künftig zu stellen hoffte. Dazu kam es nicht, denn 1921 wurde er in Berlin von dem Armenier Soghomon Tehlirian - dem Angehörigen einer armenischen Terrororganisation, die den Massenmord an ihrem Volk zu rächen entschlossen war - aufgespürt und erschossen. Tehlirian wurde im folgenden Mord-Prozess in Deutschland vom Vorwurf eines Tötungsdeliktes freigesprochen, der Prozess wurde vielmehr zu einer Anklage gegen den Ermordeten, der ein Völkermörder gewesen war.

Seine sterblichen Überreste wurden 1944 - in einem der letzten, vergeblichen Versuche Deutschlands, die Türkei als Verbündten im Krieg zu gewinnen - von Berlin nach Istanbul überführt, und dort beim Abide-i Hürriyet, dem Denkmal der jungtürkischen Revolution von 1908 beigesetzt.

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Quellen

  1. http://www.mason.org.tr/unlutr.htm
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