Vernichtungslager Maly Trostinez
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Das Vernichtungslager Maly Trostinez des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD (KdS) für Weißrussland befand sich etwa 12 km südöstlich von Minsk in einer abgelegenen, ländlichen Gegend. Hier wurden zwischen 1942 und 1944 40.000 bis 60.000 Menschen, weit überwiegend Juden, ermordet.
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[Bearbeiten] Das Gut des Kommandeurs
Dem KdS Minsk unterstand beim Dörfchen Maly Trostinez seit April 1942 eine 200 Hektar große Kolchose, das so genannte Gut des Kommandeurs. Hier waren jüdische und nichtjüdische Häftlinge eingesetzt, um in der Vieh- und Landwirtschaft zu arbeiten. Es handelte sich zunächst überwiegend um österreichische, deutsche und tschechische Juden, die aus jedem Transport des Jahres 1942 in Stärke von 20 bis 50 Personen ausgesondert und zum Gut gebracht wurden. Später kamen weißrussische Juden hinzu.
Die Häftlinge arbeiteten neben der Landwirtschaft auch in verschiedenen Handwerksbetrieben des Guts. Wie in den anderen Vernichtungslagern gab es kleine Kommandos, die in der Kleidersortierung, Schneiderei und Schusterei an der Verwertung des Eigentums der deportierten Juden eingesetzt waren. Weiter gab es eine Wäscherei, Schmiede und Schlosserei, Tischlerei, Glaserei, Gerberei, eine Mühle und ein Sägewerk. Produziert wurde überwiegend für den Bedarf der KdS-Angehörigen und der Minsker Ordnungspolizei.
Die so genannten "Arbeitsjuden" waren in mehreren Baracken untergebracht. Es gab einen Galgen auf dem dreifach mit Stacheldraht umzäunten Gelände. Die Zahl der Häftlinge schwankte zwischen 500 und 1.000 Personen. Nach der Auflösung des Ghettos in Minsk im Oktober 1943 sank sie auf etwa 200.
Verwalter des Gutes war der baltendeutsche SS-Unterscharführer Heinrich Eiche. Bewacht wurden die Häftlinge von Teilen eines ukrainischen Schutzmannschaftsbataillons, das auf dem Gut stationiert war und der Ordnungspolizei unterstand.
[Bearbeiten] Stätte des Massenmordes an deportierten Juden
Die Planungen für ein großes Vernichtungslager in Mahiljou, für das bereits im November 1941 mehrere Verbrennungsöfen bestellt worden waren, wurden aus unbekannten Gründen aufgegeben. Dafür wurden in Maly Trostinez ab Mai 1942 nach Minsk deportierte Juden aus Deutschland, Österreich, dem Protektorat Böhmen und Mähren und aus Polen teils durch Gaswagen, teils durch Erschießungen ermordet. Im Laufe des Sommers wurden weißrussische Juden vor allem aus dem Ghetto von Minsk in die Vernichtungsaktionen einbezogen.
Im April 1942 kam Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei und des SD, persönlich nach Minsk und eröffnete dem dortigen KdS, SS-Obersturmbannführer Eduard Strauch und einigen seiner Polizeioffizieren, dass nunmehr auch die deutschen und andere europäische Juden vernichtet werden sollten. Gleichzeitig kündigte er die Wiederaufnahme der Ende November 1941 abgebrochenen Judentransporte aus dem Westen nach Minsk an. Heydrich ordnete an, diese nach ihrer Ankunft zu töten.
Am 22. April 1942 begann der II. Zug (ein Unteroffizier und zehn Männer) der dem KdS unterstellten kleinen Waffen-SS-Einheit in Maly Trostinez mit acht Tage dauernden Erdarbeiten, um die ersten Leichengruben auszuheben. Am 30. April 1942 beteiligte sich der gesamte Zug an einer so genannten "Aktion zur Ausräumung des Gefängnisses in Minsk". Am 4. Mai wurden erneut Gruben ausgehoben für eintreffende Transporte. Zum 11. Mai 1942 vermerkte der Zugführer der Waffen-SS, ein SS-Unterscharführer, in seinem "Tätigkeitsbericht":
- Am 11.5. traf ein Transport mit Juden (1000 Stück) aus Wien in Minsk ein, und wurden [sic] gleich vom Bahnhof [Minsk] zur obengenannten Grube geschafft. Dazu war der Zug direkt an der Grube eingesetzt.
Es handelt sich hier um die erste für Maly Trostinez zweifelsfrei durch zeitgenössische Quellen belegte Ermordung fast eines ganzen Ferntransportes mit Juden mit Hilfe von drei oder vier in Minsk beim KdS stationierten Gaswagen.
Adolf Eichmann berichtete in seinem Prozess in Jerusalem:
- (Heinrich Müller, sein Vorgesetzter, schickte ihn zur Inspektion nach Minsk) In Minsk werden die Juden erschossen, möchte Bericht haben, wie das vor sich geht. ...(Er sah dort,) wie junge Schützen, mit dem Totenkopf auf den Kragenspiegeln, hier in eine Grube schossen.
(Nach: Fever (Roman) S. 169) Der "Totenkopf" markiert die SS.
[Bearbeiten] Transporte nach Minsk und Zahl der Opfer in Maly Trostinez
Quellenmäßig exakt belegt sind folgende Transporte mit jüdischen Menschen nach Minsk:
- Aus Deutschland: 7 Transporte - 2 aus Hamburg und Bremen, je einer aus Düsseldorf, Frankfurt am Main, Berlin, Königsberg und Köln = 6.658 Personen.
- Aus Wien: 9 Transporte = 8.472 Personen, davon überlebten 12.
- Aus dem Protektorat Böhmen und Mähren: 6 Transporte - 5 aus Theresienstadt, 1 aus Brünn = 6.000 Personen.
Mit 23 Transporten wurden demnach insgesamt 22.130 Juden nach Minsk deportiert. Davon wurden, nach Feststellung des Landgerichts Koblenz, mindestens 90 % in Maly Trostinez ermordet, d. h. etwa 19.000 bis 20.000. Es ist möglich, wenn auch nicht allzu wahrscheinlich, dass es zwei oder drei weitere Ferntransporte aus dem Westen gegeben haben kann, darunter einen Transport aus dem KZ Dachau.
[Bearbeiten] Weitere Opfer und Gesamtzahl
Die Zahl der in Maly Trostinez ermordeten weißrussischen Juden und nichtjüdischen Weißrussen kann nur überschlägig geschätzt werden. Die offizielle sowjetische Opferzahl von 206.500 hat sich in der Forschung als stark überhöht erwiesen, da der gesamte Raum um Minsk, wo sich zahlreiche weitere Hinrichtungsstätten und Sterbelager u. a. für über 100.000 sowjetische Kriegsgefangene befanden, Maly Trostinez zugerechnet wurden.
Um die 40.000 Opfer lassen sich relativ sicher nachweisen. Zu den oben angeführten etwa 20.000 aus dem Westen deportierten und ermordeten Juden lässt sich etwa dieselbe Zahl hinzu addieren: Bei der großen Ghettoräumung Ende Juli 1942 in Minsk wurden insgesamt belegt 10.000 Juden ermordet, davon vermutlich 5.000 in Maly Trostinez. Dieselbe Zahl an Opfer forderte die Auflösung des Ghettos im Oktober 1943. Im Februar 1943 wurden etwa 3.000 angeblich "unproduktive Bandenverdächtige" (Alte, Frauen und Kinder), darunter auch Juden, aus dem Gebiet Polozk in Trostinez ermordet. Als sowjetische Truppen im Juni 1944 vorrückten, wurden die letzten 80 bis 100 Gefangenen des nunmehrigen Zwangsarbeiterlagers Maly Trostinez erschossen. Beim deutschen Rückzug in den letzten Junitagen 1943 wurden etwa 6.500 Insassen der Minsker Lager und Gefängnisse nach Maly Trostinez transportiert und dort erschossen.
Die tatsächliche Opferzahl dürfte mehr als 40.000 betragen, da die Dunkelziffer erheblich ist. Christian Gerlach hält in seiner grundlegenden Untersuchung um die 60.000 Opfer für denkbar.
[Bearbeiten] Literatur
- Christian Gerlach: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944. Hamburger Edition, Hamburg 1999, ISBN 3930908549. - Überragendes wissenschaftliches Standardwerk.
- Miroslav Kárný, kol.: Terezínská pamětní kniha. Židovské oběti nacistických deportací z Čech a Moravy 1941 - 1945, 2 Bde., Nadace Terezínská iniciativa - Verlag Melantrich, Praha 1995 (Theresienstädter Gedenkbuch. Jüdische Opfer der Nazi-Deportationen aus Böhmen und Mähren 1941-1945.)
- Paul Kohl: Der Krieg der deutschen Wehrmacht und der Polizei 1941-1944. Sowjetische Überlebende berichten. Mit einem Essay von Wolfram Wette, Fischer Taschenbuch Verlag Nr. 12306, Frankfurt am Main 1995, S. 77-116, ISBN 3596123062.
- Heinz Rosenberg: Jahre des Schreckens. ...und ich blieb übrig, daß ich Dir's ansage. Steidl Verlag, Göttingen 1985, ISBN 3882432381. - Beeindruckender Erlebnisbericht eines aus Hamburg stammenden jungen Juden.
- Karl Loewenstein: Minsk - Im Lager der deutschen Juden. In: Beilage zu "Das Parlament", B 45/46 v. 7. November 1956. - Erlebnisbericht des ehemaligen Leiters des Jüdischen Ordnungsdienstes.
Siehe auch: Holocaust, Liste der Konzentrationslager, Mogilew