Westfleisch
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Die Westfleisch e.G. ist die genossenschaftlich organisierte Mutterfirma einer nordwestdeutschen Unternehmensgruppe der Fleischindustrie mit Sitz in Münster. Sie arbeitet eng mit der Westfleisch Finanz AG zusammen.[1] [2]
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Unternehmensgeschichte
Gegründet wurde das Unternehmen am 28. Oktober 1928 als Westfälischen Provinzial-Viehverwertungsgenossenschaft WPVG, um den Absatz der Bauern an Rhein und Ruhr zu organisieren. Seit 1962 verlagerte sich die wirtschaftliche Tätigkeit immer mehr von der Handelsorganisation auf die Schlachtung und Vermarktung veredelter Fleischwaren. Den heutigen Name Westfleisch trägt die Gruppe im Firmenlogo seit 1965. Der offizielle Name lautete 1965 VFZ Vieh- und Fleischzentrale Westfalen eGmbH.[3]
Umfangreiche Schließungen kommunaler Schlachthöfe in den 1960er Jahren steigerten den Umsatz kontinuierlich. Seit der Gründung der Finanzierungsgesellschaft 1971 starteten 1972 die neugebauten Schlachthöfe Coesfeld, 1978 Paderborn und 1980 Hamm. Seit 2001 wird auch Weißfleisch (Geflügelfleisch) vermarktet. Die Öffnung für Einzelmitglieder 1994 vergrößert die Kapitalbasis. Die geplante Fusion mit Nordfleisch scheitert im Jahr 2002 endgültig. Der Umsatz betrug 2003 eine Milliarde Euro bei ca. 1.200 internen Mitarbeitern, ca. 2.000 externen Mitarbeitern sowie 3.600 Mitgliedern. Pro Jahr werden ca. 5 Millionen Tiere geschlachtet. In der jüngsten Vergangenheit übernahm der Export einen immer größeren Anteil am Umsatz des Unternehmens. Im Jahr 2006 deckt Westfleisch 12% des deutschen Fleischmarktes ab.[1]
Westfleisch in der Kritik
Bundesweites Aufsehen erregte der Vorwurf gegen die Firmengruppe Westfleisch, ein System von Sub- und Sub-sub-Unternehmen zu dem Zweck organisiert zu haben, Personalkosten durch Schwarzarbeit zu senken. Die Bielefelder Staatsanwaltschaft äußerte den Verdacht der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe, Betrug sowie Bildung einer kriminellen Vereinigung vor.[4] Staatsanwalt Falk Schnabel von der Bielefelder Staatsanwaltschaft nannte den Ermittlungsstand „ein Sammelsurium von Indizien“ und betont die Kooperation von Westfleisch: „Es sind freiwillig vom Unternehmen Unterlagen übergeben worden.“[5] Mit gefälschten Gesundheitsattesten polnischer und rumänischer Arbeitnehmer soll der Stundenlohn für die bisherigen Mitarbeiter von Subunternehmen gesenkt worden sein. „Bei Westfleisch arbeiten 1.200 Menschen, aber nur noch 200 davon sind auf der eigenen Lohnliste, weil Polen, Ungarn oder Tschechen billiger sind“ erklärt Bernd Meiweg von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Ostwestfalen-Lippe.[6] Der Stundenlohn für osteuropäische Mitarbeiter dieser Subunternehmen betrug angeblich teilweise weniger als drei bis sechs Euro, was laut den Vorwürfen unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn liegen soll.[5] [7] [8] Geschäftsberichte des Unternehmens weisen seit Jahren sinkende Mitarbeiterzahlen aus, wohingegen die Zahlen der Schlachtungen und Zerlegungen stark gestiegen sind. Der Vorstandsvorsitzende Helfried Giesen konnte auf Nachfrage des Fernsehmagazins Report Mainz keine Auskunft über die Stundenlöhne der für die Subunternehmen arbeitenden slowakischer Zerlege-Arbeiter geben.[9] [10] Report Mainz sah eine Verflechtung mit rumänischen Scheinfirmen im Besitz des Bruders des 1997 amtierenden rumänischen Arbeitsministers Marian Sirbu als gegeben an.[9] [11] Die Schein- und Briefkastenfirmen in osteuropäischen Ländern sollen demnach zur Rekrutierung von Billig-Arbeitskräften gedient haben.[11] Inzwischen wurden die Ermittlungen gegen Manager von Westfleisch von Seiten der Bielefelder Staatsanwaltschaft gegen Geldauflagen wegen Geringfügigkeit eingestellt.[12]
Arbeitsbedingungen
Subunternehmen der Firma Westfleisch verlangten laut Vorwürfen von Telepolis im Jahr 2005 von ihren Beschäftigten angeblich Schichten von zwölf Stunden Dauer an sechs Tagen der Woche.[7] Im Ermittlungsverfahren 293 Js 170/03 der Steuerfahndung Bochum wurde ein Sub-sub-Unternehmer, der als Kolonnenführer auf einem Westfleisch-Schlachthof arbeitete, mit einem Bußgeld belegt, weil auf dem Konto des Arbeitslosengeldbeziehers große Summen bewegt wurden, weshalb die Bank einen Verdacht auf Geldwäsche an die Behörden meldete. Der Kolonnenführer hatte für 25 Euro pro Stunde schwarz auf dem Schlachthof gearbeitet. Weil in diesem Verfahren zu Protokoll gegeben wurde, dass mehr als 1.000 Personen auf ähnliche Weise auf Schlachthöfen der Firmengruppe Westfleisch beschäftigt seien, wurden seit 2002 weiteren Verfahren eingeleitet.[4]
Literatur
- Adrian Peter: Die Fleischmafia. Kriminelle Geschäfte mit Fleisch und Menschen, Econ-Verlag und Ullstein-Verlag, Berlin, Oktober 2006, ISBN-13 978-3-430-30013-1, mit einem Vorwort von Renate Künast; darin S. 97, System Westfleisch. Der Autor Adrian Peter ist ARD-Redakteur und stellvertretender Chefredakteur von Report Mainz. Die Wochenzeitschrift Die Zeit veröffentlichte eine Buchbesprechung: regelrechter Menschenhandel.
Quellen
- ↑ a b Geschäftsbericht 2005 der Westfleisch Finanz AG
- ↑ Struktur der Unternehmensgruppe Westfleisch, Auszug aus dem Geschäftsbericht 2005
- ↑ Westfleisch-Firmenchronik
- ↑ a b „Wie ein Konzern unbehelligt Hunderte von Schwarzarbeitern beschäftigt“, Helmut Lorscheid, Linkszeitung, 28. August 2005
- ↑ a b „Unsaubere Geschäfte in Schlachthöfen? Schaden soll in die Millionen gehen“, WDR, 15. November 2005
- ↑ „Die Crux der Dienstleistungsfreiheit“, Johannes Mey, Frankfurter Rundschau, 7. Januar 2005
- ↑ a b „Billiglohn im Schlachtgewerbe“, Helmut Lorscheid, Heise, 11. März 2005
- ↑ SWR-Reportage, Original-Ton
- ↑ a b „Tatort Schlachthaus − Warum Tausende deutsche Arbeiter gefeuert werden“, Fritz Frey und Adrian Peter, Report Mainz, 28. Februar 2005
- ↑ Adrian Peter: Die Fleischmafia. Kriminelle Geschäfte mit Fleisch und Menschen, Econ-Verlag und Ullstein-Verlag, Berlin, Oktober 2006, ISBN-13 978-3-430-30013-1, S. 99 f.
- ↑ a b Adrian Peter: Die Fleischmafia. Kriminelle Geschäfte mit Fleisch und Menschen, Econ-Verlag und Ullstein-Verlag, Berlin, Oktober 2006, ISBN-13 978-3-430-30013-1, S. 103
- ↑ „Illegale Arbeiter: Westfleisch-Chefs müssen zahlen“, WDR, 10. August 2006