Äon (Theologie)
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Der Begriff Äon stammt vom Griechischen αἰών (aiōn) und bedeutet ursprünglich Zeitalter, später auch Ewigkeit. Im theologischen Sprachgebrauch wird das Wort im Allgemeinen je nach Textzusammenhang mal mit der einen, mal mit der anderen Bedeutung übersetzt.
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[Bearbeiten] Ursprungsbedeutung und biblischer Sprachgebrauch
Im klassischen Griechisch hat αιων die Ursprungsbedeutung Zeitalter bzw. Lebenszeit. Spätestens seit Platon diesen Begriff z. B. im Dialog "Timaios" 37d im Sinne von "Ewigkeit" als Gegenbegriff zu chronos="Zeit" verwendet hat, hat sich allerdings auch diese Verwendung verbreitet. Die Ursprungsbedeutung von Zeitalter wird durch den "Liddell-Scott", dem heute meist benutzten griechischen Wörterbuch mit wissenschaftlichem Anspruch, bestätigt, wobei das gleiche Wörterbuch auch die Bedeutung "Ewigkeit" samt Belegstellen anführt.
In der Septuaginta kommt das griechische αιων rund 300-mal vor und steht für das hebräische olam, das gemäß "Gesenius", dem heute meist benutzten hebräischen Wörterbuch mit wissenschaftlichem Anspruch, für die unvordenkliche Vorzeit oder auch die ununterbrochene Zukunft steht. Auch im Neuen Testament wird bei Zitaten aus dem Alten Testament das hebräische "olam" mit "aion" wiedergegeben (Heb. 1,8; 5,6; 1. Petrus 1,25).
Im griechischen Urtext des Neuen Testaments wird das Wort αιων 123-mal verwendet, das Adjektiv αιωνιος 70 Mal, das Adjektiv αιδιος zwei Mal.
Die Formel "eis aiona aionos" wird in lateinischen Übersetzungen mit "per saecula saeculorum" wiedergegeben. Das lateinische "saeculum" (=Jahrhundert) drückt einen Zeitraum aus. Die Formel "saecula saeculorum" wird jedoch in der liturgischen Sprache verwendet, um die Überzeitlichkeit Gottes zum Ausdruck zu bringen.
Ins Deutsche ist die Vorstellung des Äons als Zeitalter durch die Verwendung des Plurals eingegangen (Es kann die Spur von meinen Erdentagen nicht in Äonen untergehen - Goethe: Faust II).
[Bearbeiten] Kontroverse
Das griechische αιων hat also im Laufe der Zeit zwei Bedeutungsrichtungen erhalten: "Zeitalter", d. h. eine begrenzte Zeitspanne einerseits, "Ewigkeit", d. h. unbegrenzte Zeit andererseits. Die Kontroverse entzündet sich daran, ob Äon auch in der Bibel mit diesen beiden, nach deutschem Sprachempfinden gegensätzlichen, Bedeutungsrichtungen verwendet wird oder nur die Ursprungsbedeutung richtig ist - und wenn ersteres, nach welchem Prinzip dann zwischen beiden ausgewählt werden muss.
[Bearbeiten] Konkordante Übersetzungen
Die konkordante Übersetzungsmethode versucht, jedes Wort der Ursprache - also auch das griechische αιων und die abgeleiteten Adjektive αιωνιος und αιδιος, wie auch das hebräische olam - sofern irgend möglich, in der Zielsprache stets mit dem gleichen Wort wiederzugeben.
Grundsatz ist dabei, dass die Bibel selbst die Bedeutung des Begriffs durch den Vergleich aller Vorkommen liefert und somit nachträgliche Bedeutungsveränderungen (z. B. durch philosophische Ideen oder Kirchendogmen) ausgeschaltet werden. Da "Äon" z. B. in Mt. 12,32; Mk. 10,30; Lk. 18,30; Röm. 16,25; 1.Kor. 10,11, Eph. 1,21; 3,21; Kol 1,26; 1.Tim. 1,17, 2.Tim. 1,9; Heb. 9,26 aufgrund der Satzlogik nur im Sinn von Zeitalter (also Äon) übersetzt werden kann (bei Luther heißt es dann etwas unklar "Welt"), wird diese Bedeutung von den Vertretern dieser Übersetzungsmethode auch auf Stellen angewendet, in der die Verwendung unklarer ist. Die Wortbedeutung "Endlosigkeit" ergibt sich für sie an keiner Stelle aus der objektiven Verwendung des Begriffs in der Bibel. Sie weisen darauf hin, dass auch in den Naturwissenschaften (Geologie) nur die Bedeutung von "Zeitalter" bekannt ist (siehe hier).
Das entsprechende Adjektiv "äonisch=aionion" meint dann in der Sicht konkordanter Übersetzer folgerichtig auch ausschließlich "auf Äonen bezogen", also auf begrenzte Zeiträume mit Anfang und Ende, so wie es auch klar in Röm. 16,25 und 2. Tim. 1,9 verwendet wird.
Zudem weisen sie darauf hin, dass im Griechischen Zeitloses deutlich und klar durch eine Verneinung beschrieben wird. Beispiele sind "Unsterblichkeit" (a thanasia, 1. Kor. 15,53-54; 1. Tim. 6,16), "Unauflöslichkeit" (a kata luton, Heb. 7,24), "Niemals mehr" (ou me eti, Offb. 18,21-23), "Unvergänglichkeit" (a phtharsia, 1. Kor. 15,42, 50, 53, 54; Eph. 6,24, 2. Tim. 1,10) bzw. "unvergänglich" (a phetheron Gott: Röm. 1,23, 1. Tim. 1,17). Wird in der Bibel also eine Endlosigkeit beschrieben, wird ihrer Meinung nach keinesfalls der Zeitbegriff "aion" verwendet.
Es wird daher von ihnen vermutet, dass die von ihnen als gegensätzlich betrachtete Doppelbedeutung Äon=endliche Zeit ↔ Ewigkeit=Unendlichkeit im Fall der Bibelübersetzung eingeführt wurde, um aus ihrer Sicht unbiblische Lehren in Bibelübersetzungen zu bringen, zumal in ihren Augen keine Systematik erkennbar ist, wie zwischen den beiden Bedeutungen gewählt wurde.
[Bearbeiten] Nichtkonkordante Übersetzungen
Die meisten Bibelübersetzungen gehen nicht nach dem Grundsatz der konkordanten Übersetzung vor: vielmehr wird bei jedem Vorkommen des griechischen Wortes aus dem Kontext heraus entschieden, welche Übersetzung - "Zeitalter" oder "Ewigkeit" - an der betreffenden Stelle gewählt wird. Dies geschieht aufgrund der Überzeugung, dass der Bedeutungsunterschied für das griechische Sprachempfinden kein Gegensatz, sondern nur eine "Nuancierung" sei; eine einseitige Festlegung auf eine einzige deutsche Übersetzung würde dem Bedeutungsreichtum des Wortfeldes in der Ursprache nicht gerecht. Da die Zusatzbedeutung "Ewigkeit" für αιων im klassischen Griechisch eindeutig belegt ist, betrachten sie es als einen unserem Sprachempfinden entspringenden "Scheingegensatz", wenn die Bedeutungsrichtungen "Zeitalter" (endlich) und "Ewigkeit" (unendlich) als unvereinbar angesehen werden.
Die genannte Auffassung spiegelt sich auch in den wichtigsten theologischen Fachwörterbüchern wieder, dem "Wörterbuch zum Neuen Testament" von Walter Bauer und Kurt Aland, dem "Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament" und dem "Exegetischen Wörterbuch zum Neuen Testament".
[Bearbeiten] Theologische Relevanz
Theologisch relevant sind diese Kontroversen, weil sich aus dem unterschiedlichen Verständnis des Begriffs unterschiedliche Glaubenslehren ergeben können. Wer eine Übersetzung mit "Ewigkeit" als möglich ansieht, kann aufgrund der Übereinstimmung von klassischen Auslegern bei relevanten Stellen die kirchliche Glaubenslehre von der ewigen Strafe in der Hölle als biblisch belegt ansehen. Zwingend ist dies allerdings nicht: erstens könnte er ja an den einschlägigen Stellen die Übersetzung "Zeitalter" für die kontextuell wahrscheinlichere halten, zweitens kann er bei der Interpretation seine Auffassung berücksichtigen, dass "begrenzter Zeitraum" und "unbegrenzter Zeitraum" in diesem Zusammenhang ein Scheingegensatz seien. Daher gibt es durchaus Theologen, die eine stellenweise Übersetzung von αιων mit "Ewigkeit" vertreten, die Glaubenslehre einer unendlichen Höllenqual aber ablehnen.
Wer jedoch die Wahlmöglichkeit der Übersetzung bestreitet und konsequent im Sinne von "Zeitalter" übersetzt, hat keinen dogmatischen Spielraum mehr und kann die traditionelle Lehre der "ewigen Höllenqual" kaum mittragen.
Außerdem wird, wer αιων konsequent im Sinne eines begrenzten Zeitabschnitts ("Äon") eindeutscht (und nicht auch teilweise mit "Welt" oder "Ewigkeit" interpretiert wie Luther), leichter zu einer Periodisierung der Heilsgeschichte kommen, wie dies im Dispensationalismus geschieht. Diese Lehre ist in den großen Kirchen allerdings wenig verbreitet.
[Bearbeiten] Äonenpläne
Im Dispensationalismus werden als längste Zeitabschnitte Äonen definiert, die von Dispensationen untergliedert werden (vergleichbar mit der Wortverwendung in der Geologie mit Äon und Ären). Ein neuer Äon beginnt dabei mit der völligen Auflösung alter Ordnungen (Äon wird mit Welt, gr. kosmos = "Geordnetes" gleichgesetzt, Eph 2,2), wie beispielsweise mit der Flut oder dem Beginn des 1000-jährigen Reichs (Millenarismus).
Dispensationalisten sehen in der Bibel:
- einen Zustand "vor den Äonen" (1. Kor 2,7; 2. Tim 1,9; Tit 1,2) und
- nach dem jetzigen Äon noch weitere kommende Äonen (Eph, 2,7)
Sie sehen folgende vier Äonen als gesichert an, oft werden aber auch fünf oder noch mehr gesehen:
- 1. Äon: Die ehemalige Welt (2. Petrus 2,5, 3,6); Abschluss: Flut (1. Mose 7,8; 2. Petrus 2,5; 3,6)
- 2. Äon: Der nunmehrige Äon (1. Tim 6,17; 2. Tim 4,10; Tit 2,12), dieser Äon (2. Kor 4,4; Eph 2,2; Gal 1,4), diese Welt (1. Kor 7,3; Joh 8,23; Eph. 2,2); Abschluss: Tag des Zorns (Offb 4-19; Mt 24; 2. Thess. 1,7-10)
- 3. Äon: Der zukünftige oder kommende Äon (Eph 1,21; Heb 6,5; Lk 18,30; Mk 10,30; Mt 12,32), das 1000-jährige Königreich Christi auf Erden (Offb 11,15; 20,1-6) Abschluss: Großer weißer Thron (Offb 20,11-15), Letzter Tag (Joh 12,47-50), Himmel und Erde im Feuergericht (2. Petrus 3, 7-12)
- 4. Äon: Neue Himmel und neue Erde (2. Petrus 3,13; Offb 21,1; Jes 65,17; 2. Kor 12,2), Der Abschluss der Äonen (Heb 9,26; 1. Kor 10:11), Die Vervollständigung der Fristen (Eph 1:10), Der Äon der Äonen (Eph. 3,21), Der Äon des Äons (Heb 1,8; Psalm 10,16); Abschluss: Alle Menschen leben (1. Kor 15,28; Römer 11,36)
[Bearbeiten] Weblinks
- Paul Petry: Wie sich die "Ewigkeit" einschlich
- Beschreibung der Äonen
- Heinz Schumacher: Der göttliche Plan der Äonen
- Äonen-Übersicht
- Ewigkeit oder Äon?
- Gedanken zum Begriff "Ewigkeit" in der Schrift
- Heinrich Langenberg: Äon= Ewigkeit?