Anlassen
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Das Anlassen ist eine Wärmebehandlung, in der ein Werkstoff gezielt erwärmt wird, um seine Eigenschaften zu beeinflussen, insbesondere um Spannungen abzubauen. Großtechnisch wird das Anlassen in der Stahl- und Glaserzeugung verwendet.
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[Bearbeiten] Verfahren in der Stahlverarbeitung
Nach dem Härten oder dem Schweißen von Stahl kann das Werkstück durch Erwärmen auf Temperaturen unterhalb des Umwandlungspunktes A1 (723 °C) angelassen werden. Dabei werden innere Spannungen abgebaut. Anlassen ist ein Verfahren der Wärmebehandlung.
Gewöhnlich wird Anlassen nach dem Härten angewendet. Gehärteter Stahl wird umso weicher, je höher man ihn anlässt. Dabei verringert sich die Härte und die Zähigkeit steigt. Durch Oxidation der Oberfläche bilden sich Anlassfarben, die zur Beurteilung der Anlasstemperatur herangezogen werden können. Die zwei wichtigsten Parameter des Anlassens sind die Anlasstemperatur und die Anlassdauer. Das Aufheizen und Abkühlen beeinflusst auch den Anlasseffekt. In der Praxis bewegen sich die häufigsten Anlasstemperaturen zwischen 300 und 550 °C; die Anlassdauer zwischen Minuten und Stunden. Dabei sind die Anlasstemperaturen und Anlassdauern austauschbar. Ein Anlassen mit kurzer Dauer und hoher Temperatur hat die gleiche Wirkung wie ein lang andauerndes Anlassen mit entsprechend niedriger Temperatur. Diese Austauschbarkeit wird durch den Hollomon-Jaffe-Parameter beschrieben. Formal entspricht er dem Larson-Miller-Parameter, der auch Kriecheffekte beschreibt.
[Bearbeiten] Anlassstufen beim Stahl
Bei der Stahlverarbeitung sind im Allgemeinen vier Anlassstufen von Bedeutung:
- Temperaturen unter 80°C
- Segregation von Kohlenstoffatomen an Gitterfehlern, Kohlenstoffclusterbildung, d.h. Vorstufe von Ausscheidungen von C-Atomen [1]
- Von 80°C bis 160°C (1. Anlassstufe)
- Stähle über 0,2%C.:Martensit geht über in alpha + ε-Karbide. alpha wird auch als kubischer Martensit bezeichnet. ε-Karbide (FexC) enthalten weniger Eisen als herkömmlich Karbide (bei 120 °C x=2,4)[2]
- Stähle unter 0,2%C.:Keine Bildung von ε-Karbiden, da die Kohlenstoffatome in der Nähe von Versetzungen energiegünstiger unterkommen. Das Martensit ist nicht oder nur minimal tetragonal verzerrt, d.h. es tritt keine Veränderung der kristallinen Struktur auf.
- Von 200°C bis 320°C (2. Anlassstufe)(bei niedrig legierten Stählen zwischen 200 und 375°C)
- Der vorhandene Restaustenit zerfällt. Es bilden sich Karbide und Ferritbereiche alpha', die sich hinsichtlich ihrer Konzentration noch von den Gleichgewichtsphasen Fe3C und alpha unterscheiden. Legierungszusätze wie z.B. Chrom können den Zerfall zu höheren Temperaturen verschieben [2].
- Von 320°C bis 520°C (3. Anlassstufe)
- Es stellt sich das Gleichgewichtsgefüge aus Zementit und Ferrit ein, verbunden mit einer relativ starken Erniedrigung der Härte [2].
- Temperaturen über 500°C
- Zunehmende Einformung und Koagulation der Zementitteilchen
- Temperaturen über 450 bis 550°C (4. Anlassstufe)(Sonderkarbidbildner)
- Bei Legierungen die Vanadium, Molybdaen, Chrom und Wolfram enthalten, kommt es bei diesen Temperaturen zur Ausscheidung von Sonderkarbiden, d.h. Karbide von Legierungselementen. Wenn diese fein genug verteilt sind, und bestimmten Zusammensetzungen entsprechen, können sie zu Härtesteigerungen führen, die sogar die Martensithärte übertreffen (Sekundärhärtemaximum).
[Bearbeiten] Anlassversprödung
Im Zusammenhang mit dem Anlassen werden zwei Versprödungserscheinungen beobachtet [3]:
- "300°C-Versprödung" oder "Blausprödigkeit" (200°<T<400°C)
- Vermutung: Ausscheidung von C und N auf den Korngrenzen, Alterungserscheinung bei Stählen mit höherem C-Gehalt; Folge: schlechte Kaltverformbarkeit; Vermeiden: T-Bereich meiden oder mit Si legieren.
- "500°C-Versprödung" oder Anlassversprödung (450°<T<530°C)
- Ursache: Anreicherung der Austenitkorngrenze mit Spurenelementen oder Carbiden; besonders bei Mn-, CrMn-, und CrNi-Stählen; Folge: Kerbschlagarbeit wird erniedrigt, Übergangstemperatur im Kerbschlagbiegeversuch steigt an; Vermeiden: Wenn dieser Temperaturbereich der Anlasstemperatur nicht gemieden werden kann, Zulegieren von Mo (bereits deutliche Besserung bei 0,05-0,1%, Effekt bei 0,2-0,3% kaum noch vorhanden) oder Wo.
[Bearbeiten] Verfahren in der Glasherstellung
In der Herstellung von Glaswaren wird das Anlassen verwendet, um durch den Abkühl- oder Umformprozess von Glas im Material vorhandene Spannung abzubauen. Die Glasware wird dabei soweit erwärmt, dass sie noch nicht wieder weich wird, aber die inneren Spannungen sich ausgleichen können. Dann wird die Temperatur langsam gesenkt und das Glas langsam bis unter einen kritischen Punkt abgekühlt. Daraufhin kann es schnell weiter abgekühlt werden. Geschieht diese Behandlung nicht, bricht das Glas verhältnismäßig schnell oder zerspringt spontan bei Temperaturschocks.
[Bearbeiten] Quellen:
- ↑ Liu Cheng: Phase Transformation in Iron-Based Interstitial Martensites. Doctor thesis, Delft University of Technology, the Netherlands (1990).
- ↑ a b c Macherauch, E.: Praktikum in Werkstoffkunde. Vieweg Verlag, Braunschweig/Wiesbaden, 9. Auflage (1990).
- ↑ Eckstein, H.-J.: Technologie der Wärmebehandlung von Stahl. VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, 2. Auflage (1977).