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Ausgrabung - Wikipedia

Ausgrabung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Ausgrabung des Isistempels in Pompeji in einer Darstellung aus der zweiten Hälfte des 18. Jhd.
Ausgrabung des Isistempels in Pompeji in einer Darstellung aus der zweiten Hälfte des 18. Jhd.
Ausgrabungsstätte bei Kalkriese, dem Ort der Varusschlacht
Ausgrabungsstätte bei Kalkriese, dem Ort der Varusschlacht

Unter einer Ausgrabung wird im deutschen Sprachraum die archäologische Freilegung eines vom Erdboden verdeckten Befundes verstanden, bei dem dieser Befund mit wissenschaftlicher Zuverlässigkeit dokumentiert wird. Es handelt sich letztlich um eine kontrollierte Zerstörung des Befundes. Die Größe der Grabungsfläche richtet sich nach dem Befund an sich, den zur Verfügung stehenden Mitteln und der Notwendigkeit.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Grabungstypen

Es gibt drei Typen von Ausgrabungen:

Forschungsgrabung
Der Befund hat höchste Priorität. Es stehen genügend Zeit und Mittel für eine umfassende wissenschaftliche Ausgrabung zur Verfügung.

Rettungsgrabung bzw. Notgrabung Der Befund ist durch Baumaßnahmen bereits beschädigt oder durch Erosion freigelegt worden und wird nun unter großem Zeitdruck bestmöglich dokumentiert.

Der Übergänge zwischen Not- und Rettungsgrabung sind oft fließend.

[Bearbeiten] Methoden der Grabung

Fast alle Ausgrabungen richten sich nach der Stratigrafie des Befundes. Es handelt sich dabei um die in einem vertikalen Schichtprofil feststellbare Abfolge von mehr oder weniger horizontal verlaufenden Straten. Als untere Grenze einer Ausgrabung wird im Idealfall bei Forschungsgrabungen versucht die natürlichen, ohne Menscheneinwirkung entstandenen Erdschichten bzw. das gewachsene Gestein zu erreichen. Bei Notgrabungen soll zumindest die Tiefe ergraben werden, die auch von der Baumaßnahme selbst erreicht wird.

Schichtprofil (Augsburg, Inneres Pfaffengässchen)
Schichtprofil (Augsburg, Inneres Pfaffengässchen)

[Bearbeiten] Planagrabung

Bei der Planagrabung werden Plana oder Abstiche von regelmäßiger Stärke unabhängig vom Verlauf der einzelnen Kulturschichten abgetragen und auf diesen ebenen Flächen die Befunde eingemessen.

Es handelt sich also um eine Grabung nach künstlichen (willkürlichen) Schichten.

[Bearbeiten] Stratigrafische Grabung

Bei der stratigrafischen Grabung oder Schichtengrabung wird jede einzelne authentische Kulturschicht minutiös freigelegt. Die Stärke der Schicht spielt dabei keine Rolle, sie ist allenfalls ein arbeitstechnisches Problem.

Es handelt sich also um eine Grabung nach natürlichen Schichten.

[Bearbeiten] Deutsche und Englische Grabung

Bei der deutschen Grabungsmethode werden die einzelnen Befunde auf dem Planum markiert und danach ausgehoben. Die Englische Grabung teilt dagegen das Planum in regelmäßige Quadrate auf und wird daher auch Quadrantenmethode genannt. Diese Quadrate werden dann ausgehoben, wobei lediglich schmale Stege, sogenannte Kontrollstege, stehenbleiben, weil in ihnen der Verlauf der Straten überprüfbar bleibt. Der Vorteil der englischen Grabungsart ist die Exaktheit, nachteilig ist der immense Arbeitsaufwand.

[Bearbeiten] Verlauf einer Grabung

[Bearbeiten] Vorbereitung der Fläche

Nachdem die Grabungsfläche festgelegt ist, wird als Erstes mit Hilfe eines Baggers die so genannte Pflugschicht [1] abgehoben. Die hierdurch entstandene rechteckige Grube, deren Anfangstiefe vom Zerstörungsgrad der Oberflächendeckschicht abhängt, nennt man Grabungsschnitt. Jeder Schnitt bekommt nun eine fortlaufende Nummer und wird einem Schnittleiter, normalerweise ein erfahrener Grabungsarbeiter oder ein angehender Grabungstechniker, unterstellt, der eine eigene Dokumentationsmappe führt. Zunächst werden dann die Schnittkanten per Spaten gerade abgestochen, um Profile zu gewinnen und die Fläche selbst per Schaufel grob glatt geschoben, um ein erstes Planum zu erhalten. Im Feinputz wird danach die gesamte Fläche des Schnitts mit Kellen von letzten Resten der Pflugschicht befreit. Auf dem so freigelegten Boden (etwa Löss) können dann erste Befunde bereits erkennbar sein, da sie sich farblich vom umgebenden Boden abheben. Bevor diese markiert werden, wird jedoch zuerst mit Hilfe eines Tachymeters oder Theodoliten ein Netz von Koordinaten über die Fläche gelegt, das sich an der geografischen Länge und Breite orientiert. Anschließend können die Befunde markiert und die Fläche fotografiert werden. Danach werden die Umrisse des Schnitts im Maßstab 1:100 gezeichnet. In diese Zeichnung wird ein Teilblattsystem eingetragen. Die Teilblätter selbst stellen die Fläche im Maßstab 1:20, bei besonderen Befunden auch schon mal im Maßstab 1:10 dar. Um später die Höhenunterschiede nachvollziehen zu können, wird die Fläche nivelliert und die Niv-Punkte auf den Teilblättern eingetragen.

[Bearbeiten] Befundbearbeitung und Dokumentation

Schon während der Grabung beginnt die archäologische Dokumentation, die gleichzeitig auch schon eine erste Form der Interpretation ist und die letztlich oft erst mehrere Jahre nach der Grabung publiziert wird. Heute wird die Dokumentation meist weitgehend durch EDV gestützt.

Beispielhafter Ablauf einer Befundbearbeitung: Die auf dem ersten freigelegten Planum markierten Befunde bekommen zunächst fortlaufende Nummern und werden meist im Maßstab 1:20 in die Teilblätter eingezeichnet. Anschließend wird jeder einzelne Befund nivelliert und folgendermaßen beschrieben: Form, Ausrichtung, Größe, Lage, Zusammensetzung und vermutliche Funktion. Dies ist die so genannte Erstansprache. (Wird innerhalb eines Befundes ein weiterer Befund entdeckt oder grenzen mehrere Befunde aneinander, so handelt es sich um einen Befundkomplex, der eine eigene Nummer und Erstansprache erhält). Danach wird der Befund geschnitten, um ein Profil zu erhalten. Zunächst wird eine Profilschnur über den Befund gespannt, die ihn in zwei Hälften teilt. Die eine Hälfte wird nun mit der Kelle bis auf eine neue Schicht abgetragen. Handelt es sich bei der neuen Schicht um eine eingelassene Schicht, wird ein Zwischenplanum gezeichnet, die Schicht erneut nivelliert und dann bis auf die darunter liegende abgetragen. Entlang der Profilschnur wird das Profil lotrecht abgestochen und fotografiert. Bevor nun das Profil im Maßstab 1:10 gezeichnet wird, muss die Profilschnur mit Hilfe des Nivelliergeräts waagerecht gespannt werden. So kann später auf der Zeichnung der Verlauf des Profils genau dargestellt werden.

Nachdem dies erledigt ist, wird die zweite Hälfte des Befundes ausgehoben und der gesamte Befund, das sogenannte Negativplanum, fotografiert. Dieses Negativplanum wird nun wiederum nivelliert, in die Teilblätter eingetragen und seine Zusammensetzung farbig dargestellt. Zum Schluss wird wie bei der Erstansprache noch mal der gesamte Befund nach denselben Kriterien beschrieben und die tatsächliche Funktion festgestellt (Endansprache). Auch das jeweilige Planum erhält eine fortlaufende Nummer, und wird schriftlich, fotographisch sowie zeichnerisch dokumentiert. Normale Fundstücke (Keramikscherben, gebrannter Lehm, Knochen, Kohle) werden unter Angabe der Befundnummer eingetütet. Sonderfunde hingegen, wie Münzen, Waffen, etc. werden einzeln eingemessen und nivelliert. Größere Befunde, wie Mauern, Öfen und dergleichen, werden fotografiert, nivelliert und im Maßstab 1:10 in einer separaten Zeichnung dokumentiert.

Danach wird die gesamte Fläche bis auf das darunter neu anzulegende, zweite Planum abgetragen und der Arbeitsablauf beginnt von vorn.

[Bearbeiten] Funde und Befunde

In der Grabungstechnik wird zwischen Funden (bewegliche Gegenstände, i. d. R. Artefakte) und Befunden (unbewegliche Strukturen, i. d. R. Bodenkonsistenzen) unterschieden. Als Befunde werden dabei alle sichtbaren Strukturen (Mauern, Abfallgruben, Gräben, Pfostenlöchern, Schichten) beschrieben, wobei prinzipiell auch auf der Grabung nicht sofort sichtbare Strukturen als Befund zu bezeichnen sind (beispielsweise Fundkonzentrationen, Muster der Fundverteilung, Schwermetallbelastung des Bodens, Phosphatgehalt des Bodens).

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. Von "Pflugschicht" kann man bestenfalls in unüberbauten Gebieten sprechen. Im Rahmen der mittelalterlichen Stadtkernarchäologie kann die sogenannte Pflugschicht durchaus aus meterdicken Packungen von Weltkriegsschutt bestehen.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Literatur

  • Jörg Biel: Handbuch der Grabungstechnik. Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte, Stuttgart 1994.
  • Rolf d'Aujourd'hui (Hrsg.): Archäologie in Basel. Organisation und Arbeitsmethoden. Scriptum zur "Grabungstechnik". Verlag Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt, Basel 1989. ISBN 3905098067
  • Egon Gersbach: Ausgrabung heute. Theiss, Stuttgart 1998. ISBN 3806213798
  • Grabung e.V. (Hrsg.): Grabungswörterbuch. Schloemer, Düren 1998.
  • Rolf Hachmann: Vademecum der Grabung Tell Kamid el-Lodz. Bonn, 1969.
  • Matthias Knaut, Martin Körber und Ruth Keller-Kempas: Freigelegt. Zehn Jahre Studium Restaurierung/Grabungstechnik in Berlin. (Berliner Beiträge zur Konservierung von Kulturgut und Grabungstechnik, Bd. 1). Siegl, München 2003. ISBN 3-935643-11-X
  • Andreas Kinne: Tabellen und Tafeln zur Ausgrabungstechnik. Selbstverlag, Dresden 2005. Inhaltsverzeichniss und Leseprobe online
  • Susi Ulrich-Bochsler: Grabungstechnik. Einführung in die Archäoanthropologie für das archäologisch-technische Grabungspersonal Basel 1993.

Periodika

  • Verband der Restauratoren (Hrsg.): Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut. VdR, Bonn 2003ff.
  • Arbeitsgemeinschaft der Restauratoren (Hrsg.): AdR-Schriftenreihe zur Restaurierung und Grabungstechnik. Theiss, Stuttgart 1994ff. (seit 2003 siehe VdR-Beiträge)
  • Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (Hrsg.): Berliner Beiträge zur Konservierung von Kulturgut und Grabungstechnik. Siegl, München 2003ff.
  • Vereinigung des Archäologisch-Technischen Grabungspersonals (Hrsg.): Grabungstechnik - Technique des fouilles. VATG, Wettingen 1983ff.

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