Automated Transfer Vehicle
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Das Automated Transfer Vehicle (ATV, selbstständiges Überführungsfahrzeug) ist ein unbemanntes Raumschiff, das Nachschub wie Nahrung, Wasser, Ausrüstung, Stickstoff, Sauerstoff und Treibstoffe zur Internationalen Raumstation (ISS) transportieren kann. Das ATV wird im Auftrag der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) von der Raumfahrtfirma EADS SPACE Transportation in Bremen gebaut und mit Hilfe einer Ariane-5-ESV-Rakete gestartet.
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[Bearbeiten] Details
Der Start des ersten von fünf ATVs ist für November 2007 geplant. Es trägt den Namen Jules Verne, zur Erinnerung an den französischen Science-Fiction-Schriftsteller. Danach sollen etwa alle zwölf Monate eines der über 13 Tonnen (Leermasse) schweren ATVs vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana starten und zur ISS fliegen.
Das Raumschiff ist mit einem hochentwickelten Navigationssystem ausgerüstet, mit dem es seine Flugbahn selbst berechnen und das Rendezvous-Manöver mit der Raumstation völlig automatisch durchführen kann. Bei erfolgreicher Kopplung wäre dies das erste vollautomatische Dockingmanöver im All, das nicht von Russland durchgeführt wurde. Der Kopplungsmechanismus ist russischer Bauart, weil ATV an das russische Swesda-Modul angedockt wird.
Das ATV bleibt etwa sechs Monate mit der ISS verbunden. Es steht dabei unter Druck und kann von der Besatzung der Station betreten und als Raum genutzt werden. Die Versorgungsgüter werden entnommen und das Vehikel mit bis zu 6,3 Tonnen Abfall beladen, der in der Raumstation angefallen ist. Nach dem Andocken wird das ATV mit seinen eigenen Triebwerken auch dabei helfen, die Station in eine höhere Umlaufbahn (max. 500 km) zu heben, da sie durch Reibung an der Restatmosphäre ständig an Höhe verliert. Schließlich wird das ATV wieder automatisch zur Erde gelenkt, wobei der Eintrittswinkel in die Erdatmosphäre so steil gewählt wird, dass das ATV in den oberen Schichten der Atmosphäre verglüht.
Das ATV wird das russische, ebenfalls unbemannte Versorgungsraumschiff Progress nach der Stilllegung der amerikanischen Space-Shuttle-Flotte im Jahr 2010 deutlich entlasten. Immerhin kann das ATV etwa das Dreifache der Masse transportieren und ist damit deutlich leistungsfähiger als das russische Progress.
[Bearbeiten] Kosten
Obwohl das ATV ein „Wegwerfprodukt“ ist, ist die Verwendung eines unbemannten Versorgungsschiffes für die ISS billiger als die Versorgung mit dem (wiederverwendbaren) Space-Shuttle-Orbiter. Denn innerhalb einer bemannten Mission haben Sicherheitsaspekte eine große Bedeutung, was eine Kostensteigerung bedeutet. Ein Flug des Space Shuttles, der bei der Planung 1972 mit 10,5 Millionen US-Dollar veranschlagt wurde, kostet heute je nach Berechnungsmodellen zwischen 400 Millionen und 1 Mrd. US-Dollar (bei rund 10 Tonnen Nutzlast im MPLM zur ISS). Ein ATV-Flug mit 7,6 Tonnen Nutzlast dagegen nur etwa 330 Millionen Euro. Ein Progress-Flug mit 2,3 Tonnen Nutzlast etwa 40 Millionen Euro.
Transporter | Progress | ATV | HTV | Space Shuttle mit MPLM |
Kapazität | 2,3 t | 7,6 t | 6,0 t | 10 t |
Träger | Sojus | Ariane 5 | H-2B | Space Shuttle |
Preis pro Start (Transporter + Träger) |
40 Mio. US-Dollar (20 Mio. + 20 Mio. ) |
330 Mio. US-Dollar (150 Mio. + 180 Mio.) |
? Mio. US-Dollar (? Mio. + 90 Mio.) |
1 Mrd. US-Dollar |
Preis pro Tonne | 17,4 Mio. US-Dollar | 43,4 Mio. US-Dollar | ? | 100,0 Mio. US-Dollar |
[Bearbeiten] Missionsverlauf
- Die europäische Trägerrakete Ariane-5-ESV startet mit dem ATV an der Nutzlastspitze vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou aus.
- An der Spitze der Ariane 5 muss das ATV über drei Minuten lang größten strukturellen Belastungen standhalten, während die Rakete in den Weltraum fliegt.
- Etwa 100 Minuten nach dem Start hat das ATV seine Solarpaneele ausgebreitet und fliegt nun automatisch gesteuert zur Internationalen Raumstation.
- Das Andockmanöver beginnt fünf Tage nach dem Start. Es wird ebenfalls vollautomatisch von einem Lasersystem (russische Entwicklung) durchgeführt.
- Das ATV ist nun eine Art Erweiterung der Station. In seinem 45 m³ großen Innenraum können sich auch Raumfahrer aufhalten, um die Versorgungsgüter zu entladen und dort eigenen Müll zu deponieren. Das ATV kann 7,5 Tonnen Nutzlast transportieren.
- Da die ISS ständig an Höhe verliert wird die Umlaufbahn mit Hilfe der ATV-eigenen Triebwerke gestützt.
- Nach sechs Monaten an der Station wird das ATV mit 6,3 Tonnen Müll der Raumfahrer beladen und in Richtung Erde gelenkt. Das Raumschiff verglüht schließlich in der Atmosphäre.
[Bearbeiten] Technische Daten
- Max Länge: 10,27 m (mit ausgefahrenen Solarzellenflächen 22,28 m)
- Max Durchmesser: 4,48 m
- Leermasse: 10.470 kg
- Verbrauchsmaterial des ATV: 2.613 kg
- Nutzlast-Kapazität: (max 7.667 kg, typisch 7.500 kg) kann sich variabel zusammensetzen aus
- maximal 5.500 kg trockenes Material wie Nahrungsmittel
- maximal 4.700 kg Treibstoff
- maximal 860 kg Treibstoff für die ISS
- maximal 840 kg Trinkwasser
- maximal 100 kg Luft (Sauerstoff und Stickstoff)
- Maximal mögliche Masse beim Start: 20.750 kg
- Abfall-Aufnahme-Kapazität: typisch 6.300 kg
- Energieversorgung: Solarzellen und Batterien, Energieverbrauch 400W - 900W
Das ATV ist mit einem hochentwickelten Navigationssystem ausgerüstet, mit dem es seine Flugbahn selbst berechnen und das Rendezvous-Manöver mit der Raumstation völlig automatisch durchführen kann. Dieses besteht aus einem RDS-Laserradar (Rendezvous- und Docking Sensor) von Jena-Optronik und einem optischen System (Videometer) der französischen Firma Sodern und von Jena-Optronik.
Das Lagekontrollsystem steuert 28 Triebwerksdüsen, die jeweils 220 Newton Schub liefern. Als Treibstoff kommt Monomethylhydrazin, als Oxidator Stickstofftetroxid zum Einsatz.
[Bearbeiten] ATV Evolution - Pläne der ESA zur Weiterentwicklung des ATV
Die ESA sieht das ATV als eine exzellente Basis um weiterführende Raumfahrzeuge zu entwickeln. Die Pläne der ESA sehen derzeit zwei Studien mit unterschiedlichen Schwerpunkten vor. Die ESA präsentiert diese in Übereinstimmung mit der Raumfahrtinitiative der USA, wie sie Präsident Bush im Jahre 2004 präsentierte. Dies vor allem in Hinblick auf das Auslaufen des Space-Shuttle-Programms im Jahre 2010, da es ab diesem Zeitpunkt und bis zur Einführung des Orion-Raumschiffes (bzw. eines anderen bemannten US-Transportmittels zur ISS) nur noch durch die Sojus-Raumkapseln möglich sein wird Material und Astronauten zur Erde zurück zu bringen.
- UIC (Unpressurized Logistics Carrier): Der UIC soll mehrere Tonnen von nicht unter Luftdruck stehender Fracht zur ISS bringen. Hierzu wird das, im derzeitigen ATV integrierte Frachtmodul durch das UIC ersetzt. Die Fracht kann dann durch den European Robotic Arm oder durch einen Astronauten, an die endgültige Position an der Raumstation angebracht werden.
- Large Cargo Return: Der Plan sieht vor das Frachtmodul des ATV mit einem Hitzeschild für den Wiedereintritt in die Atmosphäre auszustatten. Damit soll es möglich sein, mehrere hundert Kilogramm an Fracht und Experimenten zurück zur Erde zu bringen. Hierfür könnte das Konzept des Atmospheric Reentry Demonstrators (ARD) genutzt werden, welches bereits im Jahre 1998 erfolgreich getestet wurde.
- CARV (Cargo Return Vehicle): Eine weitere mehr detaillierte Studie mit einem höheren Budget aus dem Jahre 2004. Das CARV soll in der Lage sein an dem amerikanischen Teil der ISS anzudocken um die International Standard Payload Rack(ISPR) auszutauschen und zurück zur Erde zu bringen.
- Small Payload Return: Unter Ausnutzung des inneren Volumens des ATV, könnte es mit einer kleinen Kapsel ausgestattet werden, die es ermöglicht circa 150 kg an Material zurück zur Erde zu bringen.
- CTV (Crew Transport Vehicle): Das ATV soll soweit modifiziert werden, dass damit der Transport von Astronauten möglich ist. Dies in der ersten Phase als Crew Return Vehicle (CRV) für die ISS. Und in der weiteren Entwicklung, als voll einsetzbares Raumschiff, um Astronauten in den Weltraum und zurück zur Erde zu bringen. Im Juni 2006 wurde, von der ESA die 2 Jährige Studie CSTS in Auftrag gegeben. Es soll die Möglichkeit erörtert werden, in Kooperation mit Russland, ein Raumschiff zu bauen, welches in der Lage ist, den Mond Orbit zu erreichen. Hierzu sollen auch erprobte Technologien des ATV zum Einsatz kommen.
- Free-Flying Lab/The Safe-Haven: Das ATV könnte vergleichsweise einfach zu einem unbemannten frei fliegenden Labor weiterentwickelt werden. Dieses könnte ein besseres Microgravitationslevel für Experimente bereitstellen. Zum Austausch von Experimenten soll es an die ISS andocken. Weiterhin könnte ein solches Modul als eine Art Rettungsboot (Safe-Haven) fungieren. Dies würde im Falle eines schweren Störfalles auf der ISS genug Zeit geben, die Besatzung mit Hilfe einer Sojus-Raumkapsel oder eines Space Shuttles zu retten.
- MSS (Mini Space station): Das ATV könnte mit zwei Andockmechanismen ausgestattet werden und so dem Aufbau einer Mini-Raumstation bzw. eines Raumlabors dienen.
- ETV (Exploration Transport Vehicle): Weiterentwicklungen des ATV könnten genutzt werden, um Fracht und Astronauten in den Mond- und den Mars-Orbit zu transportieren - einschließlich Weltaumteleskopen und planetaren Raumschiffen. Laut ESA-Angaben, soll das europäische ATV zum besten jemals gebauten Raumschlepper weiterentwickelt werden.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Crew Space Transportation System
- H-2 Transfer Vehicle
- Multi-Purpose Logistics Module (MPLM)
- Sojus (Raumkapsel)
[Bearbeiten] Weblinks
- Übersicht zum ATV auf der ESA-Website (englisch)
- ESA: ATV Bildergalerie (englisch)
- EADS Space: ATV Bildergalerie (englisch)
- ESA: ATV Evolution Scenarios (englisch)