Burschi-Reader
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Burschi-Reader (auch Burschireader) ist ein in den 1990er Jahren entstandene Bezeichnung für Informations- bzw. Schmähschriften zum Thema Studentenverbindungen, die spätestens seit den 1960er Jahren von Gruppierungen oder Gremien der Verfassten Studierendenschaft herausgegeben und verteilt wurden. Mitunter werden auch andere, sich kritisch-ablehnend mit den Traditionen von Studentenverbindungen befassende Publikationen, unter diesem Begriff zusammengefasst. So ist der Begriff zum Beispiel in Österreich unbekannt.
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[Bearbeiten] Etymologie
Das Wort ist zusammengesetzt aus den Bestandteilen „Burschi“, einem Pejorativ für Verbindungsstudenten allgemein, abgeleitet von der spezielleren Bezeichnung „Burschenschafter“, und dem englischen Wort „reader“, das auf deutsch „Lesebuch“ oder „Lehrbuch“ bedeutet.
[Bearbeiten] Ziel der Publikationen
Ziel dieser Publikationen ist es, Studierende vor Eintritt in die verschiedenen Arten von Studentenverbindungen zu warnen, um diesen Zusammenschlüssen damit den Nachwuchs zu entziehen.
[Bearbeiten] Herausgeber
Als Herausgeber von Burschi-Readern treten hochschulpolitische Gruppierungen auf, die den Sozialdemokraten, den Grünen, alternativen und undogmatischen Gruppen nahe stehen, aber auch linke Organisationen, autonome Gruppen und Antifa-Organisationen. Organe der Verfassten Studierendenschaft, in denen links-liberale Gruppen die Mehrheit haben, geben ebenfalls Publikationen dieser Art heraus.
Teilweise wird die Herausgabe derartiger Publikationen durch linke Parteien finanziell unterstützt, so zum Beispiel der Göttinger Burschi-Reader durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung, eine parteinahe Stiftung der Linkspartei (früher PDS).
[Bearbeiten] Inhalte
Die Beschaffung von Informationsquellen stellte zu Beginn der 1990er Jahre noch ein Problem für die Autoren von Burschi-Readern dar, weil die Kenntnis über studentische Traditionen im allgemeinstudentischen und akademischen Umfeld weitgehend vergessen war und schriftliche Quellen nur als Insiderpublikationen zu erhalten waren. Das hatte zur Folge, dass diffuse Vorstellungen über Studentenverbindungen ungeprüft als Tatsachen in den Schriften dargestellt wurden.
Die Verbreitung des Internets hat dafür gesorgt, dass Informationen über einzelne studentische Verbindungen und ihre Dachverbände ohne größere Schwierigkeiten auch für Nichtmitglieder zugänglich sind.
Besonders seit dem Ende der 1990er Jahre ist ein zunehmender Trend zur sachkundigen Information bei den Burschi-Readern zu erkennen. Es werden Begriffe der Verbindungs-Traditionen erläutert, die wichtigsten Typen studentischer Verbindungen erklärt und die Hauptunterschiede herausgearbeitet. Die Verwendung von negativ besetzten Vokabeln bei der Beschreibung von Studentenverbindung bleibt aber weiterhin ein beliebtes Stilmittel.
Hauptkritikpunkte der Verfasser an studentischen Verbindungen sind:
- politisches Versagen eines Großteils der Burschenschaften und anderer Verbindungen in der Weimarer Republik und im nachfolgenden, so genannten Dritten Reich,
- Öffentliches Anbieten preisgünstiger Wohnmöglichkeiten,
- rechtsextreme Positionen außerhalb des demokratischen Spektrums
- skandalöse Vorfälle in politischen überregional wirkenden Burschenschaften,
- Weitgehender Ausschluss von weiblichen Mitgliedern (Männerbund) und Frauenfeindlichkeit
- Gewalttätige Praktiken (Mensur)
- unverhältnismäßiger Alkoholgenuss im Rahmen traditioneller Sitten und Gebräuche,
- Problematisches Verhältnis zu Homosexualität und Wehrdienstverweigerung
- Vermittlung eines überkommenen oder sogar reaktionären Gesellschaftsbildes
- Seilschaftsbildung und Vetternwirtschaft, korrupte Netzwerke
- elitäres Selbstbild, Dünkel,
- undemokratische Traditionen
- mangelnde Abgrenzung zu oder Distanzierung von verfassungsfeindlichen Verbindungen