Canal Grande
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Canal Grande (im deutschen Sprachgebrauch häufig auch fälschlich Canale Grande bezeichnet) ist eine knapp vier Kilometer lange, zwischen 30 und 70 Meter breite und bis zu fünf Meter tiefe Hauptwasserstraße in der italienischen Lagunenstadt Venedig. Die erste Biegung des S-förmigen Kanals wird als volta di Canal bezeichnet. Er ist das letzte Stück des nördlichen Armes der Brenta, der durch die Lagune zieht, weshalb das Wasser hier im Gegensatz zu den Kanälen immer fließt. Rund 45 kleinere Kanäle münden in den Canal Grande ein.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Lage, Bebauung und Bedeutung
Der Canal Grande wird gesäumt von einer einmaligen Reihe von über 200 prächtigen Adelspalästen, die - bis zur Hoch-Renaissance - alle ungefähr gleich hoch waren.[1] In Venedig war die Höhe der Paläste von vorneherein vorgegeben und jeder akzeptierte das. Auch hier herrschte im Vergleich zu anderen italienischen Städten ein starker gemeinsamer Geist, der Einzelinteressen überlagerte. Das Gegenbeispiel sind die Geschlechtertürme in anderen Städten, mit denen sich die einzelnen Familien gegenseitig zu übertrumpfen suchten. Solche Einzelinteressen konnten sich hier in Venedig im Handel auf fremden Meeren genügend entwickeln.
Nach dem großen Raubzug von 1204 waren die ehemals hölzernen Häuser zunächst durch Steinbauten im byzantinischen Stil ersetzt worden. Vom 15. Jahrhundert an, zu Venedigs Glanzzeit, wurden sie nach und nach durch prunkvolle Paläste ersetzt im Stil der Gotik, der Renaissance und auch des Barock. Byzantinische Elemente traten da nur noch in den Maßwerkformen der gotischen Fenster auf.
Viele dieser Paläste haben nicht mehr ihr originales Aussehen, sondern sind - teilweise mehrfach - umgebaut worden. Diese Tendenz zur Prunksucht, die sich natürlich nicht auf die Architektur beschränkte, sondern auch die Kleidermode, die Tischsitten etc. umfasste, drohte das Ideal der relativen Gleichheit innerhalb des Stadtadels zu gefährden und es wurden Gesetze zur Eindämmung der Zur-Schau-Stellung von Besitz beschlossen.
Dass diese Paläste so nah am Wasser stehen, war nicht immer so. Der Abstand zum Canal Grande war im frühen und hohen Mittelalter größer. Erst im 13. Jh. begann man, die Paläste zum Kanal hin zu erweitern und den Hof nach hinten zu verlagern. Gleichzeitig wurde die Hauptfassade zum Wasser hin verlegt, die zuvor zur Landseite wies.
Die Steine für diese Paläste wurden hauptsächlich vom Festland herbei transportiert, besonders aus Verona. In Venedig selber gab es natürlich kein Baumaterial. Man muss sich von daher vorstellen, welcher immense Organisationsaufwand nötig war, um Venedig zu bauen und am Leben zu erhalten.
Die Paläste am Canal Grande sind nicht nur gleich hoch, sondern haben alle auch ein prinzipiell ähnliches Aussehen. Die durch große Fenster geöffnete Fassade und die Bevorzugung der leichten vor der festen Bauweise ergibt sich schon durch die Notwendigkeit, hier im Wasser keine allzu schweren Häuser bauen zu können. Die innere Anordnung der Räume ist meist an der Fassade abzulesen. Hier zeigt sich die jahrhundertelange Erfahrung der Baumeister, dass das fundamentale Element der venezianischen Architektur das Wasser ist, dessen Lichtreflexionen in die Räume hineinspiegeln sollten.
Das untere Geschoss, das Wassergeschoss, war schon deshalb offen, um die Waren aufnehmen zu können, die von den Schiffen gebracht wurden. Das ganze Untergeschoss, das Piantereno war, auch auf der Hofseite, seit dem 14. Jh. dem Handel vorbehalten, also der finanziellen Grundlage des Haushalts. Hier fuhren die Boote in das Hausinnere, wurden be- und entladen und hier wurden auch die Waren gelagert. Vor den Palästen stehen die berühmt gewordenen Pali, die bunten Pfähle zum Anbinden der Schiffe, und sie bezeichnen mit ihren jeweils individuellen Farben auch den jeweiligen Hausherrn.
Das erste Obergeschoss, das Piano nobile, war der Familie vorbehalten. Hier gab es den großen Saal, den Portego, der in der Mitte die ganze Tiefe des Hauses einnahm. Man kann das in den Donna-Leon-Filmen noch sehr schön sehen, wenn Commissario Brunetti die reichen Mordverdächtigen aufsucht. Die Dienstboten wohnten ganz oben. Die Küchen lagen unter den Dächern - aus gutem Grund. Wenn es hier zu einem Brand kam, wurde nicht das ganze Haus in Mitleidenschaft gezogen.
Innenhöfe fehlen fast immer. Dafür hatte jeder Palast im nach hinten offenen Hof seinen eigenen Brunnen. Die weniger Begüterten holten ihr Wasser aus Zisternen, die auf den Campi standen. Über jeder Zisterne war ein Brunnen eingerichtet.
Das Wasser für die Zisternen kam zum Teil von den Dächern. Rund um das Dach verlief nämlich die sog. Gorne, eine steinerne Regenrinne, die über senkrechte Abflussrohre mit den Zisternen verbunden war. Die Dächer der Paläste sind relativ flach, und zwar - der Sage nach - weil die Venezianerinnen dort ihre Haare von der Sonne so lange bleichen lassen konnten, bis sie jenen Farbton des goldenen rötlichen Blonds erreicht hatten, wofür sie schon zu Tizians Zeiten berühmt waren. Nur das Haar wurde gebleicht, nicht die Haut gebräunt. Das galt als vulgär. Braune Haut hatten nur die Leute, die im Freien arbeiten mussten. Die Dächer der venezianischen Palazzi waren aber entgegen einer weit verbreiteten Meinung nur selten wirklich begehbar.
Übrigens waren die Paläste trotz ihrer luftig-lichten Bauweise im Inneren sehr dunkel, vor allem im hinteren Bereich – auch das kann man in den Donna-Leon-Filmen gut sehen. Das Haus war eingekeilt zwischen Nachbargebäuden, mit oft nur wenig oder gar keinem Platz für einen Innenhof. Vor allem die Treppenhäuser und Erdgeschosse ließen an Licht und Luft zu wünschen übrig. Deswegen kam es im 16. Jh. zu einer Aufwertung dieser Bereiche.
Der Canal Grande trennt die Stadtviertel (Sestieri) San Marco, Cannaregio und Castello von den weiter südöstlich gelegenen Stadtteilen Dorsoduro, San Polo und Santa Croce. Derzeit existieren drei Brücken über den Kanal, deren älteste die Rialtobrücke ist. Es handelt sich dabei um eine gegen Ende des 16. Jahrhunderts anstelle einer Holzbrücke errichtete gedeckte Brücke in Kalkstein. Bis zur Errichtung der Scalzi-Brücke und der Accademia-Brücke im 19. Jahrhundert (beide erneuert im 20. Jahrhundert), war die Rialto-Brücke die einzige feste Verbindung über den Kanal. Derzeit befindet sich eine äußerst umstrittene vierte Brücke des Architekten Santiago Calatrava, die den Bahnhof mit dem Piazzale Roma (Parkplatz) verbinden soll, im Bau.
Neben den Brücken und den städtischen Wasserbussen ermöglichen von jeher an mehreren festgelegten Stellen Gondeln (sog. traghetti) ein Übersetzen.
Aus der Eigenschaft des Canal Grande als Hauptverkehrsader der Stadt ist die fast durchweg repräsentative Randbebauung in Form von sechs Kirchen und mehrerer Dutzend Paläste der venezianischen Aristokratie aus der Zeit der Republik Venedig, so beispielsweise der Palazzo Grimani, zu erklären.
Verluste an historischer Bebauung, darunter die Kirche S. Lucia, mussten im 19. Jahrhundert durch die Errichtung des Bahnhofs am westlichen Ende des Kanals verzeichnet werden. In Erinnerung an die abgerissene Kirche wurde der Bahnhof Stazione Ferroviaria S. Lucia genannt.
Im Canal Grande besteht ein bußgeldbewehrtes Badeverbot, das streng durchgesetzt wird.
[Bearbeiten] Bilder
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Toman, Rolf (Hrsg.): Die Kunst der italienischen Renaissance. Architektur – Skulptur – Malerei – Zeichnung. Köln 1994, S. 165
[Bearbeiten] Literatur
- Alvise Zorzi; Canal Grande, Biographie einer Wasserstrasse (Aus dem Ital. von Gesa Schröder, Hildesheim 1993, ISBN 3-546-00057-9
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Canal Grande – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
Koordinaten: 45° 26' N, 12° 20' O