Cardona
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Cardona ist eine ehemalige Festungsanlage in der Provinz von Barcelona in der autonomen Region Katalonien in Spanien, die heute zum Parador (Hotel in historischer Umgebung) ausgebaut ist.
Die von weitem sichtbar auf einem Felskegel gelegene Festung liegt 32 km nordwestlich von Manresa. Dieser herausgehobenen Lage hat die Burg ihre lange Geschichte zu verdanken als Verteidigungsbau der fränkischen Grafschaften seit der Karolingerzeit. Hinzu kam, dass in direkter Nähe schon zur Römerzeit ein großes Salzvorkommen gefunden wurde, das bis heute abgebaut wird. Salz hatte im Mittelalter eine immense Bedeutung als Frischhaltemöglichkeit für Lebensmittel und daher wurden ungewöhnlich sorgfältige Maßnahmen zum militärischen Schutz von Burg und Salzbergwerk unternommen.
Besonders gegen die islamische Eroberung setzte man sich erfolgreich zur Wehr, so dass die Burg bald als uneinnehmbar galt und ihren Besitzern den Aufstieg in die höchsten Ränge des spanischen Adels einbrachte.
Das Kollegiatsstift von Cardona erscheint so einheitlich, dass man annehmen kann, dass der ursprüngliche, zweifellos kurz vor 1030 entworfene Plan ohne große Veränderungen ausgeführt wurde, auch wenn die Arbeiten zur Zeit der Weihe nicht ganz abgeschlossen waren, so waren sie doch weit fortgeschritten. Zweifellos bestimmten die liturgischen Bedürfnisse der Kanoniker den Entwurf des Gesamtplans, denn diese werden in der Ausführung deutlich.
[Bearbeiten] Stiftskirche S. Vincente
Der kunsthistorisch bedeutendste Bauteil der Anlage ist die Stiftskirche S. Vicente. Marcel Durliat nennt es „das wichtigste Bauwerk des ‚Premier art roman méridional’ in Katalonien“ (S. 542). Ihr Bauzeit wird auf 1020-40 datiert (23. Oktober 1040 geweiht). Als erstes fällt in dieser Kirche ihre völlige Schmucklosigkeit auf. Alle Wandflächen sind steinsichtig. Das ist das Ergebnis einer erst in jüngster Zeit vorgenommenen gründlichen Restaurierung.
Die Seitenschiffe sind extrem schmal und hoch. Das 18,80 Meter hohe Mittelschiff der Basilika wird von einem Tonnengewölbe auf Gurten bedeckt. Ihm verdankt die Kirche ihre hohe kunsthistorische Bedeutung. Das Langhaus kreuzt sich mit dem kaum vorspringenden Querschiff in einer „ausgeschiedenen Vierung“ (s. Artikel Vorromanik). Die deutlich größere mittlere der drei Apsiden besitzt einen Vorchor mit innerer Nischengliederung. Der Außenbau zeigt nur eine einfache Lisenengliederung.
[Bearbeiten] Die Bedeutung der Kirche für die Entwicklung des Gewölbebaus
In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts verbreitete sich der Wölbungsbau in weiten Teilen Europas. In Burgund und hier Nordspanien scheinen die Anfänge zu liegen. In der Vorkirche von St. Philibert in Tournus existiert die früheste in Burgund noch stehende in allen Teilen gewölbte Anlage. Zuvor – vor der Jahrtausendwende – gab es Gewölbe nur in kleineren Anlagen. Jetzt erst – zu Beginn des 11. Jahrhunderts - wagte man es, alle Teile auch einer größeren Kirche zu wölben.
Hier in Cardona lassen sich die Voraussetzungen studieren, die zur Entwicklung größerer Gewölbe notwendig waren. Zunächst mussten die Fensteröffnungen und die Glieder des Stützsystems in ihren Achsen aufeinander abgestimmt sein. Nur so ließen sich Mauerdurchbrechungen vornehmen, die sowohl ausreichende Belichtung ermöglichten als auch die Konstruktion von Stützelementen für das neue durchgehende Steingewölbe (Gurte).
Das hatte zur Folge, dass der Raum zunehmend von tragenden Architekturgliedern in gleichem Abstand rhythmisiert wurde. Die Dienste und die Vorlagen wurden in neuartiger Weise auf die Wände gelegt („straffe Vertikalbahnen“, Adam, S. 76). Es beginnt eine Entwicklung, die dazu führt, dass der Pfeiler nicht mehr ein Teil der Wand ist, sondern isoliert wird, was sich in der Gotik zum grundlegenden Konstruktionsprinzip steigern wird. Die Pfeiler zwischen Mittel- und Seitenschiff hier in Cardona demonstrieren den ersten klaren Schritt in diese Richtung. Sie setzen sich zusammen aus einem Kern (Mauerrest) und gestuften Vorlagen auf allen vier Seiten, die sowohl zum Gewölbe von Mittel- und Seitenschiff hochgehen, als auch als Unterzüge zum benachbarten Pfeiler. Sie wirken mit einem Durchmesser von 2,5 Metern noch sehr massiv.
Ungewöhnlich und bezeichnend für das experimentelle Frühstadium dieser Kirche ist das Verhältnis der Gewölbejoche der Schiffe zueinander. Drei Gewölbejoche in den Seitenschiffen kommen auf nur ein Mittelschiffjoch. „Äußerste Gegensätze, Gedrungenheit und schlankes Aufsteigen sind hier vereint, die romanische Baukunst hat ihre gültige Form gefunden“ (Adam, S. 76).
Zum Abfangen des Gewölbedrucks wurden außen Verstärkungen in Form von Nischengliederungen angefügt. Die Kuppel der ausgeschiedenen Vierung ruht auf vier Trompen, die noch niedrig und ungeschickt von wenigen engen Öffnungen durchbrochen sind.
Die Bautätigkeit stockte, wie deutlich an einigen Steinlagen oberhalb der Scheidarkade zu erkennen ist. Man datiert diese Bauunterbrechung auf das Jahr 1040, als der Stifter starb (Durliat, S. 543).
Die Blendnischen im Inneren sind römischen Ursprungs, also durch Italien vermittelt (Toman, S. 184).
[Bearbeiten] Literatur
- Adam, Ernst: Vorromanik und Romanik. Frankfurt 1968, S. 77
- Allemann, Fritz René / Xenia v. Bahder: Katalonien und Andorra. Köln [1980] 4. Auflage 1986. (DuMont Kunst-Reiseführer), S. 227, Abb. 90-92
- Durliat, Marcel: Romanische Kunst. Freiburg-Basel-Wien 1983, S. 542
- Oursel, Raymond / Stierlin, Henri (Hrsg.): Romanik (= Architektur der Welt, Bd. 15), S. 164-168
- Toman, Rolf (Hrsg.): Die Kunst der Romanik. Architektur - Skulptur - Malerei. Köln 1996, S. 184