Der Stechlin
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Stechlin ist ein Roman von Theodor Fontane. Er entstand in den Jahren 1895 - 1897 und wurde erstmals 1897 in der Zeitschrift Über Land und Meer publiziert. Die Buchausgabe erschien 1899.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Handlung
Die Handlung rankt sich um das uralte märkische Adelsgeschlecht derer von Stechlin, die am gleichnamigen Stechlinsee im Ruppiner Land ihren Sitz haben. Der Autor selbst sagte ironisch, in dem Roman geschehe nicht viel: Zum Schluss stirbt ein Alter und zwei Junge heiraten sich. Tatsächlich liegt das Gewicht des Romans nicht auf der Handlung, sondern auf den vielfältigen Dialogen, welche die gesellschaftliche Wirklichkeit zur Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert offenbaren. Charakteristisch ist hierbei, wie bei allen Werken Fontanes, dass er die Schwächen seiner Zeit erkennt und in seiner literarischen Darstellung auch nicht verleugnet, dabei aber dennoch zu einer tiefen Sympathie für das, was den Märkischen Adel ausmachen sollte, geprägt ist. Dies wird beispielhaft deutlich an der Charakterzeichnung des alten Dubslav von Stechlin, dessen Sterben zugleich den Abschied von einer alten Welt symbolisiert.
Dubslavs Sohn Woldemar ist zwischen den Schwestern Melusine und Armgard hin- und hergerissen und ehelicht schließlich die introvertierte, bescheidene Armgard, deren Lebensmaxime „Andern leben und der Armut das Brot geben“ noch zur patriarchalischen Welt des alten Dubslav gehört. Hilfe ist kein Recht, sondern „Gnade“. Gleichwohl gehört das Schlusswort der weltläufigen Melusine, die eine neue Zeit verkündet und dennoch hofft, dass das Sterbende darin seinen Platz noch finden werde.
Für das Neue in dem Roman steht die Sozialdemokratie, deren historisches und politisches Recht im Roman anerkannt wird, deren Schwächen aber gleichfalls zur Sprache kommen. Der Pastor Lorenzen äußert folgende Worte, die vielleicht den Hauptinhalt des Romans zum Ausdruck bringen: „Nicht so ganz unbedingt mit dem Neuen. Lieber mit dem Alten, soweit es geht, und mit dem neuen nur, soweit es muß.“ Obwohl man sich hüten muss, die Äußerung einer Figur einfach für die Meinung des Autors zu nehmen, kann man in diesem Fall davon ausgehen, dass der Satz Fontanes Ansicht widerspiegelt.
Für das Alte stehen vielfältige Anspielungen auf die scheinbar lang vergangene, doch heimlich immer noch präsente heidnisch-elbslawische Geschichte der Mark: Stechlins formell lutherische Halbschwester Adelheid, deren Mutter eine geborene Radegast war - deren Stiftsgenossin 'Fräulein von Triglaff aus dem Hause Triglaff' - der Edle Herr von Altenfriesack und seinem Götzengesicht - die gelbe (Ketzer-)Farbe des Herrenhauses - die Mistel statt des Weihnachtsbaums - des Barons subversive Sammlung von Hähnen (Auferstehungs-Symbolen), die von Kirchtürmen abmontiert wurden - sein Umgang mit der 'Kräuterhexe' und die feundliche Aufnahme ihrer Enkelin - seine nicht gänzlich unerwiderte Neigung zu Melusine(mit dem Namen einer Nixe) - vor allem aber auch mit den Stechlinsee (unsere pièce de résistance), der von fernen Katastrophen kündet, den Tod des Barons zu betrauern und die Nachricht hiervon an den fernen Vesuv weiterzuleiten scheint - und mit dem alten Baron selbst, Dubslav mit einem wotanartigen schwarzen Filzhut und einem schweren Eichenstock, der wie der Priester eines Naturheiligtums in seiner Wald- und Seen-Einsamkeit haust, gegenüber dem Christentum eine teils ironisch-skeptische, teils aber auch unbehagliche Distanz wahrt, und mit dem Pastor einen Umgang pflegt, der an ein gleichsam kollegiales Verhältnis eines heidnischen zu einem christlichen Eremiten erinnert, von denen jeder seine Position zwischen dem Alten und dem Neuen definieren und finden muss.
-
- "Ja, Lorenzen, Sie lachen", warf Dubslav hier ein. "Aber bei Lichte besehen hat Woldemar doch recht, was, (und Sie wissen auch warum,) eigentlich nicht oft vorkommt. Es ist genau so, wie er sagt. Natürlich bleibt uns Eva und die Schlange; das ist uralte Erbschaft. Aber so viel noch von guter alter Zeit in dieser Welt zu finden ist, so viel findet sich hier, hier in unsrer lieben alten Grafschaft. Und in dies Bild richtiger Gliederung, oder meinetwegen auch richtiger Unterordnung (denn ich erschrecke vor solchem Worte nicht), in dieses Bild des Friedens paßt mir diese ganze Globsower Retortenbläserei nicht hinein. Und wenn ich nicht fürchten müßte, für einen Querkopf gehalten zu werden, so hätt' ich bei hoher Behörde schon lange meine Vorschläge wegen dieser Retorten und Ballons eingereicht. Und natürlich gegen beide. Warum müssen es immer Ballons sein? Und wenn schon, na, dann lieber solche wie diese. Die lass' ich mir gefallen." Und dabei hob er die Bocksbeutelflasche.
-
- "Wie diese", bestätigte Czako.
-
- "Ja, Czako, Sie sind ganz der Mann, meinen Papa in seiner Idiosynkrasie zu bestärken."
-
- "Idiosynkrasie", wiederholte der Alte. "Wenn ich so was höre. Ja, Woldemar, da glaubst du nun wieder wunder was Feines gesagt zu haben. Aber es ist doch nur ein Wort. Und was bloß ein Wort ist, ist nie was Feines, auch wenn es so aussieht. Dunkle Gefühle, die sind fein. Und so gewiß die Vorstellung, die ich mit dieser lieben Flasche hier verbinde, für mich persönlich was Celestes hat... kann man Celestes sagen...?" Lorenzen nickte zustimmend, "so gewiß hat die Vorstellung, die sich für mich an diese Globsower Riesenbocksbeutelflaschen knüpft, etwas Infernalisches."
-
- "Aber Papa."
-
- "Still, unterbrich micht nicht, Woldemar. Denn ich komme jetzt eben an eine Berechnung, und bei Berechnungen darf man nicht gestört werden. Über hundert Jahre besteht nun schon diese Glashütte. Und wenn ich nun so das jedesmalige Jahresprodukt mit hundert multipliziere, so rechne ich mir alles in allem wenigstens eine Million heraus. Die schicken sie zunächst in andre Fabriken, und da destillieren sie flott drauflos, und zwar allerhand schreckliches Zeug in diese grünen Ballons hinein: Salzsäure, Schwefelsäure, rauchende Salpetersäure. Das ist die schlimmste, die hat immer einen rotgelben Rauch, der einem gleich die Lunge auffrißt. Aber wenn einen der Rauch auch zufrieden läßt, jeder Tropfen brennt ein Loch, in Leinwand oder in Tuche, oder in Leder, überhaupt in alles; alles wird angebrannt und angeätzt. Das ist das Zeichen unsrer Zeit jetzt, 'angebrannt und angeätzt'. Und wenn ich dann bedenke, daß meine Globsower da mittun und ganz gemütlich die Werkzeuge liefern für die große Generalweltanbrennung, ja, hören Sie, meine Herren, das gibt mir einen Stich. Und ich muß Ihnen sagen, ich wollte, jeder kriegte lieber einen halben Morgen Land von Staats wegen und kaufte sich zu Ostern ein Ferkelchen, und zu Martini schlachten sie ein Schwein und hätten den Winter über zwei Speckseiten, jeden Sonntag eine ordentliche Scheibe, und alltags Kartoffeln und Grieben."
-
- "Aber Herr von Stechlin", lachte Lorenzen, "das ist ja die reine Neulandtheorie. Das wollen ja die Sozialdemokraten auch."
-
- "Ach was, Lorenzen, mit Ihnen ist nicht zu reden...Übrigens Prosit...wenn Sie's auch eigentlich nicht verdienen."
[Bearbeiten] Literatur
- Erste Buchausgabe: Theodor Fontane. Der Stechlin. Roman. Berlin: F. Fontane & Co. 1899, 517 S.
- Humbert Settler: Fontanes Hintergründigkeiten. Baltica Verlag, Flensburg 2006. ISBN 3-934097-26-X. Darin: "Der Stechlin" - Gesellschaftsbild, Märchenmotiv, Sprachohnmacht (S. 179 ff.)
[Bearbeiten] Verfilmung
Unter dem gleichen Titel (Der Stechlin) wurde das Werk 1975 vom NDR als Dreiteiler (Gesamtlänge: 285 Minuten) produziert. Das Drehbuch wurde von Dieter Meichsner geschrieben. Unter der Regie von Rolf Hädrich spielten:
- Arno Assmann als Dubslav von Stechlin
- Lotte Brackebusch als Adelheid
- Karl Lange als Graf Barby
- Franziska Bronnen als Melusine
- Diana Körner als Armgard
- Georg-Martin Bode als Woldemar von Stechlin
- Willi Rose als Engelke
- Volkert Kraeft als Czako
- Ulrich von Dobschütz als Rex
- Peter Höfer als Pastor Lorenzen
[Bearbeiten] Weblinks
Wikisource: Der Stechlin – Quellentexte |
- Der Stechlin als Online-Text im Projekt Gutenberg-DE
- Der Stechlin in der Internet Movie Database
- Inhaltsangabe und Literaturliste bei Mission: Fontane