Der junge Lord
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Der junge Lord ist eine komische Oper in zwei Akten von Hans Werner Henze nach einem Libretto von Ingeborg Bachmann. Der Stoff geht auf eine Parabel von Wilhelm Hauff aus dessen Sammlung Der Scheik von Alexandria und seine Sklaven zurück. Uraufführung war am 7. April 1965 in der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Christoph von Dohnányi und einer Inszenierung von Gustav Rudolf Sellner.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Zur Oper
Der junge Lord besitz alle Merkmale einer komischen Oper, typisch schon insofern, als die Gesellschaft als solche thematisiert wird und dementsprechend Gesellschaftsszenen überwiegen. Auch die einzelnen Bild- und Handlungsmotive entsprechen guter Buffa-Tradition, z.B. das verkleidete Tier, die typisierten Personen, die große Ball-Szene, etliche Exotica, ein junges Liebespaar. Auch die Formen der einzelnen Nummern entstammen dem Repertoire der komischen Oper, nämlich Ariosi und Arien, Lieder, viele Esembles, Kinderchor und Garnisonskapelle, Tanzkapelle und Bühnenmusiken in jedem der sechs Bilder.
[Bearbeiten] Die Handlung
[Bearbeiten] 1.Akt
1.Bild:
In Hülsdorf-Gotha, einer kleinen deutschen Stadt um die Jahrhundertwende, wird von den Stadtvätern und den neugierigen Bewohnern ein reicher englischer Gelehrter erwartet. Wenn Sir Edgar endlich mit großer Verspätung eintrifft, werden die Erwartungen aller bei weitem übertroffen. das sonderbare Gepäck, die Dienerschaft, darunter die Mohren Begonia und Jeremy - dies alles verblüfft die Leute. Der gutgemeinte Empfang wird zu einer hilflosen Farce. Aber Luise, das reichste Mädchen der Stadt, und Wilhelm, ein Student, finden in der allgemeinen Verwirrung die erste Gelegenheit, miteinander zu sprechen.
2.Bild:
Im Salon der Baronin Grünwiesel. Die tonangebende Dame der Stadt hat ihre Freundinnen um sich versammelt und erwartet mit Bestimmtheit Sir Edgar, obwohl sie weiss, dass er noch jede Einladung abgelehnt hat. Sie hat auch kaum verhohlene Pläne mit Luise, den alten Engländer betreffend. Luise ist verzweifelt darüber. Doch der Mohr Jeremy überbringt einen Brief von Sir Edgar mit einer höflichen Absage. Flora von Grünwiesel fühlt sich brüskiert, und in ihrer Wut wünscht sie nur eins: dem Fremden das Leben in der Stadtunmöglich zu machen. Die Verdächtigungen und die Gerüchte, die sie in Umlauf setzt, werden das ihrige tun.
3.Bild:
Auf dem Hauptplatz von Hühlsdorf-Gotha. Ein kleiner Wanderzirkus ist angekommen. Sir Edgar verlässt zum ersten Mal sein Haus, sieht sich die Zirkusvorstellung an und lässt den Artisten Geld zukommen. Die Stadtväter und viele andere, die diese Szene beobachten, fühlen sich mehr denn je verletzt. Da sie Sir Edgar selber nichts anhaben können, versuchen die Stadtväter, die Zirkusleute aus der Stadt zu jagen. Sir Edgar, den man warnt vor dem Gesindel, lässt sich aber nicht beirren, sondern lädt den Direktor, die Tänzerin, den Kettenreißer und den Menschenaffen in sein Haus ein.
[Bearbeiten] 2.Akt
4.Bild:
Eine deutsche Winternacht. Vor dem Haus Sir Edgars. Kinder, die mittlerweile von den Eltern gegen die Fremden aufgehetzt wurden, quälen den Mohren Jeremy, der sich gerade noch ins Haus retten kann. Der Lichtputzer, der die Runde macht, hört fürchterliche Schreie aus dem Haus des Engländers. Schreckliches scheint sich darin zu begeben. Er läuft weg, um Hilfe zu holen. Wilhelm und Luisetreffen sich heimlich und gestehen sich ihre Liebe. Der Bürgermeister kommt mit anderen Herren herbeigeeilt, und wieder hört man die Schreie. Der Bürgermeister verlangt Einlass in das Gespensterhaus. Es wird sogleich geöffnet. Der Sekretär kann die aufgeregten Bürger beruhigen. Es seien keine Schreie gewesen, nur ein Jammern. Der junge Lord Barrat, Neffe von Sir Edgar, sei vor kurzem eingetroffen, um seine Erziehung in Deutschland zu vervollkommnen. Er bekomme deutsche Lektionen, die ihm schwerfallen. Bald aber werde es möglich sein, den jungen Lord vorzustellen. Die Aussicht auf eine baldige Einladung zu Sir Edgar und einige Schmeicheleien genügen, um bei allen Herren einen günstigen Stimmungswechsel zu bewirken.
5.Bild:
Empfang im Haus von Sir Edgar. Die Spitzen der Gesellschaft von Hülsdorf-Gothafinden sich ein, auch die Baronin Grünwiesel, versöhnt durch die Einlandung. Das Erscheinen Lord Barrats ruft eine wahre Begeisterung hervor. Die Damen sind hingerissen von dem eleganten, exzentrischen jungen Engländer, neben dem die Herren von Hülsdorf-Gotha als Provinzler erscheinen. Die Baronin zieht Lord Barrat sofort in ihren Kreis und macht ihn mit Luise bekannt. Wilhelm, der bemerk, wie verstört Luise ist und dass Barrat Eindruck auf sie gemacht hat, findet den jungen Lord flegelhaft. Die anderen jungen Herren hingegen versuchen ungeschickt, Barrat nachzuahmen, seine eigenartigen Manieren zu übernehmen. Barrat wird mit Einladungen und Komplimenten überhäuft. Sir Edgar und der Sekretär versuchen, Wilhelm in ein naturwissenschaftliches Gespräch zu ziehen, ihm die Gesteinssammlung zu zeigen. Wilhelm ist erfreut, endlich mit jemandem sprechen zu können über Dinge, die ihn wirklich interessieren. Aber das Benehmen Lord Barrats Luise gegenüber lässt ihn die Beherrschung verlieren. Er beleidigt den jungen Engländer. Luise fällt in Ohnmacht. Alle sind gegen Wilhelm aufgebracht, der, verzweifelt über sich und die anderen, geht. Er ahnt, dass er Luise verloren hat.
6.Bild:
Großer Ballsaal im Kasino der Residenz. Luise ist allein. Sie wartet auf Lord Barrat. Sie ist nicht mehr das naive verliebte Mädchen von früher, sondern verändert durch eine Leidenschaft, die ihr selbst nicht begreiflich ist. Barrat findet Luise, überbringt ihr eine Rose und reißt mit einem Dorn ihre Hand blutig. Das Fest beginnt, und es ist nicht länger ein Geheimnis, dass es mit der Verlobung enden wird. Bald geben die jungen Leute, die Lord Barrat schon übertrieben nachahmen, ihren Walzer auf und beginnen, wild zu tanzen. Unübertroffen bleibt trotzdem Lord Barrat als Tänzer. Er holt Luise zum Tanz. Alle weichen zurück. Sein Tanz mit ihr wird immer verrückter, wird zu einer Frenesie (wahnsinnige Raserei). Luise kann nicht mehr mit. Barrat tanzt allein weiter. Im Saal kommt Entsetzen auf. Barrat stürzt die Tische um, reißt die Dekoration herunter, wirft die Leuchter um. Es bricht Panik aus. Auf dem Höhepunkt der Frenesie erscheint Sir Edgar und bringt den Anwesenden die Aufklärung, wer Lord Barrat eigentlich ist.