Enjambement
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Enjambement (v. frz.: enjamber überschreiten, überspringen) oder auch Zeilensprung ist ein lyrisches Stilmittel, das das Übergreifen des Satzes auf die nächste Verszeile bezeichnet (Zeilensprung bzw. Versabbrechung). Mit dem Satz wird auch der Sinnzusammenhang über die Versgrenze weitergeführt, die Monotonie des Versmaßes, der sonst im Zeilenstil Satz und Vers vereint, wird durchbrochen. Der Tonfall wird durch die Verbindung der Zeilen über die Grenze des Verses hinweg runder, gleitender und flüssiger. Ein das Syntagma durchbrechende Enjambement nennt man ein hartes Enjambement. Wird der syntagmatische Zusammenhang nicht aufgesplittet, liegt ein schwaches Enjambement vor. Ein Enjambement, das Wörter zertrennt, heißt morphologisch. Das Fortführen eines Satzes über die Strophengrenze hinweg wird als Strophenenjambement bzw. Strophensprung bezeichnet.
Beispiel: Andreas Gryphius, Tränen in schwerer Krankheit (1640)
- Mir ist, ich weiß nicht wie, ich seufze für und für.
Ich weine Tag und Nacht; ich sitz' in tausend Schmerzen;
Und tausend fürcht' ich noch; die Kraft in meinem Herzen
Verschwindt, der Geist verschmacht', die Hände sinken mir.
Die Wangen werden bleich, der muntern Augen Zier
Vergeht gleich als der Schein der schon verbrannten Kerzen.
Die Seele wird bestürmt, gleich wie die See im Märtzen.
Was ist dies Leben doch, was sind wir, ich und ihr?
Was bilden wir uns ein, was wünschen wir zu haben?
Itzt sind wir hoch und groß, und morgen schon vergraben;
Itzt Blumen, morgen Kot. Wir sind ein Wind, ein Schaum,
Ein Nebel und ein Bach, ein Reif, ein Tau, ein Schatten;
Itzt was und morgen nichts. Und was sind unsre Taten
Als ein mit herber Angst durchmischter Traum.
Enjambements in den Versen 3/4, 5/6 und 13/14, ein Strophenenjambement vom ersten auf den zweiten Dreizeiler.
Als Hakenstil bezeichnet man eine Folge von Enjambements, sodass die Verse durch die übergreifenden Satzbögen gleichsam verhakt erscheinen.