Fahrradhelm
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Ein Fahrradhelm (schweizerisch auch Velohelm) ist ein Sporthelm für Radfahrer, der bei einem Unfall die auf den Schädel des Radfahrers einwirkenden Kräfte verringert, um so Verletzungen zu verhindern oder abzumildern.
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[Bearbeiten] Geschichte

Schon lange vor Aufkommen der Fahrradhelme war bei Rennfahrern ein Sturzkappe oder Sturzring genannter Kopfschutz gebräuchlich.
Dieser ähnelte äußerlich den modernen Helmen. Die am Kopf von vorn nach hinten verlaufenden, aus Leder gefertigten, gefüllten Schläuche lagen direkt auf dem Kopf auf. Die flexible Konstruktion war, entgegen dem heutigen Helm, oft auf kleineres Format knick- oder faltbar.
Durch das direkte Aufliegen auf dem Kopf kann bei Sturzkappen anders als bei modernen Helmen keine Wärmeabfuhr durch den Fahrtwind erfolgen, was das Tragen besonders an heißen Tagen sehr unbequem macht. Durch die flexible Bauweise ist auch die Schutzwirkung weit schlechter als bei modernen Helmen. Sturzkappen werden daher nicht mehr verwendet.
Vereinzelt wurden bei Rennen auch Hartschalenhelme eingesetzt, die den alten Halbschalenhelmen der Motorradfahrer entsprachen.
[Bearbeiten] Aufbau
Man unterscheidet zwischen den
- Softshell-Helmen, die nur aus einer Schale aus Hartschaumstoff bestehen
- Hartschalen-Helmen, die um den Schaumstoff noch einen Überzug aus hartem Kunststoff haben und
- Microshell-Helmen, die einen dünnen Kunststoffüberzug haben.
Softshell-Helme entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik und sollten nach Expertenmeinung nicht mehr verwendet werden. Die weiche Oberfläche gleitet bei einem Aufprall nicht vom Untergrund ab, und Softshell-Helme können beim Sturz daher ein Schleudertrauma herbeiführen. Hardshell-Helme sind aufgrund des hohen Gewichts praktisch nur im Downhill-Bereich anzutreffen, häufig sind sie zudem mit einem Kinnbügel als Gesichtsschutz ausgestattet.
Hartschalenhelme verfügen über eine harte, glatte Oberfläche, die Schutz gegen mechanische Einwirkung bieten und das Abgleiten vom Untergrund erleichtern soll.
Der Schale des Helmes wird bei modernen Helmen mit einem an mehreren Punkten aufgehängten Kinnriemen und durch flexible Elemente des Helmfutters spielfrei am Kopf fixiert. Ein lockerer Sitz oder ein Verschieben des Helmes, die seine Schutzwirkung beeinträchtigen würden, wird so verhindert.
[Bearbeiten] Wirkungsweise
Beim Aufprall des Helmes erfüllt der Schaumstoff (oder Hartschaumstoff) des Helmes die Funktion einer Knautschzone und nimmt durch Kompression oder Bruch Energie auf. Auf diese Weise wird die auf das Gehirn ausgeübte lineare Beschleunigung vermindert und die Wahrscheinlichkeit eines Bruchs des Schädelknochens herabgesetzt.
Bei Hartschalenhelmen verteilt die Schale dabei die Kraft des Aufpralls auf eine größere Fläche, was die Wahrscheinlichkeit einer Fraktur des Schädelknochens ebenfalls verringert. Softshell-Helme sind heute kaum noch im Angebot, da sie das Abgleiten des Helmes auf der Straße nicht unterstützen, und daher wahrscheinlich das Risiko einer Hirnschädigung durch rotationale Beschleunigung erhöhen. Ein Hartschalenhelm erleichtert das Abgleiten des Helmes beim Aufschlag und wirkt so diesem Risiko entgegen.
Da die Fähigkeit zur Energieaufnahme begrenzt ist, gewährt der Fahrradhelm auch nur einen begrenzten Schutz, der bei niedrigen Kollisionsgeschwindigkeiten und flachen Aufprallwinkeln am größten ist.
Bedingt durch die Energieaufnahme trägt ein Fahrradhelm beim harten Aufprall bleibende Verformungen davon und sollte nicht weiterverwendet werden, weil er seine Schutzfunktion nicht mehr erfüllen kann.
[Bearbeiten] Schutzwirkung und Gefährdungen
Da es bis 2004 keine wissenschaftliche Untersuchung zur Wirksamkeit von Fahrradhelmen bei Radfahr-Unfällen gab, die allgemein anerkannt wird, muss die Auswirkung des Helmtragens auf die Volksgesundheit als unbekannt angesehen werden. Die bisher durchgeführten Studien kommen zu gegensätzlichen Ergebnissen und weisen teils deutliche methodische Mängel auf.
Die Kritik an der physikalischen Wirksamkeit von Helmen betrifft dabei vor allem die Frage, ob das Tragen eines Helmes bei schweren Unfällen das Risiko von durch hohe Rotationsbeschleunigungen des Kopfes herbeigeführten Gehirnschädigungen erhöht.
Auch viele Helmkritiker erkennen die physikalische Wirksamkeit eines modernen, korrekt sitzenden Helmes an. Die Schutzwirkung des Helmes wird ihrer Meinung nach jedoch durch die mit dem Helmtragen verbundene Gefährdungen wieder aufgehoben.
Zu diesen Gefährdungen gehören vor allem:
- Fehleinschätzung des Abstandes eines Helmes zu Hindernissen, z.B. wegüberspannenden Hinweisschildern
- Ein möglicherweise verändertes, riskanteres Fahrverhalten durch das vom Helm hervorgerufene Sicherheitsgefühl (Risikokompensation)
- Ein möglicherweise verändertes, riskanteres Fahrverhalten anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere geringere Abstände bei Überholvorgängen [1]
Diese negativen Auswirkungen sprechen nach Meinung von Helmkritikern deutlich gegen eine Einführung einer Helmpflicht. Besonders falscher Sitz des Helmes und das Tragen von ungeeigneten Helmen sei häufig bei Personen zu beachten, die sich nicht selbst zum Tragen eines Helmes entschlossen hätten, sondern durch Vorschriften oder Gesetze gezwungen den Helm nur unwillig tragen würden.
[Bearbeiten] Gesetzliche Vorschriften
In Deutschland und Österreich gibt es keine gesetzlichen Vorschriften zum Tragen von Radhelmen im Straßenverkehr.
In der Schweiz besteht derzeit keine Velohelmpflicht. Das Tragen eines Helms wird aber besonders durch die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) und die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) gefordert. Die Suva möchte eine Velohelmpflicht per Gesetz einführen, sobald die freiwillige Trägerquote 50 % erreicht, die BfU schon bei 40 %. 2006 lag die Quote in der Schweiz laut beiden Institutionen bei knapp über 34 %. Unabhängig davon hat die BfU im Sommer 2006 die Einführung einer Helmpflicht für Kinder bis 14 Jahre gefordert.
In Spanien besteht eine Helmpflicht außerhalb geschlossener Ortschaften und in Tschechien seit dem 1. Juli 2005 eine Helmpflicht für Radfahrer unter 18 Jahren, in Schweden seit demselben Zeitpunkt für Radfahrer unter 15 Jahren. In Schweden sind Radfahrer besonders dadurch gefährdet, daß die Autofahrer gewöhnlich mit Licht fahren und Autofahrer lichtschwächere und unbeleuchtete Fahrräder öfter übersehen.
Beispiele für Staaten mit Tragepflicht außerhalb Europas sind Australien, wo in einigen Gebieten ebenfalls eine Helmpflicht eingeführt wurde, sowie einige Staaten der USA. In Australien nahm seit der Helmpflicht die Zahl der Fahrradfahrer ab, die absolute Zahl schwer und tödlich verunglückter Radfahrer hingegen zu. Man vermutet, dass Autofahrer gar nicht mehr mit Radfahrern rechnen und sie darum gehäuft überfahren.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Walker, Ian. Drivers overtaking bicyclists: Objective data on the effects of riding position, helmet use, vehicle type and apparent gender. Accident Analysis and Prevention
[Bearbeiten] Literatur
- Andersson, Larsson and Sandberg, Chin strap forces in bicycle helmets, Swedish National Testing and Research Institute, SP Report, 1993
- Kippa, Kopftuch, Velohelm, FACTS Nr. 27/2005, Seite 26-28
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- ADFC: Auswirkungen einer Helmpflicht
- Neuseeländische Studie: Radhelme wirkungslos?
- Hardshell: Eine Artikelsammlung zu Radhelmen
- Helmkampagne in der Schweiz und die Antwort dazu
- Informationen zur Geschichte der Helmpflicht-Gesetzgebung und deren Auswirkungen (Englisch, Quelle Homepage Schottisches Parlament)
- The Vehicular Cyclist: Sehr ausführliche Website mit Forschungsergebnissen, Quellenangaben und Links (Englisch)
- Der Radhelm: Fragen, Mythen, Hypothesen und Fakten als Beitrag zur Meinungsbildung