Familienähnlichkeit
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Als Familienähnlichkeit (engl. family resemblance, cluster definition) bezeichnet Ludwig Wittgenstein (1889-1951) in seinen Philosophischen Untersuchungen (1953) Eigenschaften von Begriffen, die mit einer taxonomischen Klassifkation (Hierarchische Systematik) nicht hinreichend erfasst werden können, ohne dass sich "der Verstand Beulen holt" (I 119); denn Begriffe können verschwommene, unscharfe Grenzen haben. Die Familienähnlichkeit ist – logisch betrachtet – eine klassenbildende Äquivalenzrelation: reflexiv, symmetrisch und transitiv.
Als Beispiele nennt Wittgenstein den Begriff der Sprache, den des Spieles und den des Sprachspiels; es gebe keine allgemeinen Merkmale, die für alle Sprachen, Spiele und Sprachspiele gelten würden. Es gibt zwar einige Spiele mit gemeinsamen Merkmalen, die aber wieder mit anderen überhaupt keine Gemeinsamkeiten aufweisen: "Brettspiele, Kartenspiele, Ballspiele, Kampfspiele" usw. lassen sich nicht taxonomisch klassifizieren, weil sie über so genannte Familienähnlichkeiten miteinander verwandt sind (I 66 f.). Spiele bilden daher eine Familie.
Wittgenstein illustriert mit seinen Beispielen die Grenzen der hierarchischen Systematik (vgl. auch Universalienproblem) und zeigt mit seinem Ansatz der Familienähnlichkeiten gleichzeitig auch eine Alternative auf. Die Überlegungen Wittgensteins haben grundsätzliche Bedeutung für die Zurückweisung eines Exaktheitsideals.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Logik
- Ähnlichkeit
- Analogiedenken
- Lexikalische Ambiguität
- Prototypensemantik, Merkmalssemantik
- Affirmatives Reden
- Arbor porphyriana
- Netzwerk
- Kunstbegriff
- Gilles Deleuze und sein Begriff des Rhizoms
[Bearbeiten] Literatur
- Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen (3. Auflage). Frankfurt am Main 1982
- Rudolf Teuwsen: Familienähnlichkeit und Analogie. Zur Semantik genereller Termini bei Wittgenstein und Thomas von Aquin. 1988. ISBN 3495476415
- Gabriel, Gottfried: Familienähnlichkeit, in: Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, 2. Aufl. [2005], S.473 f. (m.w.N.)
[Bearbeiten] Weblinks
- http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/philo/geldsetzer/famaenl.htm -- L. Geldsetzer: Wittgensteins Familienähnlichkeitsbegriffe (April 1999)
- http://sammelpunkt.philo.at:8080/archive/00000423/ -- Wilhelm Krüger: Ähnlichkeiten und Analogien - Diachronische Bemerkungen zur Entstehung des Wittgensteinschen Begriffs der Familienähnlichkeit (Wittgenstein Studien; 1994; Volltext)
- http://www.focusing.org/wittgenstein_deutsch.html -- Eugene T. Gendlin: Was geschieht, wenn Wittgenstein fragt: "Was geschieht, wenn...?" (Übers. v. Heinke Deloch)