Kunstbegriff
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Im Kunstbegriff einer Kultur oder Epoche drückt sich aus, was an Artefakten oder Handlungsweisen allgemein der Welt der Kunst, zumeist der Bildenden Kunst, zugehörig gehalten wird. Da sich die Wahrnehmung der Welt je nach Kulturkreis unterscheidet und dazu in stetem Wandel begriffen ist, ändert sich auch der Kunstbegriff im Laufe der Geschichte ständig und passt sich neuen gesellschaftlichen, technischen und geistesgeschichtlichen Gegebenheiten an.
Neben einer nachträglichen Erforschung des Kunstbegriffs einer Epoche oder Kultur durch die Kunstgeschichte bzw. Kunstwissenschaft gibt es bereits seit der Antike eine jeweils zeitgenössische Kunstliteratur, die mit einer spezifischen Kunsttheorie den Kunstbegriff ihrer Zeit zu fassen versucht.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Aktueller Diskurs: Annährung an eine Kunstdefinition
Kunst könne man nicht definieren – so ein verbreiteter Kurzschluss. Oder treffender: Eine Bequemlichkeit, um sich denkerische Anstrengungen zu ersparen. Alles, auch Schwierigstes, lässt sich mit dem Medium Sprache erfassen und wiedergeben.
Kunst ist Gestaltung, ist immer künstlich. Natürliche Gebilde gelten nicht als Kunstwerke. Ausnahme: Ein zufälliges Objekt, natürlich oder gefertigt, wird mit geringfügigen Zusätzen versehen [Halterung, Rahmen u. ä.] und vom anerkannten Künstler als Kunstwerk präsentiert [Objet trouvé].
Form und Gestaltung machen eine Thematik zum Kunstwerk. Thema und Inhalt sind sekundär. Die Vermittlung des bloßen Inhalts ist noch kein Kunst-Ereignis, sondern Sache der Information, Wissenschaft, Reportage usw.
Die Kunst ist der Wirklichkeit / Wahrheit nicht verpflichtet [Nietzsche: „Der schöne Schein“].
Das Kunstwerk hat ideellen Wert, keinen Gebrauchswert. Eine Ausnahme macht die Architektur. Kunsthandwerk zählt nicht zu dieser Ausnahme. Kunsthandwerk soll wirken. Der Gebrauch ist hier zweitrangig. Industriedesign ist der Kunst verwandt, bildet jedoch eine eigene Kategorie.
Kunst befriedigt gleichermaßen schlichte Erwartungen wie hohe Ansprüche. Kunst, die elitär ist, verkümmert.
Der Künstler macht mit seinen Arbeiten / Hervorbringungen ein Angebot. Die Rezipienten (Betrachter, Käufer, Kritiker, Kunstwissenschaftler) einigen sich über Kunst oder Nichtkunst.
Jede Epoche hat ihre eigenen Erwartungen an die Kunst und ihre Definitionen (Stil - Epochen).
In der Postmoderne legt sich die Kunst auf keine verbindliche Aussage fest [„Postmoderne Beliebigkeit“].
Kunst ästhetisiert. Ihr Anliegen ist, Natürliches an Gestaltung zu übertreffen. Eine Kunst, die nicht ästhetisiert, erreicht nur einen Teil der Kunstsinnigen oder bleibt ephemer.
Das Kunstwerk bleibt ästhetisch wertbeständig, seine Akzeptanz zeitlos.
Die Ästhetik der Kunst versöhnt Antithesen und Aporien. Kunst ist in der Lage, Widersprüchliches glaubwürdig in seiner Simultanität wiederzugeben, vergleichbar der rhetorischen Figur des Oxymoron. Diese Ambiguität, „Zweideutigkeit als System“ (Thomas Mann) ist der Wesenszug aller großen Kunst. Plakative Aussagen in bildender Kunst oder Dichtung (Literatur) sind ohne Kunstreiz.
[Bearbeiten] Erweiterter Kunstbegriff
Die Avantgarde in der Moderne begann, den Kunstbegriff zu erweitern. Man wendete sich gegen ein als altmodisch empfundenes Kunstverständnis, das der Kunst die Aufgabe zuweist, "schöne", also vor allem handwerklich gelungene, oder effekthascherische, gefällige, illusionäre und leicht konsumierbare Produkte zum Zweck der Verzierung des Alltags zu erzeugen. Diese Kunstmittel waren ubiquitär geworden, waren verbraucht. Sie gaben dem Künstler keinen Spielraum für Neues, für Kreativität.
Neuerungen innerhalb der Malerei (wie etwa der Impressionismus) führten anfangs zu Skandalen und stießen auf heftige Ablehnung. Danach zeigte der Expressionismus noch radikalere Tendenzen, etwa Bilder als Collagen fertigen, aus Materialien des Alltags. Vor allem die nicht gegenständliche, abstrakte Kunst brach mit dem Herkömmlichen. Der Dadaist Hugo Kersten 1914: „Das oberste und letzte Kunstgesetz ist: jedes zu brechen!”. Doch der Innovationszwang in der Kunst galt schon immer. Epigone zu sein, ist die schlimmste Vorwurf für einen Künstler.
Zentral für das Verständnis eines erweiterten Kunstbegriffs im 20. Jahrhundert sind u.a. die Werke und Ideen des Künstlers Marcel Duchamp (Ready-mades). Der erweiterter Kunstbegriff zielt darauf ab, sich auf Feldern zu verwirklichen, die im allgemeinen Kunstverständnis der Kunst noch nicht oder nicht mehr zugerechnet werden. Der Begriff wurde vor allem durch Joseph Beuys' Verwendung und seiner Formulierung der sozialen Plastik populär. Dabei können reine Ideen ebenso zu Kunst werden (wie in der Konzeptkunst) wie technisch auch bewusst Unperfektes oder Kunsthandwerkliches, oder ganz gewöhnliche, bereits fertige Gegenstände und Materialien aus dem Alltag (vgl. Duchamp, Beuys). Entscheidend ist der Kontext, in dem diese Dinge vorgestellt / präsentiert werden. Die materiellen und ausstellbaren Werke werden zum "Werkzeug" (Bazon Brock), die eigentliche Kunst findet erst im Kopf des Betrachters statt.
Irrig ist die Tendenz, wissenschaftliche Kreativität, politisches Handeln oder soziologische Forschung als ein Feld der Kunst zu betrachten. Hier geht es zwar ebenfalls um Kreativität und Intuition, aber nicht um Kunst. Die (objekive) Wissenschaft ist das Gegenteil der (subjekiven) Kunst. Politik ist zweckgerichtet, die Kunst ist absichtslos. Propagiert die Kunst politische Ziele, verliert sie ihren Kunstcharakter. Kunst ästhetisiert die Antinomien des Lebens und söhnt sie aus - oder hilft, diese Widersprüche zu ertragen, sie als gegeben hinzunehmen. Kunst ist beständig. Politik ist Tagesgeschäft.
[Bearbeiten] Einzelnachweise
Friedrich Nietzsche: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. Leipzig (1872), S.2
[Bearbeiten] Siehe auch
- Eine Geschichte des europäischen Kunstbegriffs findet sich im Artikel Kunst.
- Eine ausführliche Behandlung widmet diesem Thema außerdem der Artikel Ästhetik.
- Eine Beschreibung des Kunstbegriffs asiatischer und afrikanischer Kulturen findet sich in den Artikeln asiatische und afrikanische Kunst.
außerdem:
- Portal:Kunst
- Kunstbetrieb - Kunstgeschichte - Kunstfreiheit - Kunsttheorie - Avantgarde - Wahrnehmung - Postmoderne - Formalismus - Hermeneutik
- Soziale Plastik
[Bearbeiten] Literatur
- L. Hieber, S. Moebius und K.-S. Rehberg (Hg.), Kunst im Kulturkampf, Bielefeld: transcript-Verlag 2005
- Roland Bluhm, Reinold Schmücker: Kunst und Kunstbegriff, Mentis-Verlag, 2002
- Arthur C. Danto: Kunst nach dem Ende der Kunst (Beyond the Brillo Box, deutsch). München 1996.
- Joseph Beuys, Matthias Bleyl (Herausgeber): Joseph Beuys. Der erweiterte Kunstbegriff, J. Häusser, Darmstadt 1996
- Clement Greenberg: Die Essenz der Moderne. Ausgewählte Essays und Kritiken. Dresden 1997.
- Stephen Davies, Definitions of Art, Cornell University Press, New York 1991
[Bearbeiten] Weblinks
- http://ddragon.interratec.de/wgkun01.php - Eine Kunsthistorikerin über den Kunstbegriff, und über die Frage, was Kunst ist
- http://demo.sfgb-b.ch/tg/daniel_the50ies/beuys.htm - Zu Beuys und seinem Kunstbegriff
- http://www.phil-hum-ren.uni-muenchen.de/php/Sprigath/Menetekel.htm#Stelle61 - Die Gefühlswirkung der Kunst - ein Menetekel für die Kunstgeschichtsschreibung
- Zweideutigkeit als System. Thomas Manns Kunstdefinition