Finnischer Tango
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Der Finnische Tango ist dem taktlastigen Tango Argentino der 30er Jahre ähnlich, allerdings steht die finnische Version häufiger in Moll statt in Dur und hat eine absteigende statt aufsteigender Melodie. Die Texte werden meistens in Finnisch, gelegentlich in Schwedisch, und auch in Fremdsprachen wie Deutsch oder Spanisch gesungen.
Neben Humppa und anderen Paartänzen ist Tango in Finnland bei vor 1960 Geborenen sehr weit verbreitet. Aber auch junge Leute beherrschen heute oft noch die Grundschritte des Tango. Der finnische Tango wird nicht als kunstvoller Tanz südamerikanischer Art getanzt. Die Tanzpaare bewegen sich meistens im Grundschritt. Der Tanz gilt nicht als Performance, sondern ist ein Element des Alltags. Er wird nach Lust und Laune praktiziert, wobei nicht Können, sondern Spass entscheidend sind.
Der finnische Regisseur Aki Kaurismäki benutzt sehr gerne finnische Tangos als Teil der Filmmusik zu seinen Filmen.
Wichtige Interpreten und Interpretinnen des finnischen Tango sind u.a.
- Olavi Virta
- Topi Sorsakoski
- Eino Grön
- Reijo Taipale
- Pasi Kaunisto
- M. A. Numminen
Die beiden einflussreichsten Komponisten waren Toivo Kärki (schrieb auch unter verschiedenen Pseudonymen) und Unto Mononen. Daneben gibt es zahlreiche wichtige Komponisten, u.a. Pentti Viherluoto, Walter Rae und Rauno Lehtinen. Zum festen Repertoire gehören auch internationale Tangos, die ins Finnische übertragen wurden und fast die Gestalt eigenständiger Versionen angenommen haben.
[Bearbeiten] Wie der Tango nach Finnland kam
Ende des 19. Jahrhunderts hatten europäische Einwanderer in Südamerika den Tango als Ausdruck ihres Heimwehs kreiert. Als er 1913 nach Finnland zurückkehrte (ganz Europa war in diesem Jahr vom Tangofieber gepackt), fühlten sich die Finnen durch den Tango in ihrem Leid unter der russischen Herrschaft verstanden. Der Tango drückte das aus, worüber zu sprechen unmöglich war.
Auch im Winterkrieg 1939/40 während des Überfalls der UdSSR auf das inzwischen unabhängige Finnland, bot die melancholische Kraft und dynamische Leidenschaft des Tango ein Ventil für die Bevölkerung, der durch die Regierung sogar verboten war zu tanzen. Vom Komponieren allerdings ließ sich das Volk nicht abhalten und schuf einen eigenen Musikstil voller Poesie, Trauer und Tiefe.
Toivo Kärkis "Siks´oon mä suruinen" (Deshalb bin ich traurig; dt. Version: So traurig und allein) leitete zur Zeit des zweiten Weltkrieges die erste Hochblüte des finnischen Tango ein. Toivo Kärki (1915-1992), ursprünglich Jazzmusiker, verband die Sentimentalität russischer Romanzen mit dem Rhythmus deutscher Marschmusik.
Nachdem in den 1960er-Jahren die zweite, kurze Blüte von Musikwissenschaftlern als Trotzreaktion der finnischen Landbevölkerung auf die angloamerikanische „Stahldrahtmusik“ abgetan wurde, hat sich der Tango auf Dauer sowohl in der Stadt als auch auf dem Land durchgesetzt. Hier begann in den 1980er-Jahren die dritte Blüte des finnischen Tangos, die bis heute anhält.
[Bearbeiten] Der finnische Tango heute
Tangomusik wird heute in Restaurants und Tanzlokalen, auf den Fährschiffen nach Schweden und Estland, vor allem aber im Sommer beim sogenannten „Lavatanssi“ (Tanz auf dem Bretterboden) an den Wochenenden gepflegt. Die zahlreichen Tanzbands spielen üblicherweise abwechselnd je zwei Stücke Tango, Humppa, Jenkka und Walzer, dazu eventuell Schlager, Latin und tanzbare Pop-/Rocktitel. Tango wird aber auch nach wie vor auf dem Akkordeon gespielt. Bei festlichen Gelegenheiten, Dorffesten aber auch in Fussgängerzonen ist der Tango anzutreffen.
Im Sommer findet seit 1985 jeweils im Juli im Örtchen Seinäjoki eine Woche lang der sogenannte Tangomarkt statt. Zu diesem Anlass kommen Zigtausende Besucher aus aller Welt nach Seinäjoki. Dieses grosse, mehrtägige Festival hat sich inzwischen zu einem Schlagerwettbewerb entwickelt. Dennoch werden jedes Jahr eine Tangokönigin und ein Tangokönig gekührt. Dies ist häufig der Auftakt zu einer Karriere als Tango- und Schlagerinterpret. Gelegentlich sind auch Tangoprinzessinnen und -prinzen erfolgreich geworden.
Harri Kaitila, der finnische Tangotenor, überträgt seit 1999 finnische Tangos ins Deutsche. Zuvor hatte bereits M.A. Numminen ausgewählte Tangos, mit ironischem Unterton, in deutscher Sprache interpretiert.
[Bearbeiten] Weblinks
- Die finnische Seele freut sich in Moll, ein Artikel über den finnischen Tango, seine Entstehung und Harri Kaitilas Übertragung der Tangolyrik ins Deutsche
- Betörende Wehmut des finnischen Tangos, deutschsprachiger Artikel des offiziellen Finnlandmagazins „Willkommen in Finnland“ für Ausländer über den finnischen Tango