Winterkrieg
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Der Winterkrieg (finn. Talvisota, schwed. Vinterkriget, russ. Зимняя война) war ein zwischen der Sowjetunion und Finnland ausgetragener Krieg, der vom 30. November 1939 bis zum 13. März 1940 andauerte.
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[Bearbeiten] Ursachen und Ausgangslage
Im sogenannten Hitler-Stalin-Pakt von 1939 wurden Finnland, Estland und Lettland, Litauen sowie der Ostteil Polens der sowjetischen Einflusszone zugerechnet. Im Herbst 1939 wurde Finnland aufgefordert, der Sowjetunion das Vorfeld von Leningrad (an der Karelischen Landenge) mit der neuen Befestigung, der Mannerheim-Linie, im Austausch gegen andere Gebiete Kareliens zu überlassen. Als Finnland ablehnte, griff die Rote Armee am 30. November 1939 das Land an, dessen Truppen jedoch zeitweise erfolgreichen Widerstand leisteten.
Der so genannte Mainila-Zwischenfall vom 26. November lieferte der Sowjetunion den Vorwand zum Angriff. Die sowjetische Seite behauptete, dass eine ihrer Grenzpatrouillen von finnischer Artillerie angegriffen worden sei. Die finnische Regierung unter Ministerpräsident Risto Ryti bestritt dies und war bereit, weitere Verhandlungen zu führen. Die Sowjetunion brach jedoch sämtliche diplomatische Kontakte ab und kündigte den Nichtangriffspakt von 1932 auf. Die geplante finnische Volksregierung sollte von Otto Kuusinen geführt werden.
Zu Kriegsbeginn war die finnische Armee zwar mobilisiert, aber äußerst schlecht ausgerüstet. Knapp 130.000 Mann – später wurden insgesamt 160.000 einberufen – mit veralteter Kriegstechnik, unzureichenden Munitionsvorräten und 40 Panzern standen einer sowjetischen Übermacht gegenüber. Die Rote Armee hatte für den Angriff 23 ausgerüstete Divisionen mit 525.000 Mann und über 2.000 Panzern aufgeboten. Hinzu kamen rund 800 Flugzeuge und die Baltische Flotte an der Südküste Finnlands.
[Bearbeiten] Kriegsverlauf
Der finnische Feldmarschall Carl Gustaf von Mannerheim war sich der Tatsache bewusst, dass die Rote Armee auf lange Sicht nicht gestoppt werden konnte. Seine Taktik war es, den Truppen der Roten Armee so lange wie möglich entgegenzutreten, um am Ende einen halbwegs akzeptablen Waffenstillstand zu erlangen.
Am 30. November begannen sowjetische Angriffe von Lappland bis Karelien. Die zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellte Mannerheim-Linie an der Karelischen Landenge stellte die wichtigste Verteidigungsanlage der Finnen dar. Zum Angriff auf die Linie standen die sowjetische 7. Armee unter General Kirill Afanasjewitsch Merezkow und die 13. Armee unter General Grendal bereit. Unter massivem Druck zogen sich die Finnen vorerst zurück. Lediglich einige Vorposten leisteten Widerstand. Beispielsweise wurden die ersten sowjetischen Angriffe in der Nähe von Petsamo von knapp 700 Finnen abgewehrt.
In Sachen Taktik waren die finnischen Soldaten den Rotarmisten weit überlegen. Die Finnen begannen einen Kleinkrieg gegen die ohne Winterausrüstung angetretenen sowjetischen Streitkräfte. Die mit leichten Waffen ausgerüsteten Ski-Kommandos griffen mit schnellen und präzisen Schlägen immer wieder Kolonnen und Nachschubverbände im Hinterland an. Dadurch erlitt die Rote Armee besonders in den ersten zwei Monaten große Verluste. Taktische Fehleinschätzungen führten dazu, dass Panzer zum Angriff vorstießen und nach massiven Beschuss wieder abzogen. Die sowjetische Infanterie, die dann ohne Panzerunterstützung vorrückte, wurde in zermürbenden Waldkämpfen aufgerieben. Die finnischen Soldaten traten dabei nie in großen Verbänden auf, sondern bedienten sich einer Einkesselungstaktik mit kleinen Einheiten (Motti-Taktik). Die von ihrem Nachschub abgeschnittenen Rotarmisten unterlagen zum Teil im Nahkampf oder fielen der Kälte zum Opfer. Die Finnen dominierten durch ihren Einfallsreichtum und ihre Beweglichkeit. Des weiteren wurde der nach dem sowjetischen Außenminister Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow benannte „Molotowcocktail“ eingesetzt, um die Besatzungen der gegnerischen Panzer mittels dieses Brandsatzes zum Ausstieg zu zwingen. Fatal für die sowjetischen Kräfte waren auch die schmalen Straßen, die eine Entfaltung kaum zuließen. Die Sowjettruppen mussten eingeengt in kilometerlangen Kolonnen vorrücken, die sich als verwundbar erwiesen.
Am 3. Dezember begann die sowjetische Blockade zur See. Die Gewässer zwischen Schweden und Finnland wurden durch ständige U-Boot-Patrouillen abgeriegelt.
Versuche, die Mannerheim-Linie zu umgehen oder direkt zu durchbrechen, schlugen die Finnen Ende Dezember zurück. Eine der größten Niederlagen erlitt die Rote Armee im Raum Suomussalmi. Am 25. Dezember erweiterten die Finnen ihre Truppenstärke in dem Gebiet durch fünf zusätzliche Bataillone. Der finnische Oberst Siilasuo rieb bis zum 8. Januar 1940 in zwei großen Schlachten die 163. Division und die 44. motorisierte Division bei Raate auf (siehe Schlacht von Suomussalmi). Dabei hinterließen die sowjetischen Streitkräfte eine erhebliche Menge an Kriegsmaterial, das den Finnen in die Hände fiel und die Versorgung der finnischen Truppen verbesserte.
Der Luftkrieg wurde von der sowjetischen Luftwaffe dominiert. Die Finnen hatten zu Beginn des Krieges weder gute Jagdflugzeuge noch wirkungsvolle Flugabwehr-Geschütze, wodurch die Hauptstadt Helsinki den Bombenangriffen ausgeliefert war. Der 800 Flugzeuge zählende sowjetische Luftverband bombardierte außerdem Hanko/Hangö, Wyborg/Viipuri sowie auch Dörfer und kleinere Ansiedlungen. Im Gegenzug griffen die wenigen finnischen Lufteinheiten – gerade einmal 150 Flugzeuge – sowjetische Stützpunkte und Städte wie Leningrad oder Kronstadt an. Als sich im Januar 1940 Unwetter in Nordeuropa ausbreiten, wurde dadurch die Luftflotte der Roten Armee erheblich gestört.
Trotz oder gerade wegen des schlechten Wetters fügten die Verteidiger der sowjetischen Seite erhebliche Verluste durch Fliegerbomben zu. Auch war die finnische Luftwaffe inzwischen durch zahlreiche Flugzeuge aus Frankreich, Südafrika, Italien und Großbritannien erheblich gestärkt. Die Rote Armee verwendete am 4. Februar bei einer Großoffensive auf die Mannerheim-Linie zum ersten Mal in ihrer Geschichte Fallschirmspringer bei einem Einsatz in der Nähe von Summa. Diese Versuche scheiterten jedoch, da die Soldaten bereits in der Luft unter Beschuss genommen wurden und dadurch große Verluste erlitten.
Am 7. Januar 1940 übernahm Marschall Semjon Konstantinowitsch Timoschenko den Oberbefehl über die sowjetische Nord/Nordwestfront. Er begann, nach einer schweren Niederlage an der Mannerheim-Linie systematisch seine Truppen umzubauen und frische Kräfte, vor allem Artillerie, heranzuführen, um die Februaroffensive vorzubereiten.
Am 1. Februar 1940 begann eine Großoffensive der 7. und 13. sowjetischen Armee auf die Mannerheim-Linie, die sechs finnische Divisionen in einer zweitägigen Abwehrschlacht erfolgreich verteidigten. Eine Einschließung des Ladogasees verhinderten die Finnen ebenfalls. Eine am 11. Februar gestartete sowjetische Offensive mit 14 Divisionen in Karelien zwang die Verteidiger zum Rückzug nach Wyborg. Eine erneute Offensive der 7. Armee am 3. März gegen die Stadt brachte die Finnen weiter unter Druck. Der neue russische Befehlshaber hatte beträchtlich Artilleriekräfte aufgeboten, die mit 300.000 Granaten pro Tag die Verteidigungslinien zusammenschossen. Ebenfalls am Angriff beteiligt waren massiv eingesetzte Kampfpanzer vom Typ KW-1. Bis zum 7. März erhöhten sich die Verluste der Verteidiger auf bis zu 24.000 Tote, worauf Feldmarschall Mannerheim von der finnischen Regierung Waffenstillstandsverhandlungen mit Moskau verlangte. Am 12. März endete der Krieg, nachdem finnische Gesandte am 8. März entsprechende Verhandlungen eingeleitet hatten.
[Bearbeiten] Unterstützung durch das Ausland
Der Westen griff nicht mit Kampfhandlungen in den Konflikt ein, dennoch wurde Finnland durch zahlreiche Waffenlieferungen, insbesondere Flugzeuge, unterstützt. Allein Großbritannien lieferte neben 33 Doppeldeckern vom Typ Gloster Gladiator 12 Hawker Hurricane-Jäger, 17 Schlachtflugzeuge und 24 Bombenflugzeuge Bristol Blenheim. Schweden und Südafrika lieferten ebenfalls je 12 bzw. 25 Gloster Gladiator-Kampfflugzeuge, Italien 17 Jagdflugzeuge vom Typ Fiat G.50. Abgesehen davon bestanden die Hilfslieferungen allerdings nahezu ausnahmslos aus ausgemustertem Kriegsgerät, das teilweise schon zu Beginn des Ersten Weltkriegs veraltet war.
Sowohl Frankreich als auch Großbritannien boten die Entsendung von Hilfstruppen an, auch um die Kontrolle über die schwedischen Erzminen zu erlangen. Churchill schrieb später in seinen Memoiren: „Die Gelegenheit wollten wir dann benutzen, um uns die Erzgruben von Gällivare zu sichern.“ Schweden verweigerte den Westalliierten aber aus Furcht vor einem deutschen Angriff den Durchmarsch. Möglicherweise führten die Hilfsangebote aber dazu, dass Stalin auf eine vollständige Besetzung Finnlands verzichtete, um nicht in einen bewaffneten Konflikt mit den Westalliierten gezogen zu werden.
Das Deutsche Reich war durch den sogenannten Hitler-Stalin-Pakt gebunden und unterstützte die Finnen deshalb nicht. Hilfe von anderen Staaten, die durch Deutschland lief, wie beispielsweise von Italien oder Ungarn, wurde jedoch toleriert.
Neben Flugzeugen wurden auch Freiwillige, insbesondere Flugpersonal, ins Land gebracht.
[Bearbeiten] Folgen
Der Winterkrieg kostete 27.000 Finnen das Leben. [1]
Die Rote Armee verlor etwa 127.000 Soldaten [2], ca. 20 % davon durch Erfrieren und mangelnde Versorgung. Im Waffenstillstandvertrag musste Finnland Teile Kareliens mit den Städten Wyborg, Käkisalmi, Enso und Sortavala sowie die Fischerhalbinsel am Nordmeer abtreten. Finnland verlor dazu noch seine langjährigen Verteidigungslinien. Die südwestliche Halbinsel Hanko/Hangö wurde an die Sowjetunion verpachtet.
Bei der Grenzziehung im Zuge des Waffenstillstandes wurde den Finnen seitens der UdSSR ein neuer Grenzverlauf aufgezwungen, welcher deutlich hinter dem damaligen Frontverlauf lag. Zusätzlich erhielt die Sowjetunion Industriegebiete in unmittelbarer Nähe zur neuen Grenze (zum Beispiel Enso). Die Sowjetunion erreichte dadurch das wichtige Kriegsziel, die Grenze vor Leningrad vorzuverlegen, jedoch hatte man anfangs von diesem Feldzug deutlich mehr (namentlich die Eroberung Finnlands) erwartet.
Insgesamt wurden durch diesen Waffenstillstand in etwa 400.000 Finnen praktisch über Nacht aus ihrer Heimat vertrieben. Heute leben die Vertriebenen und ihre Nachfahren in aller Welt (viele wanderten nach ihrer Vertreibung aus Finnland aus).
Im Deutschen Reich (und auch im übrigen Westen) entstand während des Winterkrieges eine Fehleinschätzung gegenüber der Roten Armee, welche man nicht mehr als ebenbürtigen Feind betrachtete. Ab August 1940 näherte sich das Deutsche Reich Finnland an, was zu einem immer engeren Kontakt führte. So wurden der Wehrmacht Transitrechte nach Nordnorwegen im Austausch für Waffen gewährt. Während des Frühlings 1941 war die Truppenstärke in der nördlichen Hälfte Finnlands durch kräftige deutsche Verbände verstärkt worden. Mit deutscher Hilfe sah Finnland seine Chance, nicht nur die verlorenen Gebiete, sondern auch den Rest Kareliens im Fortsetzungskrieg zu erobern.
Eine Ursache für den geringen militärischen Erfolg der Roten Armee lag in den Säuberungen des Offizierskorps. Die Führung war ausgedünnt und damit teilweise ihrer fähigsten Offiziere beraubt wurden. Nicht zuletzt wegen der Erfahrung des Winterkrieges erkannte Stalin jedoch, welche Folgen dies für die Rote Armee gehabt hatte und leitete Gegenmaßnahmen ein. So wurden in sibirische Lager internierte Offiziere zurückgerufen und wieder eingesetzt.
Für die Witwen, oder wenn es kein Witwe gab, die älteste Tochter oder Mutter der gefallenen finnischen Soldaten gab es ein Reuekreuz. Wenn es um getöteten Zivilisten ging, gab es eine Medaille. Beide sind Teil des Finnischen Orden des Freiheitskreuzes.
[Bearbeiten] Literatur
Hj. Siilasvuo: Suomussalmi - Kampf und Sieg in nordfinnischer Wildmark, Potsdam 1943 (Rütten & Loening Verlag).
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Winterkrieg – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
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