Französische Kirche (Potsdam)
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Die Französische Kirche am östlichen Rand des Bassinplatzes in Potsdam ist fast das einzige Bauwerk des ehemals Französischen Viertels, das den Zweiten Weltkrieg überstand. Sie ist seit der Bombardierung Potsdams im Jahr 1945 die älteste erhaltene Kirche im historischen Stadtgebiet. In den Jahren 1990-2003 wurde sie grundlegend renoviert.
Mit dem Edikt von Potsdam gab der Große Kurfürst 1685 den aus Frankreich vertriebenen Hugenotten eine neue Heimat in Brandenburg. Die Kirche wurde dann 1752/1753 nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff für die französisch-reformierte Gemeinde Potsdams errichtet. Die innere Gestalt der Kirche geht auf Karl Friedrich Schinkel zurück. Während der Besatzung durch die Franzosen wurde die Kirche 1806 als Magazin genutzt.
Der Bau erinnert an das römische Pantheon und hat einen elliptischen Grundriss. Zwei allegorische Figuren des Bildhauers Friedrich Christian Glume stehen am säulengeschmückten Portal: Caritas (Liebe, Wohltätigkeit) und Spes (Hoffnung).
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[Bearbeiten] Hugenottische Traditionen in der Französischen Kirche von Potsdam
In Frankreich waren die Protestanten, Hugenotten genannt, bestenfalls geduldet. Ihre evangelischen Gotteshäuser durften sie meist nur außerhalb der Stadtmauern errichten, und auch dort nur ohne die typischen Kirchenmerkmale Glocken und Turm. Bis heute heißen die evangelischen Kirchen in Frankreich „temple“ im Unterschied zu den katholischen Kirchen mit der Bezeichnung „eglise“. Die Französische Kirche in Potsdam ist ganz im Stil dieser „Tempel“ in der französischen Heimat gebaut.
Da die Potsdamer Kirche von Anfang an als reformierter Kirchenbau entworfen wurde, spiegeln sich die reformierten Vorstellungen auch im Innenraum wider. Wesentliche Elemente des reformierten Gottesdienstes sind die Gemeinde, die Bibel, eine Kanzel und der Abendmahlstisch. Taufkanne und Taufschale ersetzen den Taufstein und werden bei Bedarf auf dem Abendmahlstisch platziert. Andere Kennzeichen, die man üblicherweise in Kirchen findet, wie Altar, Kerzen, Kreuz, Kruzifix oder Bilder fehlen dagegen, da sie vom Eigentlichen ablenken oder nicht dem zweiten Gebot (Bilderverbot) entsprechen. Der Innenraum der Französischen Kirche beeindruckt deswegen durch seine elegante Schlichtheit.
In diesem Raum kann der Gottesdienst in seiner ursprünglichen Form gefeiert werden: Der Raum ist auf die Mitte hin orientiert. Diese Mitte ist leer; die Leere ist das Besondere, das „Heilige“. Die Gemeinde versammelt sich im Kreis um diese Mitte. Dadurch wird die Gleichberechtigung aller Gemeindemitglieder, ob Priester oder Laien, zum Ausdruck gebracht. Auch der Abendmahlstisch, auf dem stets die Bibel liegt, steht frei, so dass sich alle um ihn herum versammeln können. Die Kanzel hat in erster Linie einen praktischen Zweck: wenn die Empore besetzt ist, kann die predigende Person von allen gut gehört und gesehen werden.
[Bearbeiten] Geschichte der Französisch-reformierten Gemeinde
Anfang 1686 trafen die ersten französisch-reformierten Glaubensflüchtlinge dem Toleranzedikt des Großen Kurfürsten folgend in Potsdam ein. Aber nur wenige blieben in dieser damals noch unbedeutenden Stadt. Als Friedrich Wilhelm I. für Hugenotten ab 1719 das Französische Quartier (ca. 50 Häuser) im Zuge der ersten Stadterweiterung errichten ließ, stieg die Zahl der französisch Reformierten in Potsdam an. Am 21. Juli 1723 wurde die Französisch-reformierte Gemeinde („Eglise reformée de France“) gegründet. Sie erhielt am 19. Oktober 1731 sogar eine eigene Verfassung, so dass sie als Französische Kolonie in Potsdam ein eigenständiges politisches, kirchliches und kulturelles Gemeinwesen mit eigenem Richter und eigenen Polizisten bzw. Gerichtsdiener bildete. Ihr schlossen sich nicht nur Franzosen, sondern auch reformierte Pfälzer, Schweizer, Ungarn und Niederländer an, die sich in Potsdam niedergelassen hatten, unter ihnen die Architekten Pierre Gayette und Jan Bouman. Bildung (eigene Schule) und soziales Engagement spielten eine große Rolle.
Die Napoleonische Besetzung, die Stein-Hardenberg’schen Reformen sowie die preußische Kirchenunion von 1817 brachten tief greifende Änderungen für die Gemeinde. Während des Napoleonischen Befreiungskrieges erwies sich die Gemeinde als treu deutsch, bis hin zu Eindeutschungen von Vor- und Nachnamen. Die französischen Besatzer wiederum waren überrascht, diese eigentümlichen Landsleute im Feindesland anzutreffen, die zudem ein altertümliches Französisch sprachen. Nach dem Friedensschluss beseitigten die Stein-Hardenberg’schen Reformen die ehemaligen Privilegien und hoben die Französische Kolonie auf. Mit der preußischen Kirchenunion von 1817 wurde die Gemeinde in die neue unierte Landeskirche eingegliedert.
Mit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 verlor die Gemeinde ihre geschätzte Schule. In den Folgejahren wurden die französischsprachigen Gottesdienste eingestellt, der Innenraum wurde entsprechend den Vorstellungen der wilhelminischen Zeit verändert. Erst nach dem Ersten Weltkrieg (re)formierte sich neues Selbstbewusstsein: Das Presbyterium widersetzte sich erfolgreich der Eingliederung in die Französische Kirche zu Berlin. Während der Zeit des Nationalsozialismus verteidigte man die „jüdischen Schriftzeichen“, das Tetragramm, in der Gloriole des Portikus, musste aber die Vergoldung der Buchstaben beseitigen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Hälfte der Gemeinde umgekommen oder in alle Welt zerstreut, die übrig gebliebenen Gemeindemitglieder waren meist alt. Die Heilig-Geist-Gemeinde, die ihre Kirche im Bombenangriff verloren hatte, quartierte sich in der Französischen Kirche ein, so dass die französisch-reformierte Gemeinde zunehmend zum Gast im eigenen Haus wurde. Nachdem die Heilig-Geist-Gemeinde mit der Nikolai-Gemeinde fusioniert hatte, befand sich die Französische Kirche in einem beklagenswerten Zustand und musste 1968 aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Die französisch-reformierte Gemeinde versammelte sich nunmehr im, ebenfalls baufälligen, Gemeindehaus am Rande des Holländischen Viertels.
[Bearbeiten] Die Französisch-reformierte Gemeinde heute
Mitte der 1980er geriet Bewegung in das Gemeindeleben: eine neue Pastorin wurde mit halber Stelle eingestellt; neue, jüngere Gemeindemitglieder meldeten sich; die Zahl der Gottesdienstbesucher stieg; das Gemeindehaus wurde instand gesetzt. In der Wendezeit entstand dort ein Eine-Welt-Laden, der die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich zog. Kontakte nach Frankreich konnten neu aufgenommen werden.
In den letzten Jahren ist die Zahl der Gemeindemitglieder weiter gestiegen und liegt derzeit bei ca. 200 (Stand 2006). Es finden mehr Gottesdienste statt (drei im Monat). Weitere Gemeindeaktivitäten umfassen unter anderem: Konfirmandenunterricht, Junge Gemeinde, thematische Gemeindenachmittage, Bibelseminare, Familienfreizeiten, Orgelkonzerte, Projektchor, Hospizdienst und den Eine-Welt-Laden. Ein Team von Ehrenamtlichen hält zudem die Französische Kirche täglich für Besucher geöffnet. In den Jahren 2004-2006 gastierte zudem das Hans-Otto-Theater wiederholt in der Französischen Kirche mit einer sehr positiv aufgenommenen Aufführung von Tolstois „Krieg und Frieden“.
Die Französisch-reformierte Gemeinde gehört zur Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
[Bearbeiten] Die Orgeln der Kirche
Der Orgelbauer Ernst Julius Marx baute 1787 die erste Orgel für die Französische Kirche. Dieses Instrument wurde 1806 während der Nutzung des Kirchenbaus durch die Franzosen als Magazin schwer beschädigt. Alexander Schuke baute 1930 eine neue Orgel in der Kirche. Diese Orgel allerdings bliebn ebenfalls nicht erhalten, da sie in den 1970er Jahren bei Einbrüchen in die Kirche schwer beschädigt wurde; die Orgelpfeifen wurden gestohlen. Die Kirchgemeinde fand auf ihrer Suche nach Ersatz der Schuke-Orgel eine Orgel, die dem Klang und der Gestaltung der ursprünglichen Orgel von Marx entsprach. Sie stammte aus dem Jahr 1783 und war vom Orgelbauer Johann Wilhelm Grüneberg für die Reformierte Johanniskirche in Berlin-Spandau gebaut worden. Ab 1903 stand sie in der Dorfkirche in Bärenklau (die Spandauer Kirche war 1902 abgerissen worden). Beim Umsetzen in die kleinere Kirche von Bärenklau waren mehrere Register entfernt worden. 1917 wurden die zinnernen Pfeifen zu Kriegszwecken beschlagnahmt und eingeschomlzen. 1928 reparierte Alexander Schuke die Orgel und baute neue Prospektpfeifen aus Zink ein. In der Dorfkirche wurde die lange Zeit unspielbare Orgel 1983 von Andreas Kitschke und dem Kantor Christlieb Albrecht untersucht und "wiederentdeckt", wobei die im im Manual-Ventilkasten eingeklebte Inschrift
- "Anno 1783 ... Orgel erbauet von Orgelbauer Johann Wilhelm Grüneberg in Brandenburg den 8ten May"
entdeckt wurde.
Bei der Untersuchung wurde der Verlust von einigen Prospektpfeifen, Teilen der Schnitzereien und einiger Pfeifenreihen entdeckt. Das Holz zeigte Wurmbefall. 1990 wurden die Schnitzereien am Prospekt durch die Fa. Thürmer aus Dresden ergänzt bzw. repariert.
Kitschke schlug vor, das Instrument nach Potsdam in die Französische Kirche zu bringen. Zum einen wäre nach einer Restaurierung der Klang der Kirche für die kleine Dorfkirche zu gewaltig geswesen, zum anderen zeigte die Orgel eine große äußerliche und klangliche Ähnlichkeit mit der Marx-Orgel.
1985 konnte die Kirchgemeinde das Projekt übernehmen und mit der Planung der Restaurierung beginnen. 1991 wurde die Orgel in der nahe der Französischen Kirche gelegenen Werkstatt der Firma Schuke anhand der in Spandau gefundenen Orgelbauakten restauriert. Zu Ostern 2000 erklingt die Orgel zum ersten Mal im Gottesdienst mit sechs Registern. Am 22. Juli 2000 wird die vollständig restaurierte Orgel wieder öffentlich gespielt. Am 29. September 2000 fiolgt die Weihe der Orgel nach der Fertigstellung.
Die barocke Grüneberg-Orgel mit 13 Registern auf Manual und Pedal ist die größte der erhalten gebliebenen Orgeln Johann Wilhelm Grünebergs.
[Bearbeiten] Disposition
Die Disposition der Grüneberg-Orgel:
Manual C, D-c | Pedal C, D-c' |
Prinzipal 8' | Subbaß 16' |
Gedact 8' | Violon 8' |
Rohrflöte 8' | Octave 4' |
Octave 4' | Posaune 8' |
Nassat 3' | |
Octave 2' | |
Cornet 3f disc. | |
Mixtur 4f 1½' | |
Trompete disc. 8' | |
Zug für die Cymbel-Sonnen | |
Tremulant |
[Bearbeiten] Bilder
Glume-Figur links des Portals |
[Bearbeiten] Weblinks
Koordinaten: 52° 24' 2" N, 13° 3' 46" O