Kami
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Mit Kami (jap. 神) werden die im Shintō verehrten Wesenheiten bezeichnet.
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[Bearbeiten] Begriffsbestimmung
Eine eindeutige Übersetzung des Begriffs ins Deutsche ist nicht möglich, da der Begriff unter anderem Gottheiten, Naturgeister und die Seelen Verstorbener umfasst. Darüber hinaus tragen eine Vielzahl japanischer Gottheiten nicht den Zusatz Kami, sondern Mikoto (Erlauchtheit) im Namen. Andere, eher archaische Bezeichnungen für Japanische Götter wie mono, tama, chi und mi lassen sich ebenfalls nur schwer von Kami abgrenzen und werden in den ältesten japanischen Schriften, wie dem Nihonshoki, dem Kojiki und dem Fudoki in nahezu identischer Weise gebraucht.
Kami weisen zudem viele typische Eigenschaften heiliger Wesenheiten in anderen religiösen Kontexten nicht auf (z. B. Unendlichkeit, Allwissenheit, Güte (in einem notwendigen Sinn), Unveränderbarkeit, Allmacht, Einfachheit oder Einheit). Genau wie der Shintō selbst hat auch die normative Deutung der Konzepte von Kami im allgemeinen und im besonderen durch die Geschichte Japans mehrere, wesentliche Änderungen erfahren. Der Begriff „Kami“ ist daher nur in Bezug auf den Kontext seiner geschichtlichen Entwicklung angemessen explizierbar.
Eine der noch heute populärsten Definitionen ist die, weniger auf Etymologie und mehr auf Psychologie ausgerichtete des Kokugaku-Gelehrten Motoori Norinaga (1730-1801):
„[…] Allgemein bezieht sich das Wort ‚Kami‘ in erster Linie auf die verschiedenen Kami des Himmels und der Erde in den japanischen Klassikern und die Geister [mitama], die in ihren Schreinen eingeschreint sind, und unnötig zu sagen, daß es sich auch auf Menschen bezieht, sogar auf Vögel und Tiere, Gras und Bäume, Meere und Berge – und alles sonst, was überragende und außergewöhnliche Macht besitzt und Ehrfurcht auslöst […]“
– Motoori Norinaga: Kojiki-den.[1]
Außerdem hat der Begriff außerhalb des Shintō eine Reihe anderer Bedeutungen (siehe dazu das Kapitel Verwendung außerhalb des Shintō weiter unten).
[Bearbeiten] Etymologie
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Die Herkunft des Wortes wird in den ural-altaischen Sprachen vermutet. In der Sprache der Ainu lautet der Begriff Kamui. Religionshistorische Deutungen der Etymologie des Wortes Kami schlagen dagegen eine Erklärung durch Ableitung auf Auslassung mittlerer Silben der Wörter kamugami (dem Blick erstrahlen) oder kagami (Spiegel) vor, womit ursprünglich das Wesen der Kami umschrieben worden sein soll.
Die erste Verwendung des Wortes findet sich im Nihonshoki, wo die einheimische Religion Japans erstmalig einen eigenen Namen bekam: Kami no michi („Weg/Kult der Kami“), wobei kami die japanische Aussprache des aus dem Chinesischen transkribierten Wortes Shén (ursprünglich „Blitz“, später „Geistwesen“) war.
[Bearbeiten] Kami im Shintō
Shintō ist eine hochgradig polytheistische Religion. Einer Redewendung nach ist die Zahl der Kami yaorozu (八百万), was hier nicht wörtlich als acht Millionen zu verstehen ist, sondern „Myriaden“ bedeutet. Der Shintō kennt sowohl Kami, die menschliche Wesens- und Charakterzüge zeigen, und daher als jinkakujin (人格神), menschliche Kami bezeichnet werden, als auch Schutzgottheiten (守護神 shugojin), die den Menschen Gnade und Wohltaten zukommen lassen. Grob lassen sich die Kami in folgende Kategorien einteilen:
- Vergöttlichte Naturwesen und Naturphänomene
- Vergöttlichungen von abstrakten Ideen, aber auch von Schicksalsschlägen, sogenannte kannenjin (観念神), „abstrakte Kami“
- Vergöttlichungen von einflussreichen Personen und Lehrmeistern
Die älteste und ursprüngliche der Kategorien sind die vergöttlichten Naturphänomene, die auf die Wurzeln des Shintō im Animismus hinweisen und eine Form des Pantheismus sind. Die Japaner des Altertums haben in Bergen, Flüssen, Megalithen, Tieren und Pflanzen und in Naturerscheinungen wie Feuer, Regen, Wind und Gewitter etwas Göttliches gesehen. Der Schriftsteller Lafcadio Hearn hat dies als „göttliche Empfindung“ (「神道の感覚」 shintō no kankaku) bezeichnet.
In einzelnen Stämme entwickelten sich aus der Ahnenverehrung einzelne Ujigami mit ihren individuellen Verehrungsriten, von denen sich einige durch Kontakt zwischen den Stämmen weiter verbreiteten. Einfluss auf die Riten übte auch der sibirische und mongolische Schamanismus aus.
Wesentlich für die Geschichte der Kami ist der Shintō-buddhistische Synkretismus (神仏習合 shinbutsu shūgō). Dieses Phänomen beschreibt die, seit der Einführung des Buddhismus aus China nach Japan im ausgehenden 6. Jahrhundert, komplexe Interaktion und Verschmelzung buddhistischer Lehren und Vorstellungen mit der einheimischen Naturreligion Japans. Die zuerst übliche Vorstellung betrachtete die neuen Götter lediglich als ausländische Kami (蕃神 banshin) bzw. Buddha-Kami (busshin). Die spätere buddhistische Lehrmeinung des honji suijaku (本地垂迹, Ursprüngliche Substanz und manifeste Spuren) erklärte die Verehrung buddhistischer Mönche und Bodhisattvas zu abgeleiteten Verehrungen transzendentaler Wahrheiten. Innerhalb dieses Systems waren die Kami als myōjin (imanente Gottheit) und gongen (権現, Avatar) bezeichnet.
Auch andere aus dem Ausland importierte Religionen wie der Daoismus und der Konfuzianismus beeinflussten die Auszeichnungen, Beschreibungen und Bezeichnungen wesentlich.
[Bearbeiten] Typologie der Kami
- Amatsukami - Himmelskami, Kunitsukami - Erdkami
- Banshin - Ahnengötter von nach Japan eingewanderten Völkern und Stämmen, wörtlich Barbaren-Kami
- Boshijin - Mutter-Kind-Götterpaar, die gemeinsam verehrt werden
- Gairaishin - Kami, die von außen übernommen wurden
- Gunshin - Kami der Kriegskunst
- Haishi - „Nebenkami“ eines Schreins
- Haraedo - Ortskami, das bei der Reinigungszeremonie angerufen wird
- Himegami - weibliche Kami, Göttin
- Hitorigami - Einzelkami, im Gegensatz zu denen, die als Mann-Frau-Paare auftreten
- Kamurogi, Kamuromi - Sammelbegriff für männliche und weibliche Ahnen-Kami
- Kotoamatsukami - die ersten fünf Kami aus dem Kojiki (Die Zōkasanshin + Umashiashikabihikoji-no-Kami und Ame-no-tokotachi-no-Kami)
- Mikogami - Nachkomme eines Kami
- Mikoto - Ehrentitel, den eine Kami oder eine verehrte Persönlichkeit trägt
- Myōjin - Archaischer Begriff für manifestierte Kami (darunter Akitsukami („sichtbarer Kami“), Arahitokami („menschgewordener Kami“) und Aramikami („offenbarer Kami“))
- Saijin - Sammelbegriff für alle in einem Schrein verehrten Kami
- Shingō - göttlicher Titel eines Kami
- Shinshi - göttlicher Diener, Gehilfe eines Kami in Tierform
- Shinjū - göttliche Tiere
- Shushin - Haupt-Kami eines Schreins
- Sumegami - noble Kami, vor allem Vorfahren der kaiserlichen Familie
- Tenjinchigi - Sammelbegriff für die Kami von Himmel und Erde
- Wakamiya - Schrein, der ein Ableger eines Hauptschreins ist, oder wo ein Nachkomme der Hauptgottheit verehrt wird
- Zōkasanshin - Die drei Kami der Schöpfung (Amenominakanushi, Takamimusuhi und Kamimusuhi)
[Bearbeiten] Verwendung außerhalb des Shintō
Der Christliche Gott wurde im Japanischen im 16. Jahrhundert direkt aus dem Portugiesischen oder Lateinischen als deus (デウス) transkribiert oder – in neo-konfuzianistischer, chinesischer Terminogie – als tenshu (天主, Himmelsherr) oder jōtei (上帝, höchste Wesenheit) bezeichnet. Erstmals in der Meiji-Zeit wurde im Rahmen der Einführung des protestantischen Christentums in Bibelübersetzungen (1859 und 1862) der Begriff Kami auch für den christlichen Gott verwendet. Auch für die Götter anderer Religionen wurde ab diesem Zeitpunkt der Begriff Kami verwendet.
Ähnlich dem deutschen Wort „Gott“ kann das japanische Kami auch auf eine Person angewandt werden, die auf ihren Gebiet besonders herausragend ist. Der Fußballgott Pelé ist im japanischen ein Kami des Fußballs. Als zusätzliche Respektsbezeugung wird oft noch das Anredesuffix -sama angefügt. Wunderkinder werden manchmal ebenfalls als Kami bezeichnet.
Es gibt eine Reihe von Homophonen, so heißt Papier auf japanisch ebenfalls Kami.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Übersetzt und zitiert nach Norman Havens: "Immanent Legitimation: Reflections on the 'Kami Concept'". In: Contemporary Papers on Japanese Religion 4, 1998
[Bearbeiten] Weblinks
- Sakamoto Koremaru: "Einleitung zum Kapitel 'Kami'" in der Encyclopedia of Shinto der Kokugaku-in, 7. Juli 2005 - Englisch
- Professor Inoue Nobutaka, Direktor der Kokugakuin University (Hauptschriftleiter): „Kami“, in: Contemporary Papers on Japanese Religion 4; abgerufen am 11. Juni 2006; ursprünglich veröffentlicht 1998 vom Institute for Japanese Culture and Classics, Kokugakuin University. (ISBN 4-905853-05-2) - Englisch
- Timothy J. Vance: "The Etymology of Kami", in: Journal of Religious Studies 10/4 1983; PDF-Datei (3,9 KB); abgerufen am 24. August 2006