Märchenschach
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Mit Märchenschach (auch Feenschach) bezeichnet man Varianten des Schachspiels, wobei entweder neue Figuren mit anderen Spielregeln oder auch für herkömmliche Figuren neue Spielregeln eingeführt werden.
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[Bearbeiten] Allgemeines
Grundsätzlich gelten für das Märchenschach bei manchen Varianten die folgenden Regeln, welche auch im herkömmlichen Schach eingesetzt werden könnten, ohne dass dadurch das normale Ergebnis einer Standardschachpartie beeinträchtigt werden würde:
- Es gibt kein Schachmatt: Eine Partie wird bis zum tatsächlichen Ende gespielt (d. h. der König muss tatsächlich geschlagen werden, sofern dies – wie im herkömmlichen Schach – Spielziel ist)
- Es gibt kein Patt: Auch wenn der (einzige technisch mögliche) eigene Zug den Verlust des Spieles nach sich zieht, muss er ausgeführt werden
Der Reiz des Märchenschachs besteht vor allem darin, dass langjährig eingelernte Denkmuster durchbrochen werden und, etwa mangels umfangreicher voranalysierter Zugfolgen und Strategien, die Spiele wesentlich an Spontanität gewinnen. Es hat sich gezeigt, dass insbesonders sehr gute Schachspieler im Märchenschach häufig unterdurchschnittlich spielen, da ihre oft automatisch und unbewusst ablaufenden Stellungsanalysen bei diesen besonderen Umgebungen völlig falsche Entscheidungen herbeiführen können.
Die im Folgenden angeführten Regeln des Märchenschachs sind weder vollständig noch endgültig, sondern unterliegen – wie das Märchenschach als Ganzes – ständigen kreativen Adaptionen durch Spielergruppen und -vereine.
[Bearbeiten] Neue Figuren
Bei dieser Variante des Märchenschachs werden weitere Figurentypen eingeführt, die es im normalen Schach nicht gibt.
Die bekannteste Art ist die in den zwanziger Jahren vom damaligem Weltmeister José Raúl Capablanca vorgeschlagene Variante (siehe das daraus entwickelte Capablanca-Random-Chess), um den befürchteten „Remistod“ des Schachs zu verhindern.
Als eigenständiges Spiel sind diese Schachvarianten aber außer Mode gekommen; gelegentlich finden sich jedoch Schachkompositionen mit zusätzlichen Arten von Figuren.
Eine Übersicht über die verschiedenen Märchenfiguren findet man hier: [1].
[Bearbeiten] Amazone
Die Amazone ist eine Märchenfigur, die die Zugmöglichkeiten von Dame und Springer vereinigt.
[Bearbeiten] Burgfried
Es gibt genau einen Burgfried, welcher keinem Spieler gehört und sich zu Spielbeginn nicht auf dem Spielbrett befindet. Er kann sich auf jedem Feld befinden, unabhängig davon, ob und welche Figuren sich darauf befinden. Technisch wird er durch einen Ring oder eine flache Scheibe realisiert.
Ein Spieler kann in seinem Zug den Burgfried auf ein beliebiges (freies oder beliebig besetztes) Feld setzen (er 'baut den Burgfried') oder auch vom Spielbrett entfernen (er 'reißt ihn ab'). Der Burgfried kann nach dem Setzen in den beiden folgenden Halbzügen nicht nochmals versetzt werden (A baut den Burgfried, B kann diesen nicht ziehen/bauen, A ebenfalls nicht, ab jetzt können beide ziehen/bauen).
Eine Figur kann auf zwei Arten in den Burgfried gelangen:
- Der Burgfried wird auf ihr gebaut (dann ist sie 'eingekerkert')
- Sie ist auf das Feld des Burgfriedes gezogen (sie hat sich 'verbarrikadiert').
Eine Figur, die sich auf dem Feld des Burgfriedes befindet, kann nicht geschlagen werden (sie befindet sich 'im Burgfried'). Wurde sie 'eingekerkert' (das heißt der Burgfried auf sie gesetzt), kann sie auch nicht schlagen. Hat die Figur sich aber selbst 'verbarrikadiert' (das heißt sie ist in einem Zug auf das Feld des Burgfriedes gezogen), kann sie auch aktiv schlagen.
Das bedeutet, dass man aus einer Position und der Angabe des Ziehenden die Zugmöglichkeiten einer Figur im Burgfried nicht erkennen kann, wenn der Partieverlauf nicht bekannt ist.
[Bearbeiten] Drache
Der Drache ist eine Kombinationsfigur aus Springer und Bauer, kann sich auf der gegnerischen Grundreihe jedoch nicht umwandeln.
[Bearbeiten] Grashüpfer
Der Grashüpfer ist eine Märchenfigur, die im "normalen" Schach nicht vorkommt. Sie wurde 1912 von Thomas Rayner Dawson erfunden. Er kann in die gleichen Richtungen ziehen wie eine Dame, allerdings muss er einen Stein überspringen. Dabei kann es sich um einen eigenen oder einen gegnerischen Stein handeln. Der Grashüpfer landet auf dem Feld unmittelbar hinter dem übersprungenen Stein. Ist dieses Feld von einem gegnerischen Stein besetzt, dann wird dieser geschlagen. Steht dagegen auf diesem Feld ein eigener Stein, dann kann der Grashüpfer dort nicht hinziehen. Weiterhin dürfen zwischen dem Ursprungsfeld und dem zu überspringenden Stein keine Steine stehen; das bedeutet entweder steht der zu überspringende Stein auf einem Nachbarfeld des Grashüpfers oder alle Felder zwischen Grashüpfer und Sprungstein sind unbesetzt. Der übersprungene Stein bleibt auf dem Brett.
Steht in eine bestimmte Richtung kein Stein, bzw. mehrere Steine hintereinander oder am Rand, kann der Grashüpfer, gemäß der Definition, sich in diese Richtung auch nicht bewegen.
[Bearbeiten] Kamel
Ein Kamel (auch Kamelreiter genannt) bewegt sich um drei Felder längs einer Linie fort und um ein Feld längs einer anderen. Damit zieht das Kamel ähnlich wie ein Pferd (Springer), nur um ein Feld weiter. Die Idee hinter der Namensgebung ist offensichtlich.
[Bearbeiten] Känguru
Ein Känguru führt zwei Züge in der Art des Grashüpfers auf einmal aus, d. h., es überspringt genau zwei Steine, wenn dazwischen Platz (zur virtuellen Zwischenlandung als Grashüpfer) ist.
[Bearbeiten] Kanzler
Der Kanzler darf sich wie ein Turm oder wie ein Springer bewegen. Nach dem Kardinal ist er die zweithäufigste Schachvariantenfigur.
[Bearbeiten] Kardinal
Der Kardinal (auch Janus, Archbishop) darf sich wie Springer oder wie ein Läufer bewegen. Da ein Kardinal bei einem Zug wie ein Springer naturgemäß die Feldfarbe wechselt, kann er dadurch wechselweise wie ein schwarzer oder wie ein weißer Läufer agieren. Der Wert eines Kanzlers oder Kardinals hängt besonders von Partnern und Brettregion ab.
[Bearbeiten] Leo
Der Leo gehört zu den chinesischen Märchenschachfiguren. Schlagfrei zieht er wie eine Dame. Zum Schlagen (orthogonal sowie diagonal) benötigt er einen übersprungenen Stein, wobei sich der geschlagene Stein in beliebiger Entfernung zum übersprungenen Stein befinden kann. Das Schlagen entspricht somit genau der Zugmöglichkeiten des Lion.
[Bearbeiten] Lion
Ein Lion zieht und schlägt wie ein Grashüpfer. Der einzige Unterschied besteht darin, dass das Zielfeld nicht unmittelbar hinter dem übersprungenen Stein liegen muss.
[Bearbeiten] Mao
Der Mao gehört zu den chinesischen Märchenschachfiguren. Er zieht und schlägt wie ein Springer, nur dass er nicht springt, sondern zieht und dazu anders als der Springer ein freies orthogonales Feld benötigt. Dabei darf das vom Ursprungsfeld aus gesehene orthogonale Übergangsfeld nicht besetzt sein. Er zieht zunächst in orthogonale Richtung ein Feld weit (dieses muss frei sein!) und anschließend in diagonale Richtung ein Feld weit.
[Bearbeiten] Moa
Der Moa bewegt sich analog zum Mao. Der einzige Unterschied besteht in der Vertauschung der Reihenfolge der beiden Einzelschritte: Der Moa zieht zunächst diagonal und anschließend orthogonal jeweils ein Feld weit. Das hierbei überquerte diagonale Feld muss frei sein.
Bei Mao und Moa ist zu beachten, dass durch sie Felder nicht bedroht sein können, die es bei einem Springer wären.
[Bearbeiten] Nachtreiter
Der Nachtreiter wurde 1925 von Thomas Rayner Dawson eingeführt, um neben Linien (bzw. Reihen) und Diagonalen eine dritte Wirkungslinie für Schnittpunkthäufungen zu besitzen. Er zieht wie ein normaler Springer, allerdings darf er mehrere Springerzüge hintereinander ausführen. Diese müssen auf einer Geraden liegen, zum Beispiel e4 -> c5 -> a6. Nur im letzten Schritt darf er einen gegnerischen Stein schlagen. Nach dem Schlagen darf er nicht mehr weiterziehen.
[Bearbeiten] Pao
Der Pao entspricht der Kanone im chinesischen Schach. Schlagfrei zieht er wie ein Turm. Zum Schlagen (ebenfalls in orthogonaler Richtung) benötigt er einen übersprungenen Stein, wobei sich der geschlagene Stein in beliebiger Entfernung zum übersprungenen Stein befinden kann.
[Bearbeiten] Pegasus
Pegasus wird nur in Schachvarianten mit dreidimensionalen Spielräumen benutzt. Er bewegt sich linear entlang der an Ecken anliegenden Felder (Zum Vergleich (nur für dreidimensionale Räume gültig): Turm bewegt sich entlang der an den Flächen anliegenden Felder und Läufer entlang der an Kanten anliegenden Felder). Pegasus kann sich daher in acht verschiedene Richtungen bewegen. Es existiert keine korrespondierende Spielfigur für zweidimensionale Spielflächen.
[Bearbeiten] Vao
Der Vao gehört zu den chinesischen Märchenschachfiguren. Schlagfrei zieht er wie ein Läufer. Zum Schlagen (ebenfalls in diagonaler Richtung) benötigt er einen übersprungenen Stein, wobei sich der geschlagene Stein in beliebiger Entfernung zum übersprungenen Stein befinden kann.
[Bearbeiten] Transmitter
Es gibt zwei Transmitter, welche sich auf jedem Feld, auf dem sich nicht der andere Transmitter befindet, aufhalten können. Der Transmitter gehört keiner der Spielparteien, sondern es kann – als eigener Zug – einer der beiden Transmitter auf ein beliebiges anderes Feld (außer auf dem durch den anderen Transmitter belegten) versetzt werden, auch wenn sich dort andere Figuren befinden.
Technisch wird der Transmitter durch einen Ring oder durch eine notfalls unter andere Figuren gelegte flache Scheibe realisiert. In der Grundstellung werden die beiden Transmitter in den Mitten der Königslinie aufgestellt (e4,e5).
Befindet sich eine eigene Figur auf einem Transmitter, so kann sie an den Ort des anderen Transmitters gezogen werden. Befindet sich dort eine eigene Figur, so tauschen diese den Platz. Befindet sich dort eine feindliche Figur, so wird sie geschlagen (es gibt jedoch auch Vereinbarungen, nach denen auch diese Figuren bloß die Plätze tauschen). Transmitter selbst können nicht geschlagen werden.
[Bearbeiten] Neue Regeln
In diesen Varianten des Märchenschachs wird mit herkömmlichen Figuren auf herkömmlichen Bretten gespielt, nur werden die Zug- (und damit die Schlagregeln) und/oder das Spielziel geändert.
Zu den bekanntesten dieser Variationen gehört das Räuberschach, bei dem das Spielziel die vollständige Vernichtung der eigenen Figuren ist (mit Schlagzwang).
[Bearbeiten] Apartheid (Rassentrennung)
Bauern ziehen und schlagen wie Könige, jedoch ausschließlich gegnerische Bauern. Figuren können nur Figuren schlagen. Es gibt keine Wandlung eines Bauern beim Erreichen der gegnerischen Grundlinie.
[Bearbeiten] Gleichberechtigung
Das Spiel gilt erst als gewonnen, wenn sowohl der König als auch die Dame geschlagen wurden.
[Bearbeiten] Emanzipation
An Stelle des Königs muss die Dame geschlagen werden.
[Bearbeiten] Teleportation
Zusätzlich zur (oder je nach Vereinbarung an Stelle der) Rochade kann der eigene König mit einer beliebigen anderen eigenen Figur einmal pro Partie den Platz tauschen.
[Bearbeiten] Mühleneröffnung
Die Figuren werden nicht in einer fixen Aufstellung, sondern abwechselnd in beliebiger Reihenfolge auf beliebige Positionen der eigenen Hälfte aufgestellt. Während der Aufstellungsphase wird weder gezogen noch geschlagen.
[Bearbeiten] Torus
Das Schachbrett wird nach links und rechts sowie oben und unten periodisch fortgesetzt gedacht, das heißt, ein Turm kann z. B. nach links 'auswandern' und von rechts wieder 'einwandern'. Bei Überschreiten einer Spielbrettgrenze kann jedoch nicht unmittelbar geschlagen werden (sonst könnte mit dem ersten Zug der gegnerische König durch Überschreiten der Grundlinie geschlagen werden und das Spiel wäre sofort zu Ende). Es gibt keine Wandlung eines Bauern beim Erreichen der gegnerischen Grundlinie.
[Bearbeiten] Musketier
Einmal pro Partie kann der König eine andere Figur (außer den feindlichen König) wie eine gewöhnliche Dame schlagen.
[Bearbeiten] Circe
Geschlagene Figuren kommen mit sofortiger Wirkung auf ihr Ursprungsfeld zurück, es sei denn dieses Ursprungsfeld ist durch eine andere Figur besetzt. In diesem Fall wird die geschlagene Figur wie im normalen Schach vom Brett entfernt.
Als Ursprungsfeld gilt bei Bauern das 2. (weiß) bzw. 7. (schwarz) Feld der jeweiligen Reihe, auf der er geschlagen wurde. Bei Damen ist es d1 (weiß) bzw. d8 (schwarz). Für alle anderen Figuren ist es das Feld der gleichen Farbe, auf dem in der Ausgangsstellung die Figur stand; das heißt, dass man Türme und Springer je nach Ausgangsfeld unterscheiden muss.
[Bearbeiten] Verallgemeinerte Spielbretter
Während neue Figuren und Regeln in Schachkompositionen meist auf einem normalen 8x8-Brett eingesetzt werden, gibt es auch Versuche, sie für „verbessertes“ Partieschach auf größerem Spielfeld einzusetzen. Dies begann bereits durch Capablanca, der für das übliche Schach den Remistod befürchtete.
[Bearbeiten] 10x8-Brett
[Bearbeiten] 10x10-Brett
- Grand Chess
[Bearbeiten] Veränderte Brettform
Die Brettform kann durch Hinzunahme oder Weglassen von Feldern oder durch die räumliche Veränderung (wie z. B. Zylinderschach oder Torusschach durch Aneinanderfügen gegenüberliegender Brettseiten - horizontal und/oder vertikal) variiert werden.
[Bearbeiten] Weblinks
- chessvariants.org ordnet verschiedene Märchenschacharten und stellt sie einzeln vor.
- problemschachbuch.de unter "Informationen" findet sich eine Einführung zum Thema "Märchenfiguren und ihre Grundtypen" (von Dr. Werner Speckmann)