Maßstabparadoxon
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[Bearbeiten] Das Paradoxon
Das Maßstabparadoxon stellt das Gegenstück zum Zwillingsparadoxon dar und beruht auf der Längenkontraktion. Ein Stab der Länge L bewege sich mit einer Geschwindigkeit v parallel zu einem ruhenden Loch, das ebenfalls die Breite L besitzt. Gleichzeitig bewegt sich der Stab noch mit einer kleinen, senkrechten Geschwindigkeit ε auf das Loch zu:
Zu einem geeigneten Zeitpunkt t=0 durchquert der Stab parallel das ruhende Loch:
[Bearbeiten] Fall (A)
Vom ruhenden Bezugssystem des Lochs aus betrachtet erscheint der Stab durch die Längenkontraktion verkürzt auf die Länge L’ < L und passt damit bequem durch das Loch:
[Bearbeiten] Fall (B)
Betrachtet man die Situation allerdings vom mitbewegten System des Stabes aus, so ruht der Stab und das Loch bewegt sich relativ zum Stab mit der Geschwindigkeit v auf den Stab zu:
Vom nun ruhenden Stab aus betrachtet, der in diesem Ruhesystem die Länge L besitzt, wirkt sich die Längenkontraktion jetzt auf das bewegte Loch aus, das nur noch die Breite L’ < L besitzt, so dass der Stab nicht mehr durch das Loch passt:
Das ist aber ein Widerspruch . Die Abstände können zwar wechselseitig verkürzt zueinander erscheinen, die Aussage des Passierens des Lochs kann aber nicht von der Wahl des Bezugssystems abhängig gemacht werden, sonst wäre die Relativitätstheorie widersprüchlich und falsch.
[Bearbeiten] Die Auflösung des Paradoxon
Die Beschreibung Fall (A) (Der Stab bewegt sich parallel auf das ruhende Loch zu) entspricht der Realität und ist richtig dargestellt. Die Beschreibung Fall (B) (Das Loch bewegt sich auf den ruhenden Stab zu) wurde in der vorangestellten Darstellung nicht vollständig richtig nach den Gesetzen der Lorentz-Transformation durchgeführt und erzeugt damit das scheinbare Paradoxon, das so gar nicht existiert. Bei der Transformation zum System (B) muss noch berücksichtigt werden, das sich nicht nur die Ortskoordinaten entsprechend der Lorentz-Transformation ändern und so direkt zur Längenkontraktion führen, sondern auch die Zeit transformiert werden muss. Im System (A) (Ruhendes Loch) durchquert der Stab das Loch zum Zeitpunkt t=0 parallel, was bedeutet, das sich das vordere und das hintere Ende des Stabes gleichzeitig durch das Loch bewegen. Das hintere Ende des Stabes durchquere das Loch am Ort x=0, das vordere Ende des Stabes am Ort x1.
Die Zeit t’ im Stab-Ruhesystem berechnet sich nun entsprechend nach der Lorentz-Transformation:
Wenn nun das hintere Ende des Stabes zum Zeitpunkt t=0 und am Ort x=0 das Loch durchquert, so geschieht das zu folgender Zeit im Stab-Ruhesystem:
Für das vordere Ende des Stabes (zum Zeitpunkt t=0, am Ort x1 im Loch) geschieht das zu folgender Zeit im Stab-Ruhesystem:
Das vordere Ende des Stabes hat also das Loch viel früher durchstoßen als das hintere Ende des Stabes (betrachtet im System, das sich mit dem Stab mitbewegt). Dass das vordere Ende des „ruhenden“ Stabes das heranfliegende Loch zuerst durchquert, bedeutet anschaulich, dass das Loch nicht mehr parallel zum Stab fliegt, also verkippt erscheint, so dass sich korrekter Weise das folgende transformierte Bild für den Fall (B) (Das Loch bewegt sich auf den ruhenden Stab zu) ergibt:
Stab und Loch fliegen in diesem System nicht mehr parallel aufeinander zu! Was lernt man nun daraus? Erstens: Ereignisse laufen in unterschiedlich schnell bewegten Inertialsystemen nicht unbedingt gleichzeitig ab und zweitens sind „parallele“ Geraden nicht mehr parallel, der Winkel zwischen zwei Raumrichtungen wird von zwei, sich relativ zueinander bewegenden Beobachtern unterschiedlich gemessen!
[Bearbeiten] Anmerkung
Die Argumentation kann auch anders herum durchgeführt werden: Geht man von einem ruhenden Stab aus, auf den sich tatsächlich ein Loch parallel darauf zu bewegt, dann erzeugt die Transformation in das System des ruhenden Lochs (Fall (A)) nun die Verkippung des Stabes ( In der vorherigen Darstellung war es genau umgekehrt, dort wurde das Loch verkippt und nicht der Stab). Wie man es auch betrachtet, das Maßstabparadoxon lässt sich so in jedem Fall auflösen und die Relativitätstheorie bleibt weiterhin widerspruchsfrei!