Mosuo
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Die Mosuo (chin. 摩梭, Mósuō; auch Moso genannt) sind eine Ethnie, die im Südwesten der Volksrepublik China lebt, insbesondere um den Lugu-See. Obwohl sie nach der offiziellen chinesischen Klassifikation dem Volk der Naxi zugerechnet werden, sich selbst als "Na" bezeichnen, sich sprachlich auch nicht nennenswert von den anderen Naxi unterscheiden, betrachten sie sich selbst als relativ eigenständige ethnische Gruppe und ihr Identitätsgefühl mit den anderen Naxi ist schwach entwickelt. Außer dem vorherrschenden tibetischen Buddhismus unterscheidet sie hauptsächlich ihre Sozialstruktur von den anderen Naxi.
Die Mosuo sind bekannt für ihre matrilineare Gesellschaftsstruktur, d.h. sie leben im Haushalt der Mutter, der Besitz wird von der Mutter an die Töchter vererbt.
Sie kennen keine Ehe zwischen Mann und Frau, bei der das verheiratete Paar zusammenlebt; diese wird als unnatürlich betrachtet und als Gefahr für die mutterorientierte Familie. Die Mosuo pflegen die Besuchsehe bzw. Besuchsbeziehung, da die Bindungen zwischen den Partnern als sehr locker gelten. Sowohl Frauen als auch Männer können mit mehreren (gegengeschlechtlichen) Partnern oder Partnerinnen nebeneinander oder nacheinander sexuelle Beziehungen pflegen, die keinerlei Bestätigung von dritter Seite brauchen und auch von jeder der beiden Seiten ohne Umstände und jederzeit aufgelöst werden können. Die Männer (azhu) besuchen die Frauen dabei in der Nacht und kehren am Morgen in ihre eigenen Häuser bzw. in die Häuser ihrer Mütter zurück.
In ihrem Verwandtschaftssystem gibt es keinen Begriff für die biologische Vaterschaft. Männer sind als Bezugsperson zuständig für ihre Nichten und Neffen, d.h. die Kinder ihrer Schwesterlinien, nicht für ihre eigenen biologischen Kinder.
Die Frage, ob bei den Mosuo ein Matriarchat besteht, ist umstritten. Sicher ist, dass einzelne Aspekte der Matriarchats-Theorien vorzufinden sind, z.B. Matrilinearität. Problematisch werden solche Diskussionen durch die starken Brüche und Wandlungen, die bei den Mosuo insbesondere in der Moderne auftauchen. Für die traditionellen chinesischen Moralauffassungen und den Sozialismus der Volksrepublik waren Aspekte wie das azhu-System der Besuchsbeziehungen unannehmbar und sollten verschwinden.
Eine „ursprüngliche“ Gesellschaftsordnung der Mosuo beschreiben zu wollen, führt grundsätzlich zu problematischen Konstruktionen. In neuester Zeit, in der der chinesische Zentralstaat den Mosuo wieder mehr soziale und kulturelle Freiräume lässt, hat ihr Kontakt mit der chinesischen und auch anderen Gesellschaften zugenommen. Zahlreiche Beschreibungen von „freier Liebe“ und Matriarchat, von Kritikern häufig als Mythen und Verklärungen bezeichnet, haben das Interesse von Forscherinnen (die sich allerdings gegenseitig kontrovers beurteilen) sowie chinesischen und ausländischen Touristen auf die Mosuo gelenkt. Insbesondere ist ein Anstieg des Sextourismus im Gebiet der Mosuo zu beobachten, weshalb sich dort inzwischen zahlreiche Geschlechtskrankheiten verbreitet haben.
[Bearbeiten] Film
- Die Moso - Freie Frauen im Himalaja, Frankreich 2000, Regie: Cris Campion, Elisabeth Soulia, ARTE-TV
[Bearbeiten] Literatur
- Yang Erche Namu, Christine Mathieu: Das Land der Töchter. Eine Kindheit bei den Moso, wo die Welt den Frauen gehört. Ullstein, Berlin 2005, ISBN 3548259596. (aus dem Engl. von Barbara Röhl)
- Heide Göttner-Abendroth: Matriarchat in Südchina. Eine Forschungsreise zu den Musou. Kohlhammer, Stuttgart 1998, ISBN 317014006X.
- Susanne Knödel: Männer? Nur für die Nacht! Bei den Mosuo im Südwesten Chinas haben die Frauen das Sagen. In: Gisela Völger (Hrsg.): Sie und Er. Frauenmacht und Männerherrschaft im Kulturvergleich. Rautenstrauch-Joest-Museum, Köln 1997, ISBN 3923158335. (Online-Kurzversion)
- Susanne Knödel: Die matrilinearen Mosuo von Yongning. Eine quellenkritische Auswertung moderner chinesischer Ethnographien. LIT Verlag, Münster 1995, ISBN 3894738057.
In Englisch:
- Christine Mathieu: A History and Anthropological Study of the Ancient Kingdoms of the Sino-Tibetan Borderland – Naxi and Mosuo. Edwin Mellen Press, Lewiston, N.Y. 2003, ISBN 0773466452.
- Tami Blumenfield: Na Education in the Face of Modernity. In: Xu Jianchu; Stephen Mikesell (Hrsg.): Landscapes of Diversity:Indigenous Knowledge, Sustainable Livelihoods and Resource Governance in Montane Mainland Southeast Asia. Yunnan Science and Technology Press, Kunming 2003, S. 87–494 (online PDF-Datei, 240 KB)
- Cai Hua: A Society Without Fathers or Husbands: The Na of China. Zone Books, New York 2001, ISBN 1890951129.
[Bearbeiten] Weblinks
- Susanne Knödel: Männer? Nur für die Nacht! Bei den Mosuo im Südwesten Chinas haben die Frauen das Sagen (1998, "DIE ZEIT")
- Hannelore Vonier: Frauen in China (1998, Interviews mit Mosuo)
- Hannelore Vonier: Bei den Mosuo: Wie wird eine Frau zur Matriarchin? (1997, Interviews mit Mosuo)
- Michelle Du: Mosuo Minority, Yunnan, China (2004, engl.)
- Lugu Lake Mosuo Cultural Development Association (China + Kanada, engl.)