Niederwald
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Unter Niederwald oder Stockung versteht man eine heute kaum noch übliche, plantagenartige Form der Forstwirtschaft, bei der Baumarten verwendet werden, die zu einer Regeneration aus Stockausschlägen fähig sind. Dabei wird in Abständen von ca. 15 bis 30 Jahren das gesamte Holz abgeerntet, das heißt, der gesamte Wald wird oder größere Flächen werden gefällt, ohne dass neue Bäume gepflanzt werden. Die Regeneration erfolgte dann aus den im Boden verbliebenen Wurzelstöcken und Stümpfen, teilweise auch aus Wurzelbrut. Eine Form des Niederwald ist der siegerländer Hauberg. Der Schwerpunkt der Niederwaldnutzung in Deutschland lag im Westen des Landes an Rhein (Oberes Mittelrheintal) und Mosel sowie in Hunsrück, Eifel, Westerwald/Siegerland und Teilen von Rheinhessen und der Pfalz.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Baumarten
Je nach Gegend erfolgte die Verjüngung ausschließlich aus Stockausschlag oder mit Stehenlassen von einzelnen Kernwüchsen (sogen. Lassreisel). Wo die Verjüngung jahrhundertelang ausschließlich aus Stockausschlag erfolgt ist, sind die aus überalterten Stöcken entstandenen Bestände meist schwachwüchsiger als es der jeweilige Standort zulassen würde.
Die Niederwaldwirtschaft hat besonders die Baumarten gefördert, die gut vom Stock ausschlagen, z. B. Eiche und Hainbuche. Auch lichtbedürftige Baumarten wie Vogelbeere, Mehlbeere, Elsbeere, Speierling, Vogelkirsche, Birke, Esche oder Zitterpappel, die teilweise Arten der Vorwaldgesellschaften (Lichtungen, Sukzessionsflächen und Waldränder) oder auch der Hecken zuzuordnen sind, treten in Niederwäldern oder aus Niederwäldern hervorgegangenen Beständen häufiger auf. Auch ist die Krautflora wegen der günstigeren Lichtverhältnisse in Niederwäldern stärker vertreten als in Hochwäldern. Stellenweise wurden auch Bestände aus Schwarzerle (auf Nassstandorten) oder Edelkastanie (vorwiegend in Weinbaugebieten) als Niederwälder bewirtschaftet.
[Bearbeiten] Nutzung
Das eingeschlagene Holz wurde meistens als Brennholz verwertet; bis ins 19. Jahrhundert spielte auch die Köhlerei eine große Rolle. Als zusätzliche Nutzung wurde bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts häufig die Lohrindengewinnung praktiziert; hierbei wurde die stark gerbstoffhaltige Rinde von den frisch eingeschlagenen Eichenknüppeln mit dem Lohlöffel oder einem Rindenhammer abgeschält und getrocknet. Abnehmer waren die Gerbereien. Der Einschlag des Lohholzes erfolgte im Frühjahr vor dem Laubaustrieb.
Die frisch gehauenen Schläge wurden teilweise landwirtschaftlich genutzt bis die Stockausschläge zu hoch waren (Röderwirtschaft). Diese Art der Nutzung wurde im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts weitgehend eingestellt.
[Bearbeiten] Heutige Verhältnisse
Heute werden nur noch sehr wenige Bestände als Niederwälder bewirtschaftet; die meisten sind entweder in der Überführung zum Hochwald oder , wie bis in die 1990er Jahre hinein häufig praktiziert, in Nadelholzbestände umgewandelt. Die durchgewachsenen oder überführten Bestände sind heute (2005) zum Großteil zwischen 50 und 80 Jahren alt. Baumartenzusammensetzung und Krautflora werden sich in den überführten Beständen, je nach Standort und Bewirtschaftung, in den meisten Fällen langfristig verändern.
In manchen Gebieten wird die Beibehaltung oder Wiederaufnahme des Niederwaldbetriebes gefördert, um diese historische Waldnutzungsform und ihre typische Vegetation auf begrenzter Fläche zu erhalten. Ein Beispiel dafür ist der Niederwald in Teilen des Jasmund-Nationalparks auf der Ostseeinsel Rügen. Hier ist die vorherrschende Baumart die Hainbuche, die nur aufgrund der besonders günstigen klimatischen und Bodenverhältnisse an dieser Stelle zum Stockaustrieb in der Lage ist.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Hochwald, Mittelwald, Kernwuchs
- Rodungsname, zur Toponomastik (Ortsnamenskunde)
[Bearbeiten] Literatur
- Richard B. Hilf: Der Wald. Wald und Weidwerk in Geschichte und Gegenwart - Erster Teil [Reprint]. Aula, Wiebelsheim 2003, ISBN 3-494-01331-4
- Hans Hausrath: Geschichte des deutschen Waldbaus. Von seinen Anfängen bis 1850. Schriftenreihe des Instituts für Forstpolitik und Raumordnung der Universität Freiburg. Hochschulverlag, Freiburg im Breisgau 1982, ISBN 3-8107-6803-0
- Erwin Manz: Linksrheinische Niederwälder. Zeugen einer historischen Waldnutzungsform. (Rheinische Landschaften; 44). Neusser Druck und Verlag, Neuss 1995, ISBN 3-88094-780-5
- ders: Vegetation und standörtliche Differenzierung der Niederwälder im Nahe- und Moselraum. (Pollichia-Buch; 28). Pollichia, Bad Dürkheim 1993, ISBN 3-925754-27-X
- Wilhelm Müller-Wille: Der Niederwald in Westdeutschland, in: Beiträge zur Forstgeographie in Westfalen. (Spieker , 27), S. 7-38. Geographische Kommission für Westfalen, Münster 1980