Psalm 23
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Der 23. Psalm, auch als Hirtenpsalm oder Psalm vom guten Hirten bezeichnet, gehört zu den bekanntesten Bibeltexten. Obwohl seine Bilder in der altorientalischen Viehzüchtergesellschaft wurzeln, spricht er offensichtlich auch den Menschen der Moderne unmittelbar an und leiht ihm die Worte für das Bekenntnis einer persönlichen Glaubensüberzeugung.
Er ist Teil des jüdischen Psalters und ein weit verbreitetes liturgisches Gebet im Christentum. Da es aus den Psalmen der Bibel übersetzt wurde, ist der deutsche Wortlaut nicht festgelegt. In der evangelischen Liturgie hat sich jedoch der Wortlaut aus der Luther-Übersetzung durchgesetzt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Der Text des Psalm 23
Der Textbefund des 23. Psalms gilt als außerordentlich günstig. Es liegen in den alten Handschriften keine wesentlichen Abweichungen vor. Viele christliche deutsche Übersetzungen weichen allerdings in Vers 6 vom Wortlaut der Hebräischen Bibel ab, wo von "zurückkehren" (hebr. schuv) und nicht von "bleiben" die Rede ist.
[Bearbeiten] Übersetzung nach Schlachter
- Ein Psalm Davids. Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
- Er weidet mich auf grünen Auen und führt mich zu stillen Wassern.
- Er erquickt meine Seele; er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
- Und wenn ich auch wanderte im finsteren Todestal, so fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und dein Stab, die trösten mich.
- Du bereitest vor mir einen Tisch angesichts meiner Feinde; du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, mein Becher fließt über.
- Nur Güte und Gnade werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Haus des Herrn immerdar.
[Bearbeiten] Nach der Übersetzung von Martin Luther
(revidierte Fassung von 1984)
- Ein Psalm Davids. Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
- Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
- Er erquicket meine Seele und führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
- Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
- Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
- Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.
[Bearbeiten] Verdeutschung durch Martin Buber (1962)
Ein Harfenlied Dawids.
- ER ist mein Hirt,
- mir mangelts nicht.
- Auf Grastriften
- lagert er mich,
- zu Wassern der Ruh
- führt er mich.
- Die Seele mir
- bringt er zurück,
- er leitet mich
- in wahrhaftigen Gleisen
- um seines Namens willen. -
- Auch wenn ich gehn muss
- durch die Todschattenschlucht,
- fürchte ich nicht Böses,
- denn du bist bei mir,
- dein Stab, deine Stütze -
- die trösten mich.
- Du rüstest den Tisch mir
- meinen Drängern zugegen,
- streichst das Haupt mir mit Öl,
- mein Kelch ist Genügen.
- Nur Gutes und Holdes
- verfolgen mich nun
- alle Tage meines Lebens,
- ich kehre zurück
- zu DEINEM Haus
- für die Länge der Tage.
[Bearbeiten] Deutsche Einheitsübersetzung
- Ein Psalm Davids.
Der Herr ist mein Hirte,
nichts wird mir fehlen. - Er lässt mich lagern auf grünen Auen
und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. - Er stillt mein Verlangen;
er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. - Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht,
ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und
dein Stab geben mir Zuversicht. - Du deckst mir den Tisch
vor den Augen meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl,
du füllst mir reichlich den Becher. - Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang
und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit.
[Bearbeiten] Verfasser
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Als seinen Dichter gibt der Psalm 23 David (Hebräisch: דָּוִד; Deutsch: der Geliebte) an. Gemeint ist der zweite König Israels, der um 1000 vor Christus die Regierungsgeschäfte führte und unter den israelitischen Königen eine herausragende Stellung einnimmt. In seiner Jugend war David ein Hirtenjunge; seine spätere Aufgabe als König empfand er im übertragenen Sinne ebenfalls als Hirtendienst.
Für die meisten Exegeten (die z.B. mit der historisch-kritischen Auslegung arbeiten) spricht im Allgemeinen die Datierung des Psalters und im Besonderen der letzte Vers des 23. Psalms gegen eine Verfasserschaft Davids; hier ist vom "Haus des Herrn" die Rede, womit der Jerusalemer Tempel gemeint sei. Dieser ist aber erst während der Regierungszeit des Davidssohnes Salomo gebaut worden. Einige Befürworter der Verfasserschaft Davids weisen jedoch darauf hin, dass mit dem Begriff "Haus" auch "Familie" und "Sippe" gemeint sein kann. Die meisten Leser und Beter dieses Psalms berührt die Autorenfrage jedoch in der Regel nicht.
[Bearbeiten] Gattung und "Sitz-im-Leben"
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Im christlichen Kontext wird Psalm 23 heute meist als individuelles Vertrauenslied verstanden. Wo sich sein ursprünglicher "Sitz-im-Leben" befand, lässt sich nur schwer ausmachen. Die Mehrheit der Ausleger tendiert angesichts der Verse 5 und 6 zu der Annahme, dass der Psalm 23 seinen ursprünglichen Platz im Tempelgottesdienst hatte. Zu denken sei dabei an ein Gemeindelied, das JHWH als den Hirten Israels besang (vgl. Psalm 80,2).
Willy Schottroff meint, dass der Wortlaut ursprünglich auf ein Lob- und Danklied eines Flüchtlings im Jerusalemer Tempelasyl weist. Die individuelle Erfahrung wurde im Psalter Israels aufbewahrt und wurde so zu einem wirklichen Volkslied. Weil Israel sich mit dem Ich gemeint weiß, ist dieser Psalm und sind die Psalmen Teil der Tradition und des Gebetbuches Israels.[1]
Dagegen spricht nach Meinung einiger Ausleger die sehr persönlich gehaltenen Formulierungen des Hirtenpsalms. Diese lasse eher auf eine private Andacht als ursprünglichen Ort des Psalms vom guten Hirten schließen.
[Bearbeiten] Anmerkungen zum Inhalt
Im 23. Psalm spiegelt sich nach verbreiteter christlicher Interpretation die tiefe Beziehung eines Einzelnen zu Gott, der mit dem Namen JHWH (Luther-Übersetzung: Herr; Bubers Verdeutschung: ER; Zunz Wiedergabe der Ewige) identifiziert wird. Damit wird gewissermaßen unter der Hand auch ein Bekenntnis gegen andere Götter und Mächte formuliert: JHWH (und eben kein anderer Gott) ist der Hirte des Psalmisten.
Mit dem Begriff „Hirte“ werden im Alten Orient verschiedene Herrscher bezeichnet. Der Titel ist ab 3000 vor Chr. im Zweistromland für Herrscher nachweisbar. Hirte im Gegenüber zu Herdenviel ist eine aus der Umwelt Israels bekannte Metaphorik, die auch in der Bibel Verwendung findet z. B. für David (2 Samuel 24,17), für den erwarteten messianischen Herrscher (Ezechiel 34,23f; Sacharja 13,7), für Mose (Jesaja 63,11), für spätere Führer in Israel (Jesaja 56,11; Jeremia 2,8; 3,15 u.ö.; Micha 5,4), aber auch für fremde Herrscher wie den Perserkönig Kyros (Jes 44,28). Auch Gott selbst wird als Hirte bezeichnet oder mit jemand verglichen, wer „weidet“, d.h. regiert (Genesis 48,15; Jesaja 40,11; Jeremia 31,10). Demgegenüber erscheint dann Israel als Gottes Herde (Psalm 77,21). Wenn Gott also in Psalm 23 weidet wie ein Hirte, dann ist damit keine romantische Vorstellung vom Hirtenleben auf dem Felde angesprochen und es wird nicht an einen Beruf armer und verachteter Leute gedacht. Sondern hier geht es um einen Herrschaftstitel. Demgegenüber sind die Untertanen das Herdenvieh. Eingeschlossen ist dabei immer – so zeigen es auch die Quellen aus der damaligen Umwelt Israels: 1. ein legitimer Anspruch auf Herrschaft und Führung 2. die Pflicht für Schutz und Ordnung zu sorgen 3. die anvertrauten Menschen mit Speise und Trank reichlich zu versorgen.
Ludwig Köhler deutete die Bildersprache des Psalms 23 vor dem Hintergrund des Weidewechsels. In der orientalischen Landschaft existieren nur "insulare" Weideflächen. Ist die Wiese abgegrast, muss die Herde zum nächsten Weideplatz geführt werden. Zwischen den einzelnen "grünen Auen" liegen oft gefährliche Wege ("und ob ich schon wanderte im finsteren Tal"). Die Qualität eines Hirten erweist sich vor allem darin, seine Herde "auf rechter Straße zu führen". Der Psalmist vertraut seinem Hirten völlig und weiß sich sogar in der "Todesschattenschlucht" (Martin Buber; Luther: "im finsteren Tale") bei ihm geborgen. Allein das Erblicken des spezifischen Hirtenstabs (jeder Hirte hatte einen besonders geschnitzten Stab) ermutigt und hilft gegen die Angst.
Merkwürdig in diesem Zusammenhang ist der plötzliche Wechsel der Form in Vers 4: Aus dem Reden über den guten Hirten wird beim Stichwort "Todesschattenschlucht" das Reden mit ihm. Aus dem "Er" entwickelt sich unvermittelt das "Du", aus einem Bekenntnis zu JHWH als dem guten Hirten wird ein Gebet: "... denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich."
In den Versen 5 und 6 wird das Bild von Hirte und Schaf plötzlich durchbrochen. JHWH erscheint als der Gastgeber, der "den Tisch im Angesicht der Feinde" deckt, dem Psalmdichter kräftig (voll) einschenkt und ihn dabei - wie bei einen vornehmen Gast üblich - mit Salböl übergießt.
Einige Ausleger haben deshalb angenommen, dass hier zwei ursprünglich eigenständige Psalmen miteinander kombiniert worden sind: "JHWH, der gute Hirte" und "JHWH, der freundliche Gastgeber". Andere bestreiten dies. Wie dem auch sei: In der Kombination der beiden Bilder offenbart sich biblischer Humor: Wer kennt ein Schaf, das sich an den Tisch seines Hirten setzen darf und von diesem rundum bedient wird? Und welches Schaf darf mit seinem Hirten unter einem Dach wohnen? Die Antwort muss lauten: In der Welt der Hirten und Schafe gibt es so etwas nicht, wohl aber bei dem, dessen Hirte JHWH ist.
Der Vers 6 bietet eine weitere interessante Aussage: "Nur Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen alle Tage meines Lebens ..." Der Psalmist erwartet also nicht, dass er Zeit seines Lebens auf "Gutes und Barmherzigkeit" stößt. Das würde auch der Erfahrung der "Todesschattenschlucht" und der Begegnung mit den Feinden (Vers 5) widersprechen. Schlicht und einfach formuliert lautet seine tiefe Überzeugung: Was immer mir auch auf meinem Weg begegnet, Gottes Güte bleibt mir auf den Fersen. Die Dimension dieses Glaubens wird deutlich, angesichts der Tatsache, dass dieser Psalm nicht nur in christlichen Gottesdiensten laut wird, sondern auch nach der Shoa im Judentum weiter gesungen wird.
[Bearbeiten] Wirkungsgeschichte
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- W. Philipp Keller: Psalm 23 - aus der Sicht eines Schafhirten, Asslar 1993 (22. Auflage), ISBN 3-89437-295-8
- Charles Haddon Spurgeon: Aus der Schatzkammer Davids, Bd III: Die Botschaft von Vertrauen und Errettung in Psalmen (Neubearbeitung), Kassel 1964, S. 18ff
- Ton Veerkamp, Das Lied: Er ist mein Hirt, in: Texte & Kontexte Exegetische Zeitschrift Nr. 8, 3. Jg. 2/1980 S. 4-21
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Willy Schottroff, Psalm 23, in: Willy Schottroff, Wolfgang Stegemann Hrsg., Traditionen der Befreiung Bd. 1, München 1980 S. 78-113 ISBN 3-459-01316-8