Ramanstreuung
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Ramanstreuung (auch Raman-Effekt, benannt nach C. V. Raman) ist elastische Lichtstreuung. Einfallendes Licht trifft auf einen Streuer und regt Bindungen an. Die angeregten Bindungen kehren durch die Abstrahlung von Licht wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurück. Die Frequenz des abgestrahlten Lichtes ist die gleiche wie die des eingestrahlten Lichtes.
Die Theorie der Ramanstreuung beschreibt das Experiment folgendermaßen: Ein Photon der Energie trifft auf den Streuer und erzeugt (oder vernichtet) dort eine Anregung der Energie Eexc. Die übrigbleibende Energie Ei − Eexc verlässt als Photon der Energie Es wieder den Streuer.
Bei dem Streuer kann es sich z.B. um ein Molekülgas handeln. Dann sind die möglichen Anregungen durch Molekülschwingungen, Moleküldrehungen oder Anregungen einzelner Atome gegeben.
Handelt es sich bei dem Streuer um einen kristallinen Festkörper, sind typische Anregungen Gitterschwingungen (Phononen), Elektron-Loch-Anregungen oder Spinflip-Prozesse.
Oben wurde die Erzeugung einer Anregung beim Streuprozess erwähnt. Zusätzlich zur Raman Streuung kann der Stokes-Prozess auftreten. In diesem Fall ist die Wechselwirkung zwischen Licht und angeregter Bindung inelastisch. Man betrachtet diese W.W. in Form von Stößen zwischen Photonen (das Licht als Partikel) und den Bindungen(des Streuers). Trifft das Photon auf eine angeregte Bindung und regt diese an, kann diese Bindung durch Abstrahlung von Licht in den Grundzustand zurückkehren. Das dabei ausgesendete Photon besitzt mehr Energie als das Photon, mit dem die W.W. stattfand. Aus diesem Stoß resultiert die sogenannte Anti-Stokes-Bande. Umgekehrt kann das Photon auf eine Bindung im Grundzustand treffen und diese anregen. Kehrt die Bindung durch Abstrahlung dann in einen angeregten Zustand zurück, besitzt das abgestrahlte Photon eine geringere Energie als das eingestrahlte Photon. Hier resultiert die sogenannte Stokes-Bande.
Bei endlicher Temperatur befindet sich der Streuer nicht im Grundzustand, es sind also Anregungen vorhanden. Beim Anti-Stokes-Prozess verursacht das einfallende Licht die Rekombination der Anregung. Das gestreute Licht hat daher mehr Energie (bzw. ist höherfrequenter) als das einfallende Licht.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Phonon-Ramanstreuung
Phonon-Ramanstreuung bezeichnet die elastische Lichtstreuung an optischen Gitterschwingungen (optischen Phononen) in Kristallen. Die Streuung an akustischen Phononen nennt man Brillouin-Streuung.
Der Zustandsraum der Phononen im kristallinen Festkörper kann durch die Phonon-Bandstruktur veranschaulicht werden. Es handelt sich dabei um Energieflächen im Raum der Wellenzahlen. Ein Festkörper aus N Atomen mit r-atomiger Basis besitzt im Dreidimensionalen 3r Dispersionszweige mit je N Schwingungszuständen, also insgesamt 3Nr Schwingungsmodi. Diese 3r Dispersionszweige teilen sich in 3 akustische Zweige und 3r-3 optische Zweige auf. Für akustische Phononen verschwindet die Frequenz im Grenzfall langer Wellenlängen linear, die Steigung ist durch die Schallgeschwindigkeit gegeben. Optische Phononen haben dagegen eine feste endliche Frequenz im Grenzfall langer Wellenlängen.
Da die Wellenlänge von sichtbarem Licht deutlich größer ist (mehrere Potenzen) als der Atomabstand im Festkörper, bedeutet dies im reziproken Raum, dass die Anregung von Gitterschwingungen durch Licht nahe am Γ-Punkt stattfindet. Das hat zur Folge, dass der Impulsübertrag nur sehr klein ist. Eine Anregung von mehreren Phononen, deren Gesamtimpuls nahe Null ist, ist ebenfalls möglich (Mehrphononenprozess). Ein Beispiel ist die Anregung von zwei entgegengesetzt laufenden transversal-akustischen Phononen am X-Punkt (2TAX), deren Energien sich addieren. Ihr Gesamtimpuls ist aber null.
[Bearbeiten] Physikalische Beschreibung
Zur Berechnung der Wechselwirkung von Materie und Licht dient der Ramantensor , der den Zusammenhang der Streuintensität von der Polarisation des eingestrahlten Lichts und des gestreuten Lichts beschreibt:
Da und experimentell frei wählbar sind, bestimmt allein der Ramantensor das Streuverhalten. Er wird sowohl durch die Symmetrie des Festkörpers (bzw. Moleküls) als auch durch die Symmetrie der Gitterschwingung (bzw. Molekülschwingung) vorgegeben. Entscheidend ist hier die Kenntnis der Punktgruppen und der möglichen Symmetrieoperationen.
Mit Hilfe des Ramantensors lassen sich die Raman-Auswahlregeln bestimmen.
[Bearbeiten] Ramanstreuung in Plasmen
Während man in der Atom- und Molekülphysik unter dem Ramaneffekt meist die inelastische Streuung von Licht an Gitterschwingungen versteht, meint man in der Plasmaphysik damit die Streuung an Plasmawellen. In der Vorwärtsrichtung sieht man im Spektrum zwei spektrale Seitenbänder mit den Frequenzen , wobei
die Plasmafrequenz ist (n ist die Elektronendichte (Anzahl pro Volumen), me die Elektronenmasse). In Rückwärtsrichtung sieht man meistens nur die Laserfrequenz ωL und die Stokesfrequenz ωS = ωL − ωp. Das Licht verstärkt die Plasmawelle während des Streuprozesses (Raman-Instabilität). Das Plasma wird dabei aufgeheizt. Die Formel gilt für die Plasmafrequenz im freien Plasma. Für ein Elektronengas im metallischen Festkörper gilt:
εRumpf stellt dabei die Dielektrizitaetskonstante des Ionenrumpfes des Metallkristalls dar, m * die Effektive Masse.
[Bearbeiten] Der Resonanz Raman-Effekt
Wenn die Frequenzen, die im Streuprozess involviert sind, resonant sind mit einem elektronischen Übergang im Molekül ist die Streueffizienz um 2 bis 3 Größenordnungen erhöht.
[Bearbeiten] Der Oberflächenverstärkte Raman-Effekt (SERS = surface enhanced Raman-scattering)
Raman-Streuung von Molekülen besitzt einen sehr kleinen Streuquerschnitt (ca. 10 − 20cm − 1), so dass man eine relative hohe Konzentration an Molekülen benötigt, um ein detektierbares Signal zu erhalten. Ramanspektren einzelner Moleküle sind so nicht möglich.
Wenn sich das Molekül aber nahe einer metallischen Oberfläche (vor allem Kupfer, Silber und Gold) befindet, kann das Raman-Signal extrem verstärkt werden. Hierbei werden zwei Mechanismen diskutiert.
- Bei der chemischen Verstärkung bildet das Molekül einen Komplex, welcher neue Energieniveaus gegenüber dem Molekül besitzt. Angeregte Elektronen können vom Metall zum Molekül und zurück springen und dabei das Molekül in einem angeregten Schwingungszustand zurücklassen. Man spricht auch von einem vorübergehenden Ladungsübergang. Es werden Verstärkungen bis zu 102 angegeben. Damit sich ein Komplex bilden kann, wird eine chemische Bindung zwischen Metall und Molekül benötigt, d.h. das Molekül muss an der Oberfläche adsorbiert sein.
- Die elektromagnetische Verstärkung beruht auf Anregung von Plasmonen im Metall, welche an Spitzen an der Oberfläche oder in Partikeln lokal sehr hohe Felder erzeugen kann. Dieses Feld zusammen mit dem einfallenden Licht regen das Molekül an und führen so zu einer verstärkten Raman-Streuung. Es werden Verstärkungen 106 bis 1010 diskutiert. Über der Oberfläche fällt dieser Effekt rasch ab (ca. mit Abstand − 9), aber das Molekül braucht nicht an der Oberfläche gebunden zu sein.
Wenn beide Effekte zusammen mit dem Resonanz-Raman-Effekt wirken, ist es möglich, Ramanspektren einzelner Moleküle zu detektieren.
Literatur:
- "Nanoscale surface enhanced resonance Raman scattering spectroscopy of single molecules on isolated silver clusters", A.J. Meixner, T. Vosgröne, M. Sackrow J. Lumin. 94-95 (2001), 147 - 152
- "Untersuchungen zum oberflächenverstärkten Raman-Effekt auf Einzelmolekülebene. Siegen, Univ., Diss., 2004" [1]
[Bearbeiten] Abgrenzung
Streuung von hochenergetischen elektromagnetischen Wellen (mind. Röntgenstrahlung) an freien (bzw. quasifreien) Elektronen bezeichnet man als Compton-Streuung (Compton-Streuung ist ein Beweis dafür, dass elektromagnetische Wellen aus Photonen bestehen). Hier handelt es sich ebenfalls um inelastische Lichtstreuung. Bei dem Streuprozess wird Energie auf das Elektron übertragen: Dessen Impuls vergrößert sich. Bei kleineren Energien des einfallenden Lichtes ist der Impulsübertrag vom streuenden Licht auf das Elektron vernachlässigbar. Die Streuung ist dann elastisch und heißt Thomson-Streuung.
[Bearbeiten] Anwendung
Die Ramanstreuung bildet die Grundlage für die Ramanspektroskopie zur Untersuchung von Materialeigenschaften wie Kristallinität, Orientierung, Zusammensetzung, Verspannung, Temperatur, Dotierung usw.