Rechtsbehelf
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Ein Rechtsbehelf ist jede, auch frist- oder formlose, rechtlich anerkannte Möglichkeit, gegen eine Entscheidung oder einen nachteiligen Rechtszustand mit dem Ziel der Aufhebung oder Abänderung vorzugehen. Ein Rechtsbehelf mit Suspensiveffekt und Devolutiveffekt wird als Rechtsmittel bezeichnet. Ausgehend vom lateinischen appellare also anrufen, anfechten, sich an ein anderes Organ wenden, werden in den meisten Rechtssystemen unter dem Begriff der Appellation alle Rechtsbehelfe zusammengefasst oder spezifische geregelt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Einzelne Rechtsbehelfe
[Bearbeiten] Förmliche Rechtsbehelfe
[Bearbeiten] Rechtsmittel
- Berufung / Appellation: Die Überprüfung einer Entscheidung in einem weiteren Erkenntnisverfahren, also mit der Möglichkeit neue Beweise einzuführen neben der Überprüfung auf Rechtsfehler, → Appellationsgericht
- Revision: die Überprüfung einer Entscheidung
- beschränkt auf Rechtsfehler
- mit oder ohne Selbstentscheidungsbefugnis des Revisionsorgans
- Kassation: Die Überprüfung einer Entscheidung auf Rechtsfehler ohne Selbstentscheidungsbefugnis, wobei in manchen Rechtsordnungen wie etwa Frankreich eine strikte Umfangsbegrenzung durch den Kassationsantrag herrscht (tantum devolutum, quantum appellatum - [nur] so weit übertragen wie angefochten). Üblich auch in Belgien und Bulgarien. Die Kassation bezeichnet auch eine Entscheidungstechnik, → kassatorische Entscheidung.
- Superrevision: Revision der Revision
- Rekurs: Sammelbegriff für devolutive Rechtsbehelfe, gerichtet an eine andere Organisationsebene wie Ministerium, Regierung oder Gericht,
- in Deutschland nicht mehr üblich,
- in Österreich für Rechtsmittel gegen Beschlüsse, also entscheidungsformabhängig,
- in der Schweiz insbesondere in Steuersachen,
- in Italien gleichbedeutend mit Appellation
[Bearbeiten] Sonstige förmliche Rechtsbehelfe
- Einspruch / Widerspruch / Einsprache: Rechtsbehelf gegen öffentlich-rechtliche Entscheidungen auf verwaltungsinterne Überprüfung auf Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit
- auch im Zivilprozess bei Entscheidungen mit öffentlich-rechtlichen Aspekten (etwa Zwangsvollstreckung) oder bei spezifischen Verfahren wie etwa Versäumnisurteil
- in Österreich ausschließlich "Einspruch": Rechtsmittel sowohl im gerichtlichen Strafprozess (gegen bestimmte Entscheidungen) als auch gegen Strafverfügungen im Verwaltungsstrafverfahren
- Beschwerde: Sammelbegriff für Rechtsbehelfe gegen prozessuale Entscheidungen, Entscheidungen in Nebenverfahren, gegen Beschlüsse oder für außerordentliche Rechtsbehelfe (→ Verfassungsbeschwerde).
- Erinnerung: gegen bestimmte Justizverwaltungsakte
- Antrag auf richterliche Entscheidung: gegen bestimmte Entscheidungen des Rechtspflegers oder Standesbeamten
- Arrest, Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung, einer Einstweiligen Anordnung, Aussetzung der Vollziehung oder auf Anordnung der Aufschiebenden Wirkung: für vorläufigen Rechtsschutz
- Vorstellung: In Österreich Rechtsmittel gegen einen verwaltungsbehördlichen Mandatsbescheid
[Bearbeiten] Formlose Rechtsbehelfe
[Bearbeiten] Aufsichtsbeschwerden
- Fachaufsichtsbeschwerde: Anregung an die Fachaufsicht führende Behörde, zu intervenieren
- Rechtsaufsichtsbeschwerde: Anregung an die Rechtsaufsicht führende Behörde, zu intervenieren
- Dienstaufsichtsbeschwerde: Anregung an die Dienstaufsicht führende Behörde, zu intervenieren, Beschwerde gegen dienstliches Verhalten in Art und Weise
[Bearbeiten] Sonstige formlose Rechtsbehelfe
- Gegenvorstellung: für formlose Einwände jeder Art vorbringen, auch solche nicht rechtlicher Natur, gerichtet an das entscheidende Organ
- Petition: eine Eingabe an Ämter, Gerichte oder politische Institutionen in eigenen oder fremden Angelegenheiten, die auf Aufmerksamkeitsgewinnung und politische Einflussnahme abzielt, ohne Benachteiligungen befürchten zu müssen, die Petition kann auch an Organe adressiert werden, die die gerügte Entscheidung nicht getroffen haben
[Bearbeiten] Common Law
In Ländern mit einem Common Law System, also in dem gewohnheitsrechtlich etablierte Prinzipien Rahmen und Basis der Normsetzung und Gerichtsorganisation sind und neben positiv gesetztem Recht gelten, orientieren sich Rechtsbehelfe stark an Verfahren und Verfahrensziele, da Verfahren bereits materielle Entscheidungsergebnisse stark dominieren. Zu nennen sind Rechtsbehelfsverfahren, die ebenfalls gewohnheitsrechtlich etabliert sind und v.a. appellativen Charakter haben (→ Devolutiveffekt). Der Rechtsbehelfsführer zielt darauf ab, dass ein übergeordnetes Gericht den Fall übernimmt, an sich zieht und – ggf. nach Verhandlung – in seinem Sinne entscheidet:
- Appellation und Petition als allgemeine Rechtsbehelfe, wobei meist eine Appellation an ein gerichtliches gerichtet wird und eine Petition an ein politisches oder Exekutivorgan
- writ of certiorari - Kundgabe eines Gerichts, den Fall überprüfen zu wollen und meist inzidente Zulassung einer Appellation
- procedendo - Anordnung nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu verfahren, oft verbunden mit Verweisung des Falles nachdem dieser ausführlich gehört wurde
- quo warranto (lat.: mit welcher Befugnis?) - Legitimations-Appell mit dem Ziel den Adressaten vor Gericht zu zitieren, um seine Aktivlegitimation darzulegen, gilt auch für Exekutivorgane
- mandamus - gerichtliche Anordnung in qualifizierter oder allgemeiner Form, etwas zu tun, zu dulden oder zu unterlassen, die als Nebenverfahren zum Hauptfall oder isoliert betrieben werden kann; spezifische Formen sind:
- alternative mandamus - meist initiale Anordnung, wonach der Adressat entweder ein bestimmtes Verhalten (Tun, Dulden, Unterlassen) zu wahren hat oder alternativ zu einem alsbald bestimmten Termin bei Gericht zu erscheinen und Gründe gegen die Anordnung vorzutragen
- peremptory mandamus - definitive Anordnung an den Adressaten in Folge von Verzug oder nach erfolgter Anhörung seiner Rüge, sie hebt die alternative Regelung aus
- continuing mandamus - Anordnung auch an einen Dritten, meist mit Sicherungscharakter, umgehend bestimmte Maßnahmen zu treffen, um objektive Rechtsverletzungen zu vermeiden
- writ of prohibition - Zuständigkeitsrüge: zielt auf Verbot eines Gerichts an ein Organ, sich weiter mit dem Fall zu befassen und ggf. den Fall einem anderen zur Entscheidung zuzuordnen
- writ of habeas corpus - Haftprüfung
→ Hauptartikelabschnitt: Das System der Writs
[Bearbeiten] Verbot der Verschlechterung (reformatio in peius)
Aus dem Petitionsgedanken heraus sollen Rechtsbehelfe dem Petenten helfen, und er mag durch ihren Gebrauch keine Nachteile befürchten. Dies bezieht sich vor Allem auf Nachteile über die angefochtene Entscheidung hinaus. Bei einigen Rechtsbehelfen insbesondere Rechtsmitteln ist auch die nachteilige Abänderung der angefochtenen Entscheidung unzulässig und mit einem relativen Verbot der reformatio in peius abgesichert.
[Bearbeiten] Verwaltungsrecht
Verwaltungsrechtliche Entscheidungen müssen in Deutschland in der Regel mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen werden, mit der über die Anfechtungsmöglichkeiten aufgeklärt wird. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft oder fehlt sie ganz, so bewirkt dies, dass die Frist, innerhalb der die Entscheidung angefochten werden kann, nicht zu laufen beginnt, an ihre Stelle tritt eine einjährige Ausschlussfrist. Ist in der Entscheidung darauf hingewiesen worden, dass kein Rechtsbehelf möglich ist, so gibt es keine Frist, und der Rechtsbehelf kann unbegrenzt eingelegt werden.
[Bearbeiten] Österreich
In Österreich ist generell nur die Bezeichnung Rechtsmittel üblich. Entscheidungen der Verwaltungsbehörden (nicht auch der Gerichte!) müssen eine Rechtsmittelbelehrung enthalten. Die Folgen falscher oder fehlender Rechtmittelbelehrungen sind differenziert und hängen vom jeweiligen Fehler ab.
Das Verbot einer reformatio in peius kennt das allgemeine Verwaltungsverfahren in Österreich nicht: Das Berufungsorgan ist berechtigt, den angefochtenen Bescheid in jeder Richtung abzuändern, also gegebenenfalls auch zum Nachteil des Berufungswerbers. Das Verbot der reformatio in peius gilt allerdings im Verwaltungsstrafrecht.
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