Relativität der Gleichzeitigkeit
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Die Relativität der Gleichzeitigkeit ist eine aus der speziellen Relativitätstheorie folgende Aussage, dass es keine universelle Gleichzeitigkeit gibt, sondern dass die Feststellung, welche Ereignisse gleichzeitig sind, davon abhängt, in welchem Bezugssystem der Beobachter seine Berechnungen durchführt. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Gleichzeitigkeit nicht auf die Wahrnehmung der Ereignisse bezieht (also beispielsweise, wenn man räumlich näher an Ereignis 1 als an Ereignis 2 steht, dann braucht das Licht von Ereignis 1 weniger Zeit, und man sieht es daher eher), sondern um den Zeitpunkt, der sich aus der Korrektur der Wahrnehmungszeitpunkte um die (Licht-)Signallaufzeit ergibt.
Ereignisse, die für einen Beobachter gleichzeitig stattfinden, werden von einem anderen, relativ zum ersten bewegten Beobachter nicht gleichzeitig stattfinden.
Und zwar wird für ihn dasjenige Ereignis, auf das er sich (aus Sicht des ersten Beobachters) zubewegt, früher gesehen als dasjenige, von dem er sich (aus Sicht des ersten Beobachters) wegbewegt.
Dies ist keine Verletzung des Relativitätsprinzips, da umgekehrt aus seiner Sicht der erste Beobachter sich auf das für ihn spätere Ereignis zubewegt, dieser also das "frühere" Ereignis um die entsprechende Zeitspanne "verspätet" und das "spätere" Ereignis "verfrüht" sehen muss, so dass insgesamt wieder Gleichzeitigkeit herauskommt.
Dabei wird Einsteinsche Synchronisation vorausgesetzt, die durch das Hin- und Hersenden von Lichtsignalen und der Annahme gleicher Lichtgeschwindigkeit auf beiden Wegen definiert ist. Dies ist streng genommen nur eine Konvention, die aber im Falle von Inertialsystemen sehr natürlich ist und deswegen meist vorausgesetzt wird.
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[Bearbeiten] Die drei Bereiche im Minkowski-Diagramm
Dies bedeutet aber insbesondere, dass die zeitliche Reihenfolge für zwei Ereignisse von verschiedenen Beobachtern unterschiedlich beurteilt werden kann.
Die einzigen Aussagen, deren Gültigkeit nicht vom Beobachter abhängt, sind
- "Von Ereignis A erreicht man Ereignis B mit Unterlichtgeschwindigkeit",
- "Von Ereignis A erreicht man das Ereignis B mit Lichtgeschwindigkeit" und
- "Weder erreicht man Ereignis A von Ereignis B mit maximal Lichtgeschwindigkeit, noch umgekehrt."
- "Ereignis A und Ereignis B sind zur selben Zeit und am selben Ort."
Im Fall 1 gibt es ein Bezugssystem, in dem beide Ereignisse am selben Ort stattfinden, sich also nur in der Zeit unterscheiden. Daher nennt man diese Lage von Ereignissen zueinander "zeitartig".
Im Fall 2 sind die Ereignisse in keinem Bezugssystem am selben Ort oder zur selben Zeit. Diese Lage von Ereignissen zueinander nennt man "lichtartig".
Im Fall 3 gibt es ein Bezugssystem, in dem beide Ereignisse gleichzeitig stattfinden, sich also nur im Ort unterscheiden. Daher nennt man diese Lage von Ereignissen zueinander "raumartig". Nur in diesem Fall ist die zeitliche Reihenfolge der Ereignisse nicht allgemein definiert, sondern vom Beobachter abhängig.
Die Animation links demonstriert, wie sich die Minkowski-Raumzeit für einen beschleunigten Beobachter darstellt. Die durchgezogene punktierte Linie stellt dabei die Weltlinie des Beobachters dar, der sich jeweils in der Mitte des Bildes befindet. Kurven dieser Linie bedeuten eine Beschleunigung des Beobachters. Bei diesen Beschleunigungen kann man beobachten, dass Punkte der Raumzeit nach oben, also entgegen dem "Zeitfluss", laufen. Jedoch kreuzen sie dabei niemals den Lichtkegel (die Diagonallinien); dieser wird durch den Zeitablauf stets nur nach unten durchquert. Somit kann ein Punkt niemals in den Vorwärtslichtkegel eintreten (man kann durch Beschleunigung kein Ereignis in die absolute Zukunft versetzen), und niemals den Rückwärtslichtkegel verlassen (man kann Ereignisse durch Beschleunigung nicht aus der absoluten Vergangenheit herausholen).
Insbesondere sieht man auch, dass die Weltlinie des Beobachters stets innerhalb des Lichtkegels verläuft. Ereignisse, die der Beobachter erreichen wird bzw. erreicht hat, liegen stets in seiner absoluten Zukunft bzw. Vergangenheit; die Reihenfolge dieser Ereignisse lässt sich durch Beschleunigung nicht verändern, insbesondere kann er vergangene Ereignisse nicht zu zukünftigen Ereignissen machen.
[Bearbeiten] Kausalität
Da die Reihenfolge raumartiger Ereignisse vom Beobachter (bzw. von dessen Bewegungszustand) abhängt, würde die Möglichkeit, dass eines der beiden Ereignisse das andere beeinflussen kann, zu Problemen mit der Kausalität führen. Denn wenn im einen Bezugssystem Ereignis A vor Ereignis B kommt, im anderen Bezugssystem jedoch Ereignis B vor Ereignis A, dann folgt daraus, dass sowohl A Ursache von B, als auch B Ursache von A sein kann. Damit lassen sich Paradoxien konstruieren der Form, dass ein Ereignis sich selbst verhindert. Ebenso bedeutet dies, dass Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit gleichzeitig Zeitreisen erlauben würden (man reist von A zum späteren Ereignis B, dann wechselt man durch normale Beschleunigung in ein Bezugssystem, in dem A später als B stattfindet, und reist wiederum mit Überlichtgeschwindigkeit von B zu einem Ereignis vor A).
Nur zeitartig oder lichtartig zueinander gelegene Ereignisse können sich daher ohne Kausalitätsprobleme gegenseitig beeinflussen, wobei hier die zeitliche Reihenfolge und damit Ursache und Wirkung festliegen. Daher wird generell angenommen, dass Überlichtgeschwindigkeit nicht möglich ist, zumal die Relativitätstheorie auch nicht erlaubt, einen Körper von Unterlichtgeschwindigkeit auf Überlichtgeschwindigkeit zu beschleunigen.
[Bearbeiten] Allgemeine Relativitätstheorie
In der allgemeinen Relativitätstheorie ist die Gleichzeitigkeit selbst für einen einzelnen Beobachter nicht eindeutig definiert. Das hat insbesondere zur Folge, dass Aussagen wie "etwas passiert jetzt im Andromeda-Nebel" sinnlos sind.
Für menschliche Verhältnisse spielt dieser Effekt jedoch keine Rolle: Selbst wenn man auf dem Mount Everest stünde und aufs Meer hinaus sehen könnte, wäre für den gesamten sichtbaren Bereich der Erdoberfläche bis zum Horizont die Relativität der Gleichzeitigkeit auf einen Bereich von wenigen Millisekunden beschränkt – unterhalb der Schwelle, ab der wir überhaupt in der Lage sind, die Reihenfolge von Ereignissen aufzulösen, und unterhalb der Schwelle, ab der wir optische Eigenschaften überhaupt als nicht gleichzeitig wahrnehmen können. Für die Alltagserfahrung ist also das Licht stets unendlich schnell und die Gleichzeitigkeit wohldefiniert.
[Bearbeiten] Weblinks
Video aus einer Vorlesung der Universität Tübingen über die Relativität der Gleichzeitigkeit
[Bearbeiten] Literatur
Wikibooks: A. Einstein: Kommentare und Erläuterungen: Zur Elektrodynamik bewegter Körper – Lern- und Lehrmaterialien |
- P. Mittelstaedt, Der Zeitbegriff in der Physik, 1980, ISBN 3411015853
- H. Reichenbach, Axiomatik der relativistischen Raum-Zeit-Lehre, Vieweg, Braunschweig, 1924
- H. Reichenbach, Philosophie der Raum-Zeit-Lehre de Gruyter, Berlin & Leipzig, 1928