Rudolf Borchardt
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Rudolf Borchardt (* 9. Juni 1877 in Königsberg; † 10. Januar 1945 in Trins bei Steinach in Tirol) war ein deutscher Schriftsteller, Lyriker und Übersetzer.
Rudolf Borchardt ist dank seiner Sprachmacht, aber auch infolge selbstgewählter Isolation unter den Dichtern des 20. Jahrhunderts ein Solitär geblieben, ein „poeta doctus“ mit höchstem Anspruch an sich und andere. Der Sohn eines ostpreußischen Handelsherrn jüdischer Herkunft wurde geprägt vom Studium der Altertumswissenschaft in Bonn und Göttingen wie durch die Dichtungen Georges und Hofmannsthals. Nach Jahren der Reisen und Krisen von 1903 an in der Toskana ansässig, entwickelte der virtuose Lyriker eine umfassende Vision vom Kosmos alteuropäischer Überlieferung. Im Zentrum stehen gleichrangig die Antike und Dante, für dessen Göttliche Komödie Borchardt in jahrzehntelanger Arbeit ein eigenes Deutsch ersann - "Schöpferische Restauration" aus der erneuernden Kraft der Poesie. Epen wie Das Buch Joram und der ritterlich gewandete Durant, aber auch Dramen, landschaftshistorische Essays (Villa, Pisa), selbst Gegenwartsnovellen sollen Muster angewandter Formgeschichte sein. Zahlreiche Übersetzungen und Anthologien für die "Bremer Presse", darunter der Ewige Vorrat deutscher Poesie (1926), beruhen ebenso auf philologischer Divination. Allianzen - so schon die Mitarbeit an der Zeitschrift "Die Insel" - waren kaum je von Dauer; der peremptorische Gestus des Dichters gefährdete oft selbst enge Freundschaften wie die zu Hugo von Hofmannsthal und Rudolf Alexander Schröder. Auch Tagesprosa und Reden, mit denen er in der Weimarer Republik für sein nationalkonservatives Bild der poetisch-politischen Tradition warb, blieben von geringer Wirkung; nach 1933 versiegten die Publikationsmöglichkeiten fast völlig. Erst postum konnten die zeitkritischen Jamben (1935) und das Blumenbuch Der leidenschaftliche Gärtner, letzter Ausdruck seiner Kulturvision, erscheinen. Seit 1955 zeigt eine Werkausgabe, seit 1994 eine Briefedition Borchardts Ingenium; die Zahl seiner Leser wächst. Viele Lebens- und Werkbezüge harren aber noch der Erschließung.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Kontroverse Meinungen über Rudolf Borchardt
"Deutlich kommt in Borchardts Schriften sein konservatives Denken zum Ausdruck. Ihn jedoch nur als Vertreter einer konservativen Revolution zu bezeichnen, greift zu kurz. Bereits in der Zeit des Ersten Weltkriegs fiel er durch seine blutrünstige Kriegspropaganda auf, in der er die Vernichtung der europäischen Zivilisation forderte. Später wurde er zu einem Anhänger des italienischen Faschismus. In dem Pamphlet Führung forderte er auch einen deutschen Faschismus." (Fritz Brügel 1937 in seiner Rezension von Borchardts Roman "Vereinigung durch den Feind hindurch")
"Die Widersprüche durchdringen sich bei Borchardt, werden nicht geschlichtet; ihn bestätigt, daß er den Konflikt bis zum Untergang austrug. Die Borchardtsche Position des Dichters ist eine umzingelte Festung; er war cornered, wie es in der Sprache hieße, die er liebte: sein Werk ausweglos, aporetisch. Daß es die eigene Unmöglichkeit gestaltet, ist das Echtheitssiegel seiner Moderne." (Theodor W. Adorno 1968 in der Einleitung zu seiner Auswahl von Gedichten Borchardts)
[Bearbeiten] Werke
- Zehn Gedichte. 1896
- Rede über Hofmannsthal. 1905
- Villa. Prosa. 1908
- Jugendgedichte. 1913
- Der Krieg und die deutsche Selbsteinkehr. Rede öffentlich gehalten am 5. Dezember 1914 zu Heidelberg. Die Argonauten Achtes Heft 1915
- Ewiger Vorat deutscher Poesie. Anthologie., hrsg. von Borchardt 1926
- Das hoffnungslose Geschlecht. Erzählungen. 1929
- Pamela. Komödie. 1934
- Volterra. Prosa 1935
- Vereinigung durch den Feind hindurch. Roman. 1937
- Gesammelte Werke in Einzelausgaben. 14 Bände. Klett-Cotta, Stuttgart 1956-1990
- Leben von ihm selbst erzählt. Suhrkamp Frankfurt/Main 2002. ISBN 351822350X
- "Anabasis" - Aufzeichnungen, Dokumente, Erinnerungen 1943-1945, hrsg. von Cornelius Borchardt in Verbindung mit dem Rudolf Borchardt Archiv, München Wien (Edition Tenschert bei Hanser) 2003. ISBN 3446203850
[Bearbeiten] Literatur
- Rudolf Borchardt - Verzeichnis seiner Schriften. Bearbeitet von Ingrid Grüninger. München: Hanser 2002. ISBN 3-446-18033-8
- Werner Kraft: Rudolf Borchardt. Welt aus Poesie und Geschichte. Hamburg: Claassen 1961.
- Rudolf Borchardt, Alfred Walter Heymel, Rudolf Alexander Schröder. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum, Marbach am Neckar 1978. Ausstellung und Katalog: Reinhard Tgahrt (u.a.). München: Kösel 1978. (Sonderausstellungen des Schiller-Nationalmuseums. 29)
- Rudolf Borchardt, 1877-1945. Referate des Pisaner Colloquiums. Hrsg. von Horst Albert Glaser in Verbindung mit Enrico de Angelis. Frankfurt am Main: Lang 1987. (Akten internationaler Kongresse auf den Gebieten der Ästhetik und der Literaturwissenschaft. 4) ISBN 3-8204-0940-8
- Kai Kauffmann: Rudolf Borchardt und der "Untergang der deutschen Nation". Selbstinszenierung und Geschichtskonstruktion im essayistischen Werk. Tübingen: Niemeyer 2003. ISBN 3-484-18169-9
- Alexander Kissler: "Wo bin ich denn behaust?". Rudolf Borchardt und die Erfindung des Ichs. Göttingen: Wallstein 2003. ISBN 3-89244-631-8
- Das wilde Fleisch der Zeit. Rudolf Borchardts Kulturgeschichtsschreibung. Hrsg: Kai Kauffmann. Stuttgart: Klett-Cotta 2004. ISBN 3-608-93357-3
- Franck Hofmann: Sprachen der Freundschaft. Rudolf Borchardt und die Arbeit am ästhetischen Menschen. München: Fink 2004. ISBN 3-7705-3935-4
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Rudolf Borchardt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Rudolf Borchardt Archiv
- Rudolf Borchardt-Gesellschaft
- Rudolf Borchardt und die Literaturkritik
- Nachlaß im Literaturarchiv Marbach
Personendaten | |
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NAME | Borchardt, Rudolf |
KURZBESCHREIBUNG | Deutscher Schriftsteller, Lyriker und Übersetzer |
GEBURTSDATUM | 9. Juni 1877 |
GEBURTSORT | Königsberg |
STERBEDATUM | 10. Januar 1945 |
STERBEORT | Trins bei Steinach in Tirol |