Scheimpflugsche Regel
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Die Scheimpflugsche Regel oder Scheimpflug-Bedingung ist eine der zwei Bedingungen, welche bei der Fotografie eingehalten werden müssen, damit das Bild scharf ist. Sie wurde 1907 von dem österreichischen Offizier und Kartographen Theodor Scheimpflug (1865 — 1911) entwickelt.
Die Regel besagt, dass sich die Bild-, Objektiv- und Schärfeebene in einer gemeinsamen Schnittgeraden schneiden müssen, damit alle Objekte der Schärfeebene (auch Projektions-, Objekt- oder Gegenstandsebene genannt) auf der Bildebene scharf abgebildet werden. Die zweite Bedingung ist die Abbildungsgleichung der Optik, wonach für jeden Punkt, der scharf abgebildet werden soll, die folgende Bedingung erfüllt sein muss:
(mit a = Gegenstandsweite, a' = Bildweite und f = Brennweite des Objektives)
Bei einem üblichen Fotoapparat sind die Bildebene und die Objektivebene parallel. Damit liegt auch die Schärfeebene parallel zu den beiden. Die gemeinsame Schnittgerade liegt somit unendlich weit entfernt.
Wird nun ein Objekt fotografiert, das schief zur Schärfeebene liegt, so wird dieses Objekt nicht vollständig scharf abgebildet. Das ist z. B. der Fall, wenn man ein hohes Gebäude aus nächster Nähe von unten fotografiert.
Mit einer Spezialkamera, deren Bildebene und/oder Objektivebene sich verstellen lässt, kann man beide Ebenen so gegeneinander kippen, dass sie sich zusammen mit der Schärfeebene in einer gemeinsamen Geraden schneiden und das Gebäude von oben bis unten scharf abgebildet wird.
[Bearbeiten] Anwendungsbeispiele
- Zur gleichzeitigen Scharfstellung des Vorder- und Hintergrundes bei einer Aufnahme werden die Bild- und Objektivebene der Kamera entsprechend zur Gegenstands- oder Schärfeebene gekippt. Dazu verwendet man Fachkameras oder Tilt-und-Shift-Objektive. Bei den Fachkameras wird dabei die Objektivstandarte und/oder die Filmstandarte verschwenkt.
- Entzerrung von stürzenden Linien bei der Vergrößerung in der Dunkelkammer. Dabei wird das Negativ zur Entzerrung stürzender Linien schräg auf das Fotopapier projiziert. Daraus ergibt sich ohne Verschwenkungen des Objektivs nach Scheimpflug, dass nicht das ganze Bild scharf gestellt wird. Bei Anwendung der Scheimpflugschen Regel lässt sich somit, obwohl die Negativ-Ebene des Vergrößerers nicht parallel zur Ebene des Fotopapiers ist, eine gleichmäßige Scharfstellung erreichen. Da sich der Vergrößerungsmaßstab aber über das Bild verändert, besteht nach wie vor das Problem einer ungleichförmigen Belichtung des Papiers.
- Entzerrung von Schrägaufnahmen bei terrestrischen Photogrammetrie und der Aerophotogrammetrie. Hierzu wurden spezielle Entzerrungsgeräte entwickelt bei denen die Scheimpflug-Bedingung durch eine anfangs mechanische, später elektronische Steuerung der Ebenenverschwenkung eingestellt wurde. Zur genauen Entzerrung werden dabei Passpunkte in die Projektionsebene gezeichnet, mit denen die Projektion des Bildes passen muss. Als zusätzliche Freiheitsgrade kommen hierbei noch die Verschiebung und die Drehung des Filmes in der Bildebene hinzu.
Die beiden letzten Verfahren zur projektiven Entzerrung sind durch die elektronische Bildbearbeitung weitgehend verdrängt worden. Dabei wird die Scheimpflug-Bedingung als eine mathematische Bedingung bei der Berechnung einer Zentralprojektion behandelt.
Bei Entzerrungen höchster Präzision, wie sie z. B. in der Photogrammetrie für die Vermessung erforderlich ist, muss ein genaueres Modell der Objektivebene in die Scheimpflug-Bedingung eingeführt werden. Das Objektiv wird dabei als komplexer Mehrlinser betrachtet, dessen Dimension nicht vernachlässigt werden kann. Die Objektivebene wird deshalb zweigeteilt in eine Ebene der Eintrittspupille und eine Ebene der Austrittspupille, die zueinander parallel sein müssen.