Sigmund Aschrott
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Sigmund Aschrott (* 14. Juni 1826 in Hochheim am Main; † 5. Mai 1915 in Berlin) war ein deutscher Kaufmann, Industrieller und Immobilienunternehmer. Er erschloss den so genannten Vorderen Westen, einen Stadtteil von Kassel.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Leben
[Bearbeiten] Industrieller
Im Jahre 1844 übernahm Sigmund Aschrott den väterlichen Leinenhandel in Kassel, wo die Familie seit 1838 lebte. Er modernisierte das Leinengeschäft und führte die Kasseler Leinenindustrie zu Weltgeltung.
[Bearbeiten] Immobilienunternehmer
Ab 1860 engagierte Aschrott sich im Immobiliengeschäft, kaufte westlich der damals in ihren engen mittelalterlichen Strukturen verharrenden Stadt Kassel im großen Stil landwirtschaftlich genutzte Flächen auf, parzellierte sie zu Baugrundstücken und erschloss sie mit einem gründerzeitlichen Straßenraster. In dem von ihm geschaffenen Hohenzollernviertel (heute „Vorderer Westen“ genannt) wurden repräsentative Gebäuden mit hohen, lichtdurchfluteten Räumen in Blockrandbebauung anlegt. Breite Gehwege, Grünanlagen, Vorgärten, Alleen und begrünte Plätze sorgten für eine hohe Wohnqualität. Störendes Gewerbe wurde ausgeschlossen. Für öffentliche Einrichtungen wie die Adventskirche, die Rosenkranzkirche, die Stadthalle oder für die Erweiterung des Diakonissenkrankenhauses stiftete er die Grundstücke.
Der „Vordere Westen“ ist heute einer der beliebtesten und attraktivsten Stadtteile von Kassel. Fast das gesamte von Aschrott geschaffene Stadtgebiet mit seinen Straßen, Plätzen und dem Stadtbild ist als Gesamtanlage als Kulturdenkmal eingestuft. Der Vordere Westen hat heute mit 277 einzelnen Kulturdenkmalen eine für Kassel einmalige Dichte an kulturellen Zeugnissen. Dem unternehmerischen Mut von Sigmund Aschrott verdankt Kassel heute eines seiner schönsten Stadtviertel.
[Bearbeiten] Anfeindung und Erinnerung
Zeit seines Lebens war Aschrott aber auch von Anfeindungen betroffen. Die Kaufleute der Kasseler Innenstadt befürchteten durch das neue Hohenzollernviertel eine Wertminderung ihrer Läden bzw. Grundstücke und einen Rückgang des Kundenstroms. Die damals noch eigenständige Gemeinde Wehlheiden sah sich durch den wachsenden neuen Stadtteil von einer Eingemeindung nach Kassel bedroht. Die politische Linke kritisierte ihn als Grundstücksspekulanten, und für die antisemitisch eingestellte Rechte war er der Inbegriff des reichen Juden, der seinen Wohlstand mehr oder weniger dubiosen Machenschaften verdankte. Seinem städtebaulichen Engagement stand die Stadt Kassel sehr skeptisch gegenüber und versuchte immer wieder, ihn durch Bauvorschriften zu bremsen. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde als bewusste Schähung seines Andenkens im April 1939 der von ihm 1908 gestiftete Aschrottbrunnen vor dem Kasseler Rathaus zerstört.
In fortgeschrittenem Alter zog Aschrott nach Berlin. Hier fand er Anerkennung für sein Lebenswerk und wurde kurz vor seinem Tod zum Geheimen Kommerzienrat ernannt. Aschrott wurde auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee bestattet.
[Bearbeiten] Aschrott´sche Stiftungen
Sein im Jahr 1927 verstorbener Sohn, der in Berlin lebende Landgerichtsdirektor Dr. Felix Aschrott, vermachte zwei Drittel seines Vermögens im Wert von knapp 3 Millionen Reichsmark zwei Stiftungen, die der Stadt Kassel bzw. ihren Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen sollten: die Stiftung „Dr. Aschrott Wohlfahrtshaus“ und die Stiftung „Marie von Boschan-Aschrott Altersheim“. Für den Bau beider Einrichtungen wurden zunächst Architekturwettbewerbe ausgelobt; zur Jury gehörte auch Karl Roth, der Architekt des Kasseler Rathauses und des Aschrottbrunnens. Das „Marie von Boschan-Aschrott Altersheim“ wurde dann von Mitte 1930 bis Anfang 1932 nach dem siegreichen Wettbewerbsentwurf des Architekten Otto Haesler aus Celle ausgeführt, die Bauleitung erledigte das städtische Hochbauamt. Das Gebäude – wegen der großen Fensterflächen der Wohntrakte im Volksmund auch als „Tanten-Aquarium“ verspottet – fand seinerzeit in Fachkreisen große Aufmerksamkeit und gehört heute zu den bedeutenden Baudenkmalen aus der Zeit des Neuen Bauens in Deutschland.
[Bearbeiten] Literatur
- Baetz: Aufzeichnungen über den Geheimen Kommerzienrat Sigmund Aschrott und dessen Bedeutung für die wirtschaftliche und städtebauliche Entwicklung von Kassel. Kassel, 1952.
- Annette Knobling, Wolfgang Schrader: Sigmund Aschrott – Ein weit ausgreifender Stadtgestalter oder ein gewöhnlicher Grundstücksspekulant? Kassel, 1986.
- Ronald Kunze: Otto Haesler. Modelle sozialen Wohnens 1924-1934. Kassel, 1990.
[Bearbeiten] Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Aschrott, Sigmund |
KURZBESCHREIBUNG | Industrieller und Immobilieninvestor |
GEBURTSDATUM | 14. Juni 1826 |
GEBURTSORT | Hochheim am Main |
STERBEDATUM | 5. Mai 1915 |
STERBEORT | Berlin |
Kategorien: Kassel | Deutscher | Geboren 1826 | Gestorben 1915 | Mann