Sonderbehandlung
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"Sonderbehandlung (S.B.)" war eine zynische Tarn-Bezeichnung der Politiker und der SS während der Zeit des Nationalsozialismus für die Exekution von Menschen. Diese euphemistische Bezeichnung sollte wie „Endlösung“, „Deportation“ oder „Evakuierung“ die tatsächlichen Machenschaften verschleiern helfen.
Der Begriff erschien am 20. September 1939 in einem Runderlass des Chefs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, Reinhard Heydrich, an alle Staatspolizeistellen, in welchem es um „die Grundsätze der inneren Staatssicherheit während des Krieges“ geht. Es ist dort unter anderem ausgeführt: „Bei den Fällen zu Ziffer 1 (Zersetzung der Kampfkraft des Deutschen Volkes) ist zu unterscheiden zwischen solchen, die auf dem bisher üblichen Wege erledigt werden können und solchen, welche einer Sonderbehandlung zugeführt werden müssen. Im letzteren Falle handelt es sich um solche Sachverhalte, die hinsichtlich ihrer Verwerflichkeit, ihrer Gefährlichkeit oder ihrer propagandistischen Auswirkung geeignet sind, ohne Ansehung der Personen (nämlich durch Exekution) ausgemerzt zu werden.“ (vgl. Auerbach, H.: Der Begriff „Sonderbehandlung“ im Sprachgebrauch der SS. Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte, Bd. 2 182-189. Stuttgart 1966)
Ein Beispiel unter vielen für die Verwendung dieses Begriffes ist auch der folgende Text von Heinrich Himmler:
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- „(4) In besonders schweren Fällen ist beim Reichssicherheitshauptamt Sonderbehandlung unter Angabe der Personalien und des genauen Tatbestandes zu beantragen.
- (5) Die Sonderbehandlung erfolgt durch den Strang.“
Im Laufe der Ermittlungs- und Strafverfahren wegen der NS-Verbrechen zeigte sich, dass in den mit einschlägigen Vorgängen befassten Kreisen keine Zweifel darüber bestanden, was unter diesem Begriff zu verstehen war. Der SS-Gruppenführer und Höhere SS- und Polizeiführer Emil Mazuw sagt hierzu:
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- „Sonderbehandlung war mit ‚liquidieren’ gleichzusetzen. Ich habe auch keine Aufklärung über diesen Begriff in Neu-Sandez meinen Untergebenen geben brauchen. Er war allgemein bekannt ...“
Auch im Zuge der Auschwitzprozesse räumte der Angeklagte Robert Mulka dazu ein:
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- „Den Begriff »Sonderbehandlung« (SB) kannte ich. »Sonderbehandlung« war Mord. Darüber war ich tief empört. »Sonderbehandlung« war Geheime Reichssache...“
Im Frühjahr 1943 war der Begriff bereits so bekannt geworden, dass er nach Ansicht des Reichsführers-SS Himmler die Tarnfunktion nicht mehr erfüllen konnte. In einer Anweisung von Himmler an Korherr vom 10. April 1943 heißt es:
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- „Der Reichsführer SS hat Ihren statistischen Bericht über "Die Endlösung der europäischen Judenfrage" erhalten. Er wünscht, dass an keiner Stelle von "Sonderbehandlung der Juden" gesprochen wird...“
Der Holocaustleugner Germar Rudolf hat mit äußerst zweifelhaften und unwissenschaftlichen Methoden in seinem Buch „Grundlagen zur Zeitgeschichte“ den untauglichen Versuch unternommen, eine andere Deutung dieses Begriffes zu etablieren.
[Bearbeiten] Literatur
- Eugen Kogon, Langbein, Rückerl et al. (Hrsg.): Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas. Frankfurt, 1995