Stift Gerresheim
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Die Frauengemeinschaft St. Hippolyt in Gerresheim wurde im letzten Drittel oder gegen Ende des 9. Jahrhunderts gegründet, entwickelte sich zu einem adligen Frauenstift und wurde 1803 aufgehoben.
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[Bearbeiten] Geschichte
Begonnen hatte die Frauengemeinschaft in Gerresheim als eine Stiftung des fränkischen Adligen Gerricus gegen Ende des 9. Jahrhunderts, dann kamen der Überfall der Ungarn auf Gerresheim (wahrscheinlich 919) und der Übergang der eigenkirchlichen Einrichtung an den Kölner Erzbischof (922), schließlich die mühsame Zeit der Konsolidierung und des Wiederaufbaus, die mit der Weihe einer neuen Kirche (970) und der Bestätigung des Gerresheimer Zolls (977) durch Kaiser Otto II. (973-983) ihren vorläufigen Abschluss fand. Im 11. Jahrhundert war die Kommunität zeitweise (?) – unter Äbtissin Theophanu (1039-1058) – mit der Frauengemeinschaft in Essen verbunden gewesen, doch fehlen genauere Angaben. Lediglich das Theophanu-Testament und eine Schenkungsnotiz weist Entsprechendes aus.
Auch Verbindungen Gerresheims zur Frauengemeinschaft St. Ursula vor den Toren Kölns hat es bis zum hohen Mittelalter gegeben; die Kölner Einrichtung war ja nach der Flucht der Gerresheimer Sanktimonialen infolge der Ungarnkatastrophe entstanden. Für das 12. Jahrhundert findet sich mit Heizzecha eine Äbtissin, die als Leiterin von St. Hippolyt und St. Ursula beim Kölner Erzbischof Beschwerde wegen der Übergriffe der Gerresheimer Vögte führte (1107). Die Gerresheimer Äbtissin Hadwig von Wied (ab 1150) war auch Leiterin der Essener Frauengemeinschaft (1150-vor 1176?) und gründete an der von ihrem Bruder, dem Kölner Erzbischof Arnold II. (1151-1156), gestifteten Kapelle von Schwarzrheindorf eine Frauenkommunität.
Das hohe Mittelalter sah eine wirtschaftlich und religiös stabile Gemeinschaft, wie sie sich in dem auf Veranlassung von Äbtissin Guda (1212-1232) niedergeschriebenen Urbar oder in einem aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts stammenden liturgischen Ordo niederschlägt. 1236 wurde die Stiftskirche, eine spätromanische Basilika, fertiggestellt und geweiht. Ob der berühmte Zisterziensermönch Caesarius von Heisterbach (*1180-†1240) Gerresheim in seinen Wundergeschichten erwähnt, ist zweifelhaft.
Im 13. Jahrhundert geriet das von den bergischen Grafen bevogtete Frauenstift zunehmend in Abhängigkeit dieser weltlichen Territorialherren, Frauengemeinschaft und Grundherrschaft Gerresheim wurden zu einem Bestandteil der bergischen Landesherrschaft. Parallel dazu entwickelte sich aus Gerresheimer Markt und Zollstelle eine Kaufleute- und Handwerkersiedlung, die 1368 zur (bergischen Land-) Stadt erhoben wurde und zunehmend das Stift an den Rand drängte. Die Gerresheimer Geschichte des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden frühen Neuzeit ist daher überwiegend eine städtische, wie der Bau der Stadtmauer (15. Jahrhundert, 1. Drittel), der städtische Katharinenkonvent (vor 1450), der Quadenhof als Offenhaus des Herzogs von Jülich-Berg (1459) oder die städtische Polizeiordnung von 1561 zeigen.
In die Wirren des Übertritts des Kölner Erzbischofs Gebhard Truchseß von Waldburg zum evangelischen Glauben (1582) und des Truchsessischen Krieges fällt die Heirat Gebhards mit der Gerresheimer Stiftsfrau Agnes von Mansfeld. Während dieses Krieges wurden die Sanktimonialen von St. Quirin in Neuss obdachlos und fanden gegen den Widerstand der Gerresheimer Stiftsinsassen auf Betreiben des Landesherrn im niederbergischen Stift eine neue Heimat (1585), die Gerresheimer Kommunität, die seit dem späteren Mittelalter nur Frauen aus dem hohen Adel zugänglich gewesen war, war nun auch für Insassinnen aus dem niederen Adel offen, was päpstlicherseits 1594 bestätigt wurde.
Über die Verhältnisse im Stift während des 17. und 18. Jahrhunderts ist wenig bekannt. Die Kommunität wurde wohl während des Dreißigjährigen Krieges (1624) in Mitleidenschaft gezogen, besaß aber auch in der Folge eine gute wirtschaftliche Grundlage, die der Versorgung der wenigen Stiftsfrauen und Kanoniker sicherstellte. Das Stift bestand nach seiner Auflösung (1803) als weltliche Versorgungsanstalt für Beamtentöchter bis 1828 weiter, die Stiftskirche wurde Pfarrkirche (St. Margareta), von den Stiftsgebäuden blieb der romanische Ostflügel bis heute erhalten, während die dem Stift inkorporierte ehemalige Pfarrkirche in ein Wohnhaus umgewandelt und schließlich abgerissen wurde.
[Bearbeiten] Wirtschaftliche Grundlagen
Wirtschaftliche Grundlage der Gerresheimer Frauengemeinschaft in Mittelalter und früher Neuzeit waren die Besitzungen, wie sie im oben genannten Urbar aus der Zeit der Äbtissin Guda überliefert sind. Danach besaß das Stift zwölf Fronhöfe, wobei drei der Äbtissin, die restlichen neun dem Konvent zugeordnet waren. Die Fronhöfe der Äbtissin waren der Viehhof in Gerresheim, ein Hof in (Duisburg-) Rheinheim und der Mintarder Hof (bei Essen-Kettwig), Höfe des Konvents der Derner Hof bei Gerresheim, (Düsseldorf-) Hubbelrath, (Wuppertal-) Sonnborn, (Ratingen-) Hösel, Erkrath, Eppinghoven (bei Neuss), Keldenich (bei Wesseling), ein weiterer Hof in Rheinheim und Gyffertheim (nicht genau zu lokalisieren, aber bei Dinslaken gelegen). Den eigenbewirtschafteten Fronhöfen mit ihrem Salland war eine Anzahl von Bauernstellen des Leihelands untergeordnet. Äbhängige Bauern bewirtschafteten mit ihren Familien diese Hufen, von denen das Stift insgesamt 264 besaß. Oberhof aller Fronhöfe war der Derner Hof; hier kamen also die Abgaben für das Stift zusammen. Diese grundherrschaftliche Struktur sollte sich im Laufe des späten Mittelalters hin zu einer Rentengrundherrschaft wandeln.
Einnahmen erbrachten auch die im Lauf des 13. und 14. Jahrhunderts inkorporierten Pfarrkirchen in Linz, (Mülheim-) Mintard und (Duisburg-) Meiderich.
[Bearbeiten] Kulturelles
Sehenswert ist die Gerresheimer Stiftskirche mit dem spätottonischen Holzkruzifix (Anfang 11. Jahrhundert), mit Reliquienbehältnissen und Monstranzen sowie mit einer spätromanischen Altarmensa und dem hochgotischen Gerricus-Sarkophag. Aus den Beständen des Stifts stammt der vielleicht der Kölner Äbtissin Ida zuzuweisende „Hidda-Codex“, ein liturgischer Ordo aus Gerresheim wird der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zugerechnet. Das Hauptstaatsarchiv Düsseldorf bewahrt 490 Urkunden und 258 Akten des Gerresheimer Stifts auf.
[Bearbeiten] Äbtissinnen von Gerresheim
- Regenbirg (3. Drittel 9. Jahrhundert)
- Lantswind (905/06, 922)
- Theophanu (bis 1058)
- Mechthild (1080)
- Heizzecha (1107)
- Hadwig von Wied (1150/51)
- Kunigunde von Windeck (1170)
- Gertrud (1202/12)
- Guda (1214/32)
- Elisabeth (1241/54)
- Gertrud von Neuenkirchen (1254-1287)
- Christina (ca. 1298, 1309/10)
- Kunigunde von Berg (1311-1325)
- Beatrix von Virneburg (1325-1327)
- Martha von Öttgenbach (1327-1332)
- Ida von Waldeck (1332-1367)
- Rykardis von der Sleiden (1367-ca. 1384)
- Gertrud (1387)
- Katharina von Rennenberg (1390-1413)
- Jutta von Daun (1417/29)
- Irmgard von Kerpen (1438-1461)
- Rykardis (nach 1453)
- Agnes von Isenburg (ca. 1461)
- Gertrud von Runkel (1462-1470)
- Anna von Tecklenburg (1472/1507)
- Irmgard von Salm-Reifferscheid (1522/25)
- Amalie von Rennenberg (1525-1554)
- Anna von Limburg (1554-1565)
- Felicitas von Eberstein (1565-1585)
- Margarethe von Loe (1586-1590)
- Margarethe Elisabeth von Manderscheid-Gerolstein (1586-1591)
- Guda von Winkelhausen (1591-1638)
- Maria von Reuschenberg (1638-1663)
- Klara Franziska Spies von Büllesheim(1663-1685)
- Maria Sophia Spies von Büllesheim(1685-1694)
- Maria von Bentinck (1694-1727)
- Theresia Katharina von Metternich (1728-1740)
- Maria Viktoria von Nesselrode-Hugenpoet (1740-1757)
- Maria Charlotta Berghe von Trips (1757-1761)
- Maria Philippine Ulner von Dieburg (1761-1763)
- Maria Sophia von Schönau (1763-1803)
[Bearbeiten] Literatur
- Karl-Heinz Bott (Hg.): Gerresheim und seine Basilika. Festschrift zum 750jährigen Bestehen der Gerresheimer Stiftskirche, Düsseldorf 1986
- Ulrich Brzosa: Die Geschichte der katholischen Kirche in Düsseldorf (von den Anfängen bis zur Säkularisation), Köln-Weimar-Wien 2001; hier S. 61-77, 569-582
- Michael Buhlmann: Die Essener Äbtissin Hadwig von Wied, in: MaH 56 (2003), S. 41-78
- E. von Schaumburg: Zur Geschichte des Stiftes Gerresheim, in: ZBGV 15 (1879), S. 29-69
- Hannelore Schubert: Die ersten Kirchen in Gerresheim, in: DJb 49 (1959), S. 143-175
- Hugo Weidenhaupt: Das Kanonissenstift Gerresheim 870-1400, in: DJb 46 (1954), S. 1-120
- Hugo Weidenhaupt (Hg.): Gerresheim 870-1970. Beiträge zur Orts- und Kunstgeschichte, Düsseldorf 1970
- Hugo Weidenhaupt: Aus Düsseldorfs Vergangenheit. Aufsätze aus vier Jahrzehnten, Düsseldorf 1988
- Hugo Weidenhaupt (Bearb.): Gerresheim (= Rheinischer Städteatlas 59), Köln-Bonn 1994
[Bearbeiten] Abkürzungen
- DJb = Düsseldorfer Jahrbuch
- MaH = Das Münster am Hellweg
- ZBGV = Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins