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Vorfälligkeitsentschädigung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Als Vorfälligkeitsentschädigung (VFE) wird das Entgelt für die außerplanmäßige Rückführung eines Darlehens während der Zinsfestschreibungszeit bezeichnet. Ist das vertraglich vereinbarte Darlehen noch nicht ausgezahlt, spricht man von einer Nichtabnahmeentschädigung. Für diese gelten die Regeln der VFE analog.

Die VFE fällt nur in dem Fall an, in dem der Kunde das Darlehen kündigt. Eine bisherige Unklarheit diesbezüglich wurde durch die Schuldrechtsreform des BGB im Jahre 2002 , hier § 490 BGB[1][2], behoben.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Rechtslage in Deutschland

[Bearbeiten] Grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen (z.B. Baudarlehen)

[Bearbeiten] Recht auf Darlehenskündigungen

Grundsätzlich sind die Kreditinstitute nicht verpflichtet, grundpfandrechtlich besicherte Darlehen vor Ablauf der Zinsfestschreibungszeit zurückzunehmen. In begründeten Einzelfällen muss die Bank einer vorzeitigen Rücknahme jedoch zustimmen. Der BGH hat hierzu eine stetige Rechtsprechung entwickelt (BGH XI ZR 197/96, XI ZR 198/96, XI ZR 27/00, XI ZR 285/03). Begründete Einzelfälle sind z. B. die Veräußerung der Immobilie oder der Wunsch nach einer Ausdehnung des ursprünglichen Kredits, den die Darlehensgeberin aber ausschlägt.

[Bearbeiten] Kündigungsmöglichkeiten ohne Vorfälligkeitsentschädigung

Bei Zinsfestschreibungen über zehn Jahre besteht nach Ablauf von zehn Jahren die Möglichkeit, ohne VFE mit Sechs-Monats-Frist zu kündigen. Die Zehn-Jahres-Frist beginnt ab dem Datum des vollständigem Empfangs des Darlehens (siehe auch § 489 BGB Absatz 3). Bei Darlehensverlängerungen tritt der Zeitpunkt der Vereinbarung an die Stelle des Termins der Vollauszahlung. Vertraglich können vorzeitige Kündigungsmöglichkeiten vor Ablauf der Zinsbindungsfrist vereinbart werden. Nicht grundpfandrechtlich besicherte Darlehen an Verbraucher können unter Einhalt einer drei- bzw. sechsmonatigen Kündigungsfrist entschädigungsfrei gekündigt werden.

Bei Darlehen mit variabler Verzinsung kann eine VFE nur für die Zeit des Ausschlusses des Kündigungsrechts von drei Monaten verlangt werden.

Fälschlich wird im Internet gerne mit Hinweis auf das Urteil des OLG Karlsruhe vom 25. Juni 2001 kolportiert, eine Vorfälligkeitsentschädigung falle bei Bankenfusionen nicht an. Dies ist jedoch nur unter extrem engen Bedingungen der Fall.

[Bearbeiten] Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

Der Kreditgeber kann den durch eine Kündigung entstehenden Zinsausfallschaden verlangen (§ 490 Abs. 2 S. 3 BGB). Ein Schaden entsteht auf jeden Fall dann, wenn der vertraglich vereinbarte Zinssatz über dem aktuellen Satz für ein Ersatzgeschäft liegt. Ersatzgeschäfte können die Neuausleihung („Aktiv-Aktiv-Methode“) oder die Anlage in Hypothekenpfandbriefen („Aktiv-Passiv-Methode“) sein.

Bei der Aktiv-Aktiv-Methode entsteht neben dem Schaden aus der Zinsdifferenz (sog. Zinsverschlechterungsschaden) zusätzlich ein sog. „Zinsmargenschaden“, weil dem Kreditinstitut für die Restlaufzeit der kalkulatorische Gewinn entgeht. Je länger die Restlaufzeit bis zum Ende der Zinsbindung, desto höher fällt die Entschädigung aus. In der ständigen Rechtsprechung ist hierbei eine „Netto-Zinsmarge“ - also bereinigt um Risikokosten, Verwaltungsaufwand etc. - von 0,500 % anerkannt. In den meisten Fällen ist die Aktiv-Aktiv-Methode für den Kunden die günstigere Lösung - sie wird daher von den meisten Kreditinstituten nicht angewendet.

Bei der Aktiv-Passiv-Methode werden zunächst die ausfallenden Zahlungen in Form eines Zahlungsstroms erfasst. Diese Zahlungsausfälle werden, fingiert durch eine Vielzahl von Hypothekenpfandbriefgeschäften mit jeweils nach Laufzeit gestaffelten unterschiedlichen Renditen, die zum Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung als abgeschlossen gelten, durch deren Zins- und Rückzahlungsbeträge ausgeglichen. Da der erforderliche Geldbetrag zum Abschluss der Ersatzgeschäfte größer ist als das vorzeitig zurückgezahlte Darlehenskapital besteht eine Differenz. Sie stellt den Schaden (=VFE) dar.

Der BGH hat mit Urteil vom 30. November 2004 (XI ZR 285/03) entschieden, dass bei Verwendung der Aktiv-Passiv-Methode für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung keine sog. „PEX-Renditen“ (Hypothekenpfandbriefindex des Verbands deutscher Hypothekenbanken) verwendet werden dürfen, denn diese stellen keine tatsächlich am Markt erzielten Renditen dar. Es handelt sich um reine Angebotsrenditen, die aber so niedrig sein können, dass Pfandbriefkäufer zu diesen Renditen keine Geschäfte abschließen möchten. Der Vorfälligkeitsschaden fällt unter diesen Renditen somit zu hoch aus.

Grundsätzlich sind unabhängig von der verwendeten Methode alle Tilgungsmöglichkeiten (auch Sondertilgungen) sowie die ersparten Risiko- und Verwaltungskosten der Bank zu berücksichtigen. Die Bank darf für die vorzeitige Ablösung ein Bearbeitungsentgelt verlangen. Gemäß Urteil des OLG Schleswig, Az.: 5 U 124/95 vom 8. Januar1998 sind eingesparte Verwaltungskosten von mit 5,11 € monatlich in Abzug zu bringen. Hinsichtlich des Abzugs der Risikovorsorge versuchen Kreditinstitute diese auf ein Niveau von deutlich unter 0,1 % des Kapitals zu drücken - nach Auffassung von Kreditsachverständigen und des Bundesverband der Verbraucherzentralen e.V., ist jedoch ein Risikokostenabzug von 0,15 % angemessen.

Ein eventuelles Disagio ist dem Darlehensnehmer nicht anteilig zu erstatten, weil es eine Zinsvorauszahlung darstellt. Da es die Darlehenszinsen reduziert, führt es aber zu einem geringeren Schaden und wird also indirekt berücksichtigt. Eine anteilige Disagioerstattung ist nur noch in solchen Fällen zu beachten, unter denen entweder das Disagio einen größeren Zeitraum als jenen bis zur nächsten Kündigungsmöglichkeit überdeckte oder wenn Sondertilgungen möglich waren.

Darlehensverträge stellen stets Formularverträge dar. Deshalb gelten die ergänzenden Bestimmungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dem Kreditnehmer ist danach auf eine VFE-Berechnung des Kreditinstituts stets die Möglichkeit vorbehalten (BGB § 309 Abs. 5 b), den Gegenbeweis eines geringeren Schadens anzutreten. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn das Kreditinstitut die VFE nach der Aktiv-Passiv-Methode abrechnet - gleichzeitig aber eine direkte Neuausleihung vornimmt. Dieser Fall ist regelmäßig dann gegeben, wenn z.B. bei einem Hausverkauf, bei dem Darlehen abgelöst werden, die Neufinanzierung des Hauses über das gleiche Kreditinstitut vorgenommen wird.

[Bearbeiten] Verbraucherdarlehen (z.B. Ratenkredite)

Bei der Kündigung von Verbraucherdarlehen fallen keine VFE an, sofern die vertragliche oder gesetzliche Kündigungsfrist (drei Monate) eingehalten wird.

[Bearbeiten] VFE in anderen Ländern

In den USA ist es üblich, vertraglich eine VFE-freie Rückzahlmöglichkeit zu vereinbaren. Das Risiko der vorzeitigen Kündigung (insbesondere bei Zinssenkungen) sichern die Banken am Kapitalmarkt ab. Die Kosten für diese Sicherung erhöhen die Baudarlehenszinsen.

In England sind variable Zinsen bei Immobilienfinanzierungen üblich. VFE fällt systembedingt nicht an.

In den meisten anderen Ländern der EU bestehen gesetzliche Regelungen, die die Berechnung von VFE regeln. Diese sind politisch im Sinne des Verbraucherschutzes im Regelfall so gestaltet, dass ein Ausgleich des Schadens der Bank nicht erreicht wird.

Nach einer Untersuchung des wissenschaftlich arbeitenden Institut für Finanzdienstleistungen wird daher in keinem Land des Euro-Raumes eine derart hohe Vorfälligkeitsenschädigung berechnet wie in Deutschland.

[Bearbeiten] Quellen

  1. Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht ISBN 3-540-00944-2
  2. Palandt 66. Auflage 2007, Kommentar zum Bürgerliches Gesetzbuch ISBN 3-406-55266-8

[Bearbeiten] Weblinks


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