Bundesgerichtshof
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Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das oberste Gericht in Deutschland auf dem Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit und damit letzte Instanz in Zivil- und Strafverfahren. Ferner ist er für verwandte Spezialrechtsgebiete zuständig wie etwa dem Berufsrecht in der Rechtspflege.
Er ist neben dem Bundesarbeitsgericht, Bundesfinanzhof, Bundessozialgericht und Bundesverwaltungsgericht eines der fünf Bundesgerichte mit Funktion als Oberste Gerichtshöfe.
[Bearbeiten] Gründung und Sitz
Der Bundesgerichtshof wurde 1950 gegründet. Er hat seinen Hauptsitz in Karlsruhe, im ehemaligen Erbgroßherzoglichen Palais. Der 5. Strafsenat des BGH hat seinen Sitz in Leipzig. Ursprünglich sollte nach der Wiedervereinigung der gesamte BGH in das historische Gebäude des Reichsgerichtes in Leipzig ziehen. Jedoch weigerten sich die Richter, aus Karlsruhe wegzugehen. Als "Entschädigung" erhielt Leipzig den 5. Strafsenat, der vorher als einziger BGH-Senat in Berlin saß. Dies war seinerzeit der Fall, um Revisionsverfahren in Berlin abhalten zu können, und Straftäter nicht durch die DDR transportieren zu müssen. In das historische Leipziger Gebäude des Reichsgerichts zog dann am 22. August 2002 das Bundesverwaltungsgericht.
[Bearbeiten] Gerichtsorganisation
Der BGH ist in Senate gegliedert, die mit je einem Vorsitzenden Richter und vier Beisitzern besetzt sind. Es gibt:
- zwölf Zivilsenate (mit römischen Zahlen durchnummeriert)
- fünf Strafsenate (davon einer mit Sitz in Leipzig) (mit arabischen Zahlen durchnummeriert)
- acht Spezialsenate
- Landwirtschaftssachen
- Anwaltssachen
- Notar-Sachen
- Patentanwaltssachen
- Wirtschaftsprüfersachen
- Steuerberatersachen (für Steuern ist der Bundesfinanzhof in München das oberste Gericht)
- Kartellsenat
- Dienstgericht des Bundes (mit Ausnahme der Verfahren in Wehrdienstsachen, die dem Bundesverwaltungsgericht speziell zugewiesen sind)
Für die Entscheidungen über Ermittlungsanträge des Generalbundesanwalts in Strafverfahren (z. B. Hausdurchsuchung, Beschlagnahme, Haftbefehl) sind wie bei jedem Strafgericht besondere Ermittlungsrichter bestellt. Diese Richter sind Mitglieder der oben aufgeführten Strafsenate. Ihre Entscheidungen können in bestimmten Fällen (§ 304 Abs. 5 StPO) durch Beschwerde angefochten werden, über welche ein Strafsenat des Bundesgerichtshofs entscheidet (kleiner Devolutiveffekt).
[Bearbeiten] Geschäftsverteilung
Die Verteilung der einzelnen Verfahren auf die verschiedenen Senate ist im Geschäftsverteilungsplan des Gerichts geregelt. Das Prinzip des gesetzlichen Richters verlangt, dass von vorne herein nach abstrakt-generellen Kriterien festgelegt ist, welcher Senat in welcher Besetzung für einen Fall zuständig ist, bevor der Bundesgerichtshof für eine Rechtssache zuständig wird. Auf diese Weise sollen Interessenkonflikte weitgehend ausgeschlossen sein.
Der Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs regelt die Zuständigkeit der Senate dabei in Zivilsachen nach den jeweils betroffenen Rechtsmaterien, in Strafsachen in der Regel danach, welches Gericht die angegriffene Entscheidung erlassen hat. Zusätzlich sind den Strafsenaten Sonderzuständigkeiten zugewiesen. So etwa dem 3. Strafsenat, der daher auch als Staatsschutzsenat bezeichnet wird. Der vollständige Geschäftsverteilungsplan steht auf den Seiten des Bundesgerichtshofs zum Download zur Verfügung.
Gegenwärtig bestehen im Groben folgende Zuständigkeiten:
- Zivilsenate
- I. Zivilsenat: Urheberrecht, Markenrecht, unlauterer Wettbewerb
- II. Zivilsenat: Gesellschaftsrecht
- III. Zivilsenat: Staatshaftungsrecht
- IV. Zivilsenat: Erbrecht
- V. Zivilsenat: Sachenrecht
- VI. Zivilsenat: Recht der unerlaubten Handlungen
- VII. Zivilsenat: Baurecht
- VIII. Zivilsenat: Kaufrecht und Mietrecht
- IX. Zivilsenat: Haftung der Rechtsanwälte und Steuerberater, Insolvenzrecht
- X. Zivilsenat: Patent-, Gebrauchsmuster, Sortenschutzrecht, Aufgaben des BGH als gemeinsames Obergericht in Zivilsachen
- XI. Zivilsenat: Bankrecht
- XII. Zivilsenat: Familienrecht und Mietrecht
- Strafsenate
- 1. Strafsenat: die Revisionen in Strafsachen für die Bezirke der Oberlandesgerichte Bamberg, Karlsruhe, München, Nürnberg und Stuttgart;
- 2. Strafsenat: die Revisionen in Strafsachen für die Bezirke der Oberlandesgerichte Frankfurt am Main, Jena, Koblenz und Köln;
- 3. Strafsenat: die Revisionen in Strafsachen für die Bezirke der Oberlandesgerichte Celle, Düsseldorf, Oldenburg und Schleswig;
- 4. Strafsenat: die Revisionen in Strafsachen für die Bezirke der Oberlandesgerichte Hamm, Naumburg, Rostock, Saarbrücken und Zweibrücken;
- 5. Strafsenat: die Revisionen in Strafsachen für den Bezirk des Berliner Kammergerichts sowie für die Bezirke der Oberlandesgerichte Brandenburg, Braunschweig, Bremen, Dresden und Hamburg;
[Bearbeiten] Aufgaben
Der Bundesgerichtshof soll durch seine Rechtsprechung die Rechtseinheit wahren und das Recht fortbilden.
[Bearbeiten] Bestellung der Richter
Die Richter am Bundesgerichtshof tragen durch die oben angeführten Aufgaben eine besondere Verantwortung. Durch die Auswahl der Richter kann die Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland erheblich beeinflusst werden. Deshalb wird die Auswahl der Richter von einem Richterwahlausschuss vorgenommen. Diesem gehören die Justizminister der Länder und 16 vom Bundestag gewählte Mitglieder an. Die Richter werden vom Bundespräsidenten ernannt. Der Bundesgerichtshof gibt durch seinen Präsidialrat eine Stellungnahme zu einem Bewerber ab, diese Stellungnahme ist aber für den Richterwahlausschuss nicht bindend.
[Bearbeiten] Rechtsanwälte
Vor dem Bundesgerichtshof können in Zivilsachen grundsätzlich (abgesehen von Patent-Nichtigkeitsverfahren) nur besonders zugelassene Rechtsanwälte auftreten. Die Zulassung kann jedoch nicht ohne weiteres beantragt werden, da die Zahl der zugelassenen Anwälte aus Gründen der "Erhaltung der Funktionsfähigkeit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Zivilsachen" gering gehalten wird.[1]
Über die Zulassungsbeschränkung läuft seit längerem schon eine Diskussion mit zum Teil deutlichen Worten. In einer Anwaltszeitschrift wurden kürzlich von mehreren Autoren Stellungnahmen zur Zulassungsbeschränkung abgedruckt, bspw. von einem BGH-Rechtsanwalt und einem nicht zugelassenen Rechtsanwalt.
Durch Beschluss vom 5.12.2006 - AnwZ 2/06 - hat der BGH das Verfahren der Wahl der Rechtanwälte als verfassungsgemäß bestätigt.
[Bearbeiten] Präsidenten des Bundesgerichtshofes
Nr. | Name (Lebensdaten) | Amtsantritt | Ende der Amtszeit |
---|---|---|---|
1 | Hermann Weinkauff (1894-1981) | 1. Oktober 1950 | 31. März 1960 |
2 | Bruno Heusinger (1900-1987) | 1. April 1960 | 31. März 1968 |
3 | Robert Fischer (1911-1983) | 1. April 1968 | 30. September 1977 |
4 | Gerd Pfeiffer (1919-2007) | 1. Oktober 1977 | 31. Dezember 1987 |
5 | Walter Odersky (* 1931) | 1. Januar 1988 | 31. Juli 1996 |
6 | Karlmann Geiß (* 1935) | 1. August 1996 | 31. Mai 2000 |
7 | Günter Hirsch (* 1943) | 15. Juli 2000 |
[Bearbeiten] Verhältnis zum Europäischen Gerichtshof
Hat der Bundesgerichtshof Recht der Europäischen Union anzuwenden, so hat er eine noch ungeklärte Rechtsfrage vorab im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorzulegen.
[Bearbeiten] Oberste Gerichte in anderen Staaten
In Österreich entspricht dem deutschen BGH der Oberste Gerichtshof (OGH). Am 21. 8. 1848, wurde die bis dahin als höchste Gerichtsinstanz in Zivil- und in Strafrechtssachen für die österreichischen Erblande und die Länder der böhmischen Krone fungierende Oberste Justizstelle zum Obersten Gericht umgestaltet. Mit Kaiserlichem Patent vom 7. 8. 1850 wurde das Gesetz "über die Organisation des obersten Gerichts- und Cassationshofes in Wien" erlassen.
Mit 31. 3. 1939 musste der OGH jedoch seine Tätigkeit einstellen und gingen die bisherigen Zuständigkeiten auf das Reichsgericht in Leipzig über, bei dem sie in zwei Senaten (einem Zivil-und einem Strafsenat) konzentriert wurden. 1945 wurde der OGH wiedererrichtet und nahm seine Tätigkeit auf.
In der Schweiz entscheidet das Bundesgericht letztinstanzlich.
In den USA dagegen ist der Supreme Court sowohl oberste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit als auch Verfassungsgericht.
[Bearbeiten] Bedeutung des BGH für Österreich
Der BGH ist auch für die österreichische Rechtswissenschaft von Bedeutung: Das österreichische Handelsrecht, das als wichtigstes Gesetz das 1938 in Österreich eingeführte deutsche HGB kennt, orientiert sich in Auslegungsfällen bevorzugt an Entscheidungen des BGH.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Zitat aus dem Beschluss des BGH vom 4.3.2002 - AnwZ 1/01
Bundesarbeitsgericht | Bundesfinanzhof | Bundesgerichtshof | Bundessozialgericht | Bundesverwaltungsgericht | Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes
Bundesfinanzhof | Bundesgerichtshof | Bundespatentgericht | Bundesverwaltungsgericht | Bundesamt für Justiz | Deutsches Patent- und Markenamt | Generalbundesanwalt
Zivilsenate: I. | II. | III. | IV. | V. | VI. | VII. | VIII. | IX. | X. | XI. | XII.
Bitte beachten Sie den Hinweis zu Rechtsthemen! |
Koordinaten: 49° 0' 21.62" N, 8° 23' 47.58" O