Wulfila
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Wulfila [ˈvʊlfila] (got.: "kleiner Wolf", lat.: Ulfilas , * um 311; † 383) war einer der ersten, möglicherweise auch der erste Bischof der Terwingen (Visigoten, Westgoten).
Seine christlichen kappadokischen Vorfahren waren von Goten im 3. Jahrhundert verschleppt worden, er selbst war entweder Gote oder Halbgote. Er war Anhänger des Arianismus und verglich Christus mit dem germanischen Sohn-Vater-Verhältnis, das auf Gehorsam, Unterordnung und Treue aufgebaut war. Jedoch stimmte Wulfila in seiner Christologie mit den Arianern nicht ganz überein, für ihn ist Christus der anbetungswürdige „Gott und Herr“. Der Entscheid, ins arianische Lager zu gehen, war nicht nur theologisch bedingt, sondern auch kirchenpolitsch.
Der Reichsbischof von Konstantinopel, Eusebios von Nikomedia, weihte Wulfila spätestens 341 in Antiochia zum „Bischof der Christen im gotischen Land“. In dieser Zeit dominierten die Arianer im oströmischen Reich - erst zum Ende des 4. Jhs. hin gelang den Trinitariern (Katholischen resp. Orthodoxen Christen), die Arianer im gesamten römischen Reich zu verdrängen. Mitentscheidend hierfür war die Entscheidung des römischen Kaisers. Bis 348 war Wulfila missionierend im damaligen Herrschaftsbereich der Westgoten an der unteren Donau tätig. Die einsetzenden Christenverfolgungen vertrieben Wulfila und andere zu den Römern, welche sie bei Niš ansiedelten. Neben den Westgoten, die geschlossen zum Christentum übertraten, wurden auch die Ostgoten, Wandalen, Langobarden und Burgunden christlich. Die Tatsache, dass Wulfila von einem Arianer eingesetzt worden war, und das Verhältnis der Goten zu den Römern führte dazu, dass die gotischen Christen nicht unter dem autoritativen Einfluss von Rom standen. Dass Wulfila Arianer war, trug entscheidend dazu bei, dass nahezu sämtliche Germanenvölker der Völkerwanderung (bis auf die erst um 500 christianisierten Franken) das Christentum zunächst in der arianischen Form übernahmen, was zu heftigen und langwierigen Konflikten in den auf römischem Boden neu entstehenden Germanenreichen führen musste.
Im Exil entwickelte Wulfila eine neue Schrift für das Gotische, das bis dahin eine weitgehend schriftlose Sprache war; lediglich vereinzelte Inschriften und magische Texte wurden in Runen festgehalten. Die neue Schrift war eine Abwandlung der griechischen Schrift mit einigen lateinischen Buchstaben sowie Runen: siehe Gotisches Alphabet. Wulfila gab den Goten nicht nur eine neue Schrift, sondern auch neue Wörter (Neologismen, Lehnbildungen), da viele Begriffe der griechischen Sprache im Gotischen nicht existierten. Solche Wortschöpfungen waren mit die früheste Form von kontextualisierter Mission, also der Versuch, christliche Konzepte, wie sie insbesondere durch die biblischen Schriften vorgegeben waren, in Kulturen zu übertragen, denen derartiges fremd sein musste. Ähnlich ist später der Dichter des „Heliand“ vorgegangen, der z.B. für das Verhältnis Christi zu seinen Jüngern Begriffe des germanischen Gefolgschaftswesens verwenden musste.
Wulfilas sprachliche Leistungen sind im Zusammenhang zu seinem bedeutendsten Werk zu sehen, der so genannten Wulfilabibel: Die früheste Bibelübersetzung in eine germanische Sprache. Sie ist als Abschrift im so genannten Codex Argenteus erhalten, einer norditalienischen Handschrift aus dem 6. Jahrhundert, die teils mit silbernen, teils mit goldenen Lettern auf Pergament geschrieben ist, das mit der kaiserlichen Purpurfarbe getränkt worden war. Heute wird der unschätzbar kostbare Kodex in Uppsala aufbewahrt.
Hier das Vaterunser, um einen Begriff von der Sprache Wulfilas zu bekommen. Wulfilas Übersetzungen christlicher Literatur sollte für nachfolgende Texte in germanische Sprachen stilbildend werden:
- atta unsar þu ïn himina
- weihnai namo þein
- qimai þiudinassus þeins
- wairþai wilja þeins
- swe ïn himina jah ana airþai
- hlaif unsarana þana sinteinan gif uns himma daga
- jah aflet uns þatei skulans sijai ma
- swaswe jah weis afletam þaim skulam unsaraim
- jah ni briggais uns ïn fraistubnjai
- ak lausei uns af þamma ubilin
- unte þeina ïst þiudangardi
- jah mahs jah wulþus ïn aiwins
- amen
Unsere Informationen über Wulfila stammen, abgesehen von seiner Bibelübersetzung, vor allem vom Kirchenhistoriker Philostorgios und vom Bischof Auxentius von Dorostorum.
[Bearbeiten] Literatur
- Adolf Lippold: Wulfila, in: Pauly-Wissowa RE IX A (1961), Sp. 512–531.
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Wulfila im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag (mit Literaturangaben) im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL)
- Projekt Wulfila
Personendaten | |
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NAME | Wulfila |
ALTERNATIVNAMEN | Ulfilas (lateinisch) |
KURZBESCHREIBUNG | Bischof der Terwingen (Visigoten, Westgoten) |
GEBURTSDATUM | um 311 |
STERBEDATUM | 383 |