Zweite Lautverschiebung
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Als „Deutsche Lautverschiebung” oder Zweite Lautverschiebung (auch: Hochdeutsche oder Althochdeutsche Lautverschiebung) wird ein regelhafter Lautwandel im Bereich des Konsonantismus verstanden, der die hochdeutschen Dialekte von allen anderen germanischen Sprachen unterscheidet.
Der Beginn dieser Veränderung wurde traditionell auf ab ca. 500 n. Chr. datiert, nach neueren Inschriftenfunden begann sie jedoch erst ab ca. 600 n. Chr. Bei der zweiten Lautverschiebung handelt es sich um einen längerfristigen und mehrphasigen Prozess, der zu Beginn der Überlieferung des Althochdeutschen im 8. Jahrhundert n.Chr. noch nicht ganz abgeschlossen war.
Durch diese Lautverschiebung wurde aus den südlichen westgermanischen Dialekten die althochdeutsche Sprache. Die Grenze dieser Lautverschiebung verläuft von West nach Ost, mehr oder weniger am Mittelgebirgsrand; sie wird als Benrather Linie bezeichnet.
Konsonanten:
/p/ | > | /pf/ | (niederdeutsch: peper, englisch: pepper -> Pfeffer) |
/p/ | > | /f/ | (niederdeutsch: slapen, englisch: sleep -> schlafen; niederdeutsch und englisch: Schipp, ship -> Schiff) |
/t/ | > | /s/ | (niederdeutsch: dat, wat, eten; englisch: that, what, eat -> das, was, essen) |
/t/ | > | /ts/ | (niederdeutsch: Tied; englisch: time; schwedisch: tid -> Zeit, Timmermann -> Zimmermann) |
/tt/ | > | /ts/ | (niederdeutsch: sitten; englisch: sit -> sitzen) |
/k/ | > | /x/ | (niederdeutsch: ik -> ich; altenglisch: ic; niederdeutsch und englisch: maken, make -> machen) |
/k/ | > | /kx/ | (niederdeutsch: koken; englisch: cook -> kochen) |
/d/ | > | /t/ | (niederdeutsch: dag, englisch: day -> Tag) |
Als Beispiel für die Auswirkungen der Lautverschiebung kann folgender Vergleich der mittelniederdeutschen Sprache und der mittelhochdeutschen Sprache anhand zweier juristischer Bücher dienen, des Sachsenspiegels (1220) und des Deutschenspiegels (1274):
Sachsenspiegel (III,45,3) | Deutschenspiegel (Landrecht Art. 283) | |
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De man is ok vormunde sines wives, to hant alse se eme getruwet is. Dat wif is ok des mannes notinne to hant alse se in sin bedde trit, na des mannes dode is se ledich van des mannes rechte. |
Der man ist auch vormunt sînes wîbes zehant als si im getriuwet ist. Daz wîp ist auch des mannes genôzinne zehant als si an sîn bette trit nâch des mannes rehte. |
Die hochdeutschen Sprachformen (Ober- und Mitteldeutsch) sind von der 2. Lautverschiebung betroffen, die Sprachformen in den niederen Landen (niederdeutschen bzw. niederländischen Sprachformen) nicht oder nur zum kleineren Teil.
Vollständig durchgeführt worden ist die 2. Lautverschiebung nur in den allersüdlichsten deutschen Dialekten, im Südbairischen (Tirolerischen) sowie im Hoch- und Höchstalemannischen (wobei in den beiden letzteren anlautendes /kch/ zu /ch/ vereinfacht worden ist).
- k -> kch/ch: kind -> tirolerisch kchind, hoch/höchstalemannisch chind
Die meisten mittel- und oberdeutschen Varietäten haben also die 2. Lautverschiebung nicht vollständig durchgeführt. Viele mitteldeutsche Varietäten sind nur in bestimmten, wenigen Fällen von ihr betroffen, wie es gut am sogenannten rheinischen Fächer zu erkennen ist.
Die 2. Lautverschiebung ist nicht der einzige große Unterschied zwischen den niederdeutschen und den hochdeutschen Sprachen. Hinzu kommen regionale Besonderheiten im Wortschatz, in der Grammatik und im Vokalismus (so haben beispielsweise im Bairischen, im Mitteldeutschen und im Niederländischen Diphthongierungen stattgefunden).
[Bearbeiten] Siehe auch
- Erste Lautverschiebung
- Glottalic theory
[Bearbeiten] Literatur
- Althochdeutsche Lautverschiebung. u. Rheinischer Fächer. in: dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Hrsg. v. Werner König. dtv, München 2004 (18. Aufl.), S. 62-65, 147, Karten S.64, 140. ISBN 3-423-03025-9