Absolutes Gehör
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als absolutes Gehör oder Tonhöhengedächtnis bezeichnet man die Gabe und mitunter erlernbare Fähigkeit eines Menschen, jedem gehörten Ton innerhalb eines Tonsystems die vorher definierte Bezeichnung bezüglich seiner Tonhöhe exakt zuzuordnen. Die neuralen Zusammenhänge und Funktionen im Gehirn und Hörnerv dazu sind weitgehend ungeklärt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Ursprung
Medizinische Untersuchungen legen nahe, dass wohl fast jeder Mensch von Geburt an die Fähigkeit besitzt, ein absolutes Gehör zu entwickeln, die meisten diese aber im Laufe ihres Lebens verlieren, weil sie nicht zur Anwendung kommt. Im Falle vieler Komponisten und Musiker ist diese Gabe sicherlich durch ihren frühkindlichen Kontakt mit Musik im Elternhaus her gefestigt worden. Hört beispielsweise ein Kind eine bestimmte Melodie immer wieder in der gleichen Tonart, kann es eher ein absolutes Gehör entwickeln, als ein Kind, dem das „Gute-Nacht-Lied“ jeden Abend in einer anderen Tonhöhe vorgesungen wird. Aus dem gleichen Grund fördert auch das frühe Erlernen eines Musikinstrumentes die Entwicklung eines absoluten Gehörs: Kinder, die im Alter von drei Jahren bereits ein Instrument spielen gelernt haben, hören sehr viel häufiger absolut.
[Bearbeiten] Verbreitung
Manche Musiker können „absolut hören“, die frühzeitige und somit intensive Beschäftigung mit Musikinstrumenten mit fester Tonhöhe kann diese Gabe fördern. Das absolute Gehör kann sich aber auch bei Menschen ohne profesionelle musikalische Ausbildung äußern: Diese merken dann zum Beispiel, dass ein Musikstück in einer anderen Tonart nachgesungen oder -gespielt wird als im Original. Umgekehrt singen sie von sich aus ein bekanntes Stück immer in der Originaltonart nach.
Vergleichende Studien zeigen zudem, dass prozentual mehr Menschen in China und anderen ostasiatischen Ländern ein absolutes Gehör besitzen. Begründet ist das wahrscheinlich dadurch, dass die dort gesprochenen Tonsprachen sehr viel Wert auf die Tonhöhen der Silben und auf die Sprachmelodie legen.
Die weit verbreitete Meinung, ein absolutes Gehör sei für eine „erfolgreiche“ Musikerkarriere erforderlich, ist ein Vorurteil. Im Gegenteil ist es oft der Fall, dass Musiker mit dieser Gabe bei transponierten Musikstücken oder der Verwendung verschiedener Stimmungen leiden: Die geschriebenen Noten entsprechen nicht den erfahrungsgemäßen Tonhöhen und müssen demzufolge ständig „umgerechnet“ werden.
[Bearbeiten] Varianten
Es wird unterschieden zwischen dem passiven (die Höhe gehörter Töne kann exakt angegeben werden) und dem aktiven absoluten Gehör (gewünschte Töne können vom Absoluthörer aus dem Stegreif angesungen werden). Letztere Fähigkeit setzt eine zusätzlich ausgeprägte musikalische Vorstellungskraft voraus.
Die Gabe zur Ton-Farb-Synästhesie ist im Gunde keine absolute Gehörfähigkeit. Sie kann aber angewendet dem passiven Absoluthören entsprechen.
[Bearbeiten] „Relatives Gehör“
Die meisten Menschen können Tonhöhen nur relativ unterscheiden, das heißt ihnen vorgespielte Töne nach Tonhöhe ordnen, jedoch nicht die absolute Tonhöhe erkennen. Sie können also die korrekten Intervallfolgen eines Liedes nachsingen, die Wahl der Tonart findet aber mehr oder weniger zufällig statt.
[Bearbeiten] Trivia
- Viele Menschen mit dem Williams-Beuren-Syndrom verfügen über ein absolutes Gehör.
- Der blinde Joybubbles konnte Dank seines absoluten Gehörs Steuersignale des Telefons pfeifen.
[Bearbeiten] Literatur
- Heyde, Eva-Marie: Was ist absolutes Hören? - eine musikpsychologische Untersuchung (München, 1987. ISBN 3-89019-172-X)
- Köhler, Diemut A.: Gehörbildung für Absoluthörer - musikpsychologische Grundlagen und Lehrkonzept (Frankfurt/M, 2001. ISBN 3-631-37638-3)
- Wellek, Albert: Das absolute Gehör und seine Typen (Bern, 1970)
[Bearbeiten] Weblinks
- Linkliste mit Software für das Erlangen des absoluten Gehörs
- Unbewusstes absolutes Gehör als Normalfall - Experimenteller Hinweis, dass fast alle Menschen ein unbewusstes absolutes Gehör besitzen
- Relatives und absolutes Gehör
- Informationen, Links und Forum zu Gehörbildung, absolutem und relativem Gehör