Diskussion:Balto-slawische Hypothese
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[Bearbeiten] Balto-slawische Beziehungen (zur Hypothese)
Da man mich gebeten hat, mich zur Diskussion auf der englischen Wikipedia zu äußern, stelle ich hier folgenden Text zur Debatte. Ich würde mich, falls es überhaupt jemanden interessiert, über Feedback freuen, bevor aus dem Text ein Artikel entsteht.
Vorweg sei erwähnt, dass es sich im Folgenden nicht um meine eigenen Forschungsergebnisse handelt (meine Schwerpunkte liegen "knapp daneben"), aber ich fasse relevante Erkenntnisse aus vielen Quellen zusammen. Der Text lässt sich in drei Teile gliedern: (1) Protobaltisch und Protoslawisch im Rahmen des Ur-Indoeuropäischen, (2) balto-slawische Hypothesen (nach der Ausgliederung aus dem Ur-IE), (3) Kommentare zur baltischen Isoglossengemeinschaft und deren Verhältnis zum Urslawischen.
(1) Im Rahmen der einheitlichen indoeuropäischen Sprache entwickelten sich Baltisch, Germanisch und Slawisch gemeinsam oder in engster Nähe. In dieser Periode ist es noch nicht sinnvoll, von Baltisch, Germanisch oder Slawisch zu sprechen, es handelte sich einfach um IE Dialekte, aus denen sich später die nunmehrigen baltischen, germanischen und slawischen Sprachen entwickelten. Heftig umstritten ist die Meinung einiger Sprachwissenschafter, die baltischen und slawischen Dialekte hätten sich nach der Abspaltung des Urgermanischen eine Zeit lang gemeinsam im Rahmen einer Spracheinheit entwickelt. Dieses Problem ist kaum lösbar, weil beide Sprachfamilien eh eng verwandt sind, da beide IE. Erschwerend kommt hinzu, dass die baltisch und slawisch besiedelten Gebiete über Jahrtausende unmittelbar nebeneinander lagen, wodurch die Sprachen einander beeinflussten (bis hin zur vollständigen Akkulturierung, s. die Dniepr-Balten). Sichtbar ist dabei meist nur die neueste Entwicklung der letzten Jahrhunderte.
(2) Als erster äußerte sich zum balto-slawischen Verhältnis (aus linguistischer Sicht) der Prager Sprachwissenschafter August Schleicher. Er vertrat die Meinung einer langen balto-slawischen Spracheinheit nach der Abspaltung der germanischen Dialekte. Eine konträre Meinung vertrat zB Meillet. Zwischen diesen beiden Extremen ist die Ansicht Rozwadoswkis gelegen, die besagten IE Dialekte hätte sich zwar in der frühen Phase der Ausgliederung auseinanderentwickelt, später aber wieder angenähert, worauf die unübersehbare Ähnlichkeit beider Sprachfamilien zurückzuführen wäre (ohne von einer baltisch-slawischen Spracheinheit zu sprechen). Mit einer salomonischen Lösung kam Endzelins, der von einer baltisch-slawischen Epoche spricht, jedoch nicht von Beginn weg. Wenn man die zum Teil sehr unterschiedlichen Meinungen zusammenfasst, kann man von einer urbaltischen Isoglossengemeinschaft ausgehen (so formulieren es übrigens auch Toporov, Ivanov und Mažiulis), wobei sich aus einem Dialekt dieser sprachlichen Einheit das Urslawische herausbildete und ab einem gewissen Zeitpunkt selbständig entwickelte. Es ist beispielsweise keine Einwirkung der finno-ugrischen Sprachen erkennbar (vgl. zB die sekundären Kasus im Baltischen), andererseits scheinen im Slawischen Einsprengsel aus den Sprachen der IE Steppenvölker auf. Trotzdem weisen Baltisch und Slawisch Züge auf, die in anderen IE Sprachen nicht vorkommen.
(3) Die Urbalten waren einer der größten indoeuropäischen Stämme. Es ist anzunehmen, dass sie in den Jahrtausenden nach der Auswanderung aus der IE Urheimat in weiten Teilen nicht nur Ost- und Nordosteuropas, sondern auch auf dem Balkan siedelten. Wissenschaftlich unumstritten ist der (ur-)baltische Ursprung von Dakern, Moesen, Geten und Thrakern. Die Urslawen, falls es sie in dieser Zeit überhaupt als einen eigenständigen Stamm gab, müssen auf einem sehr kleinen Gebiet gelebt haben. Ein Teil der Urbalten, die sich teilweise mit anderen IE sowie alteuropäischen Stämmen vermischt hatten, dürfte am Anfang der Ethnogenese der Slawen stehen. Das alles sind jedoch nur Hypothesen, die Spur der Protobalten und der allfälligen Protoslawen verliert sich für mehr als ein Jahrtausend spätestens nach dem Aufstieg von Rom. Die explosionsartige Verbreitung der Slawen in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung wirft viele Fragen auf. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sind die Slawen ganz eindeutig als eine eigenständige Sprachgemeinschaft zu erkennen. Sie besiedelten weite Teile Europas, mancherorts haben sie sich aber allmählich akkulturiert und sind in anderen Stämmen aufgegangen. In der Urheimat der indoeuropäischen Stämme, aus denen sich später Balten und Germanen entwickelten, herrschten noch bis zum 10. Jahrhundert die Balten vor, bevor sie von den Slawen abgelöst und assimiliert wurden (man vergleiche zB das relativ schnelle Verschwinden der etwas geheimnisvollen Dniepr-Balten). Von nun an waren die Slawen die zahlenmäßig stärkere Gruppe und die Balten befanden sich fortan in der Defensive. Die Ansicht, Ur-Slawisch habe sich aus einem urbaltischen Dialekt entwickelt, scheint ziemlich gewagt, sie dürfte aber, vorsichtig umformuliert und wenn man Obgenanntes berücksichtigt, in groben Zügen zutreffen, zumal im ersten Jahrtausend n. Chr. der Unterschied zwischen West- und Ostbaltisch nicht wesentlich geringer war als zwischen Ostbaltisch und Slawisch (wobei zu berücksichtigen ist, dass die baltischen Sprachen, im Gegensatz zum Slawischen, stark von den finno-ugrischen Sprachen beeinflusst wurden). Weiterführende Quellen:
- Lietuvių kalbos enciklopedija
- Toporovs Prussisches Wörterbuch
- Da sich dazu noch keiner geäußert hat, stelle ich den Text ein. Vor größeren Änderung bitte zuerst hier diskutieren. --Kotisch 20:07, 30. Aug 2005 (CEST)
[Bearbeiten] Überschrift.
Wissenschaftlich unumstritten ist der (ur-)baltische Ursprung von Dakern, Moesen, Geten und Thrakern. - Quellen dafür wären nett. ---
Der urbaltische Ursprung von Dakern und Thrakern ist alles andere als gesichert - aus den wenigen Sprachresten kann man eine Verwandschaft annehmen (Duridanov), die aber kaum über allg. ig. Verwandschaft hinausgeht.
- Das kann man schon näher bestimmen. --Kotisch 22:02, 20. Dez 2005 (CET)
Die Urbalten waren einer der größten indoeuropäischen Stämme m.E. gibt es keine Methoden sowas zu beweisen, also lieber weglassen. b.gliwa
- Das war flächenmäßig gemeint, in diesem Sinn stimmts. Gruß --Kotisch 21:43, 24. Dez 2005 (CET)
[Bearbeiten] Verhältnis Baltisch/Slawisch - Germanisch
Dass die slawischen und die baltischen Sprachen einen gemeinsamen Zweig bilden, ist klar, aber die germanischen Sprachen passen dort als "dritter im Bunde" nicht herein, denn diese gehören in die Gruppe der Kentum-Sprachen, während Baltisch/Slawische gemeinsam mit Indo-Iranisch die Gruppe der Satem-Sprachen bildet. Dass es in beide Richtungen starke Einflüsse gibt, ist aufgrund der räumlichen Nähe völlig klar, doch dabei handelt es sich dann nicht um Urverwandtschaft, die der Text fälschlicherweise suggeriert. --Jrohr 15:55, 3. Jan 2006 (CET)
- Nein, die "Urverwandschaft" hängt nicht direkt mit der Kentum/Satem-Teilung zusammen. Eine gemeinsame Ursprache für Baltisch, Slawisch und Germanisch wird meist nicht postuliert, sehr wohl aber areale Nähe in der indoeuropäischen Isoglossengemeinschaft und in diesem Sinn auch eine "Einheit" (von Dialekten). Es geht um die Gesamtähnlichkeit, die von dir genannte Unterscheidung ist nur eine von vielen Isoglossen. --Kotisch 16:08, 3. Jan 2006 (CET)
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- Nun ist mir schon klar, dass ich bei einem extrem konservativen Linguisten gelernt habe, und ich sehe auch ein, dass die Vorstellung der streng nach Regeln ablaufenden Verzweigung veraltet ist, aber trotzdem ist die Nähe zwischen baltischen und slawischen Sprachen doch ungleich größer als die zwischen germanischen und slawischen Sprachen, oder sind die ganzen Beispiele, die ich damals für die Klausuren gelernt habe, jetzt alle falsch? (День - dienas, рука - rankas etc. pp...)?--Jrohr 16:15, 3. Jan 2006 (CET)
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- Es geht nicht ums heutige Deutsch, schau zB auf Gotisch. BTW es heißt diena, ranka (du hast AkkPl angeführt). Wenn du auf Urslawisch, Urbaltisch und Urgermanisch schaust, ist das Bild schon a bissl anders.--Kotisch 16:20, 3. Jan 2006 (CET)
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[Bearbeiten] Baltistik
Nur so als Hinweis, diesen Artikel hat gerade jemand eingestellt. Hier werden sich doch wahrscheinlich die Experten tummeln, die ihn in einem halbwegs lesbaren Zustand bringen könnten, oder?--Jrohr 16:21, 3. Jan 2006 (CET)