Basis und Überbau (Marxismus)
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Im Marxismus spiegeln die Begriffe Basis und Überbau die Wechselwirkungen zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen und allen anderen Verhältnissen einer Gesellschaft wider. Karl Marx sagt dazu in "Zur Kritik der Politischen Ökonomie":
- „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte notwendige von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen.“ Karl Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 8f.
Die Basis ist demnach die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die Gesamtheit der Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe der Produktivkräfte entsprechen.
Der Überbau ist die Gesamtheit der dieser Basis entsprechenden politischen, juristischen, moralischen, ideologischen, künstlerischen, naturwissenschaftlichen und technischen Anschauungen sowie der dieser Basis entsprechenden politischen, juristischen und sonstigen Institutionen (Staat, politische Parteien und Organisationen, kulturelle Einrichtungen, Bildungswesen, u.a.).
Innerhalb der marxistischen Theorie gibt es unterschiedliche Auslegungen des Verhältnis von "Basis und Überbau". In der einen grundsätzlichen Auffassung bedingt und bestimmt die reale ökonomische Basis einer Gesellschaft letztlich ihren Überbau (nicht: „geistigen Überbau“, denn der „Überbau“ bezeichnet immer schon etwas „Geistiges“). Zwar wirkt der Überbau beispielsweise durch Erfindungen, technische Entwicklungen, Gesetzgebung etc. direkt auf die Basis zurück, doch diese setzt sich in letzter Instanz stets mit Notwendigkeit durch und bringt damit schlussendlich den Überbau einer Gesellschaft hervor. Zum Begriffspaar „Basis – Überbau“ gehört ebenfalls das Begriffspaar „Produktivkraft – Produktionsverhältnisse“.
Der Marxismus-Leninismus der realsozialistischen Länder war der Auffassung, dass sich in antagonistischen Gesellschaften zuerst die Basis einer neuen Gesellschaft im Schoß der alten entwickelt und danach der Überbau umgestürzt wird (Revolution), während beim Übergang zum Kommunismus zuerst ein neuer Überbau geschaffen werden muss, ehe sich eine neue Basis entwickeln kann. An diesem Punkt entzündet sich heute ein innermarxistischer Streit, bei der diese Besonderheit der gesellschaftlichen Entwicklung von vielen für falsch angesehen wird.
[Bearbeiten] Zitat
„Nach materialistischer Geschichtsauffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte die Produktion und Reproduktion des wirklichen Lebens. Mehr hat weder Marx noch ich je behauptet. Wenn nun jemand das dahin verdreht, das ökonomische Moment sei das einzig bestimmende, so verwandelt er jenen Satz in eine nichtssagende, abstrakte, absurde Phrase. Die ökonomische Lage ist die Basis, aber die verschiedenen Momente des Überbaus – politische Formen des Klassenkampfs und seine Resultate – Verfassungen, nach gewonnener Schlacht durch die siegende Klasse festgestellt usw. – Rechtsformen, und nun gar die Reflexe aller dieser wirklichen Kämpfe im Gehirn der Beteiligten, politische, juristische, philosophische Theorien, religiöse Anschauungen und deren Weiterentwicklung zu Dogmensystemen, üben auch ihre Einwirkung auf den Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus und bestimmten in vielen Fällen vorwiegend deren Form.
Es ist eine Wechselwirkung aller dieser Momente, worin schließlich durch alle die unendlichen Menge von Zufälligkeiten (d. h. von Dingen und Ereignissen, deren innerer Zusammenhang untereinander so entfernt oder so unnachweisbar ist, dass wir ihn als nicht vorhanden betrachten, vernachlässigen können) als Notwendiges die ökonomische Bewegung sich durchsetzt. (...)
Wir machen unsere Geschichte selbst, aber erstens unter sehr bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen. (...) Zweitens aber macht sich die Geschichte so, dass das Endresultat stets aus den Konflikten vieler Einzelwissen hervorgeht, wovon jeder wieder durch eine Menge besonderer Lebensbedingungen zu dem gemacht wird, was er ist; es sind also unzählige einander durchkreuzende Kräfte, eine unendliche Gruppe von Kräfteparallelogrammen, daraus eine Resultante – das geschichtliche Ergebnis – hervorgeht, die selbst wieder als das Produkt einer, als Ganzes bewusstlos und willenlos wirkenden Macht angesehen werden kann.“– Friedrich Engels: Brief an Joseph Bloch
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Friedrich Engels, Brief von Engels an Borgius, 1894, MEW 39, S. 206' (Lesen (englisch))
- Friedrich Engels, Brief von Engels an Joseph Bloch, 1890, MEW 37, S.463' (Lesen (englisch))
- Chris Harman (englisch), Basis und Überbau, 1986 (Lesen)
- Karl Marx, Vorwort zu "Zur Kritik der Politischen Ökonomie", 1859, MEW 13, S. 7-11 (Lesen)
- Dieter Nohlen, Rainer-Olaf Schultze (Hrsg.), Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe. Band 1, 2005, Seite 62f.
- Werner J. Patzelt, Einführung in die Politikwissenschaft. Grundriss des Faches und studiumbegleitende Orientierung, 5., überarbeitete und erweiterte Auflage. Passau 2003, Seite 306-308.