Bollinger-Bänder
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Bollinger-Bänder oder Bollinger-Bands sind ein in den 1980er Jahren von John Bollinger entwickeltes Verfahren zur Chartanalyse. Basierend auf der Normalverteilung wird davon ausgegangen, dass aktuelle Kurse eines Wertpapiers mit größerer statistischer Wahrscheinlichkeit in der Nähe des Mittelwertes vergangener Kurse liegen, als weit davon entfernt.
Bollinger Bänder bestehen aus:
- einem mittleren Band, das aus dem arithmetisch gleitenden Durchschnitt (simple moving average) der vergangenen n Tage errechnet wird,
- einem oberen Band (entry band), das aus dem gleitenden Durchschnitt zuzüglich k Standardabweichungen errechnet wird und
- einem unteren Band (exit band), das aus dem gleitenden Durchschnitt abzüglich k Standardabweichungen errechnet wird.
Häufig werden für n 20 Tage und für k 2 angenommen, allerdings sind andere Werte möglich.
Wird die einfache Standardabweichung genommen, so liegen statistisch gesehen circa 66% aller Kurse eines Wertpapiers innerhalb der 2 Begrenzungslinien, bei 2 Standardabweichungen sind es 95%.
[Bearbeiten] Interpretation
Die häufigste Interpretation sieht aus wie folgt: Ein Kurs nahe des oberen oder unteren Bandes wird als Signal für eine kurzfristige Bewegung zum anderen Band gedeutet. Bildet sich jedoch ein Plateau an einem der beiden Bänder und wiederholt sich dieses, ist eine Trendwende zu erwarten. Das Zusammenlaufen des oberen und unteren Bandes in Richtung des gleitenden Durchschnitts impliziert eine größere Kursbewegung, wobei die Richtung nicht bestimmt werden kann. Bricht der Kurs jedoch aus dem Kanal aus, wird die Fortsetzung dieser Bewegung angenommen.
John Bollinger sagt jedoch, dass die Bänder selbst nur Aufschluss darüber geben, ob ein Titel aktuell relativ günstig oder relativ teuer gehandelt wird. Um gültige Trading-Signale zu generieren, sind auch die ebenfalls von Bollinger entwickelten Parameter %b und Bandwidth (Bandbreite) zu beachten. Da diese zusätzlichen Parameter jedoch in Standard-Anwendungen (Börse-Software oder Internetseiten mit Chartingfunktionen) sehr selten verfügbar sind, werden Bollinger Bänder zumeist falsch interpretiert, weil bedeutende Informationen fehlen.
[Bearbeiten] Kritik
Die Bänder können keine, wie von einigen Befürwortern angenommen, zuverlässigen Aussagen über die Wahrscheinlichkeit treffen, dass der Kurs innerhalb eines bestimmten Abstands zum gleitenden Durchschnitt liegen wird. So wäre die Annahme falsch, dass der Kurs in 95% der Fälle innerhalb der Bollinger Bänder liegt. Dies liegt in erster Linie daran, dass die Annahme der Normalverteilung für Kursbewegungen an der Börse nicht zutreffend ist. Nach bisherigem Kenntnisstand folgen die Börsenbewegungen keiner bekannten Verteilungsfunktion (Benoît Mandelbrot beobachtete in seinen Arbeiten eine Power law Verteilung, die sich allerdings der linearen Analyse entzieht). Weiterhin setzen die Bollinger Bänder voraus, dass die Standardabweichung bekannt ist, was hier nicht der Fall ist. Die oben beschriebene Standardabweichung ist eine unsichere Schätzung der wahren Abweichung.
Dennoch hat sich diese Analysemethode in der Praxis als verlässliches Mittel zur Visualisierung von Preisvolatilitäten erwiesen. Bollinger wies selbst darauf hin, dass der Berührung des Kurses mit dem oberen oder unteren Band keine besondere Bedeutung beigemessen werden sollte, und dass zusätzliche Faktoren zur Investitionsentscheidung herangezogen werden sollten.
Interessanterweise hat die massenhaft fehlerhafte Interpretation der Bollinger-Bänder, basierend auf nicht korrekten statistischen Annahmen, dazu geführt, dass einige Händler diese Bewegungen als alleiniges Handelssignal betrachten. Insofern kann auch hier, wie bei der Chartanalyse generell, von selbsterfüllender Prophezeiung gesprochen werden.