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Boris Godunow (Oper)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Boris Godunow ist eine Oper (oft auch "musikalisches Volksdrama" genannt) in vier Akten mit Prolog von Modest Mussorgski nach Motiven des gleichnamigen Dramas von Puschkin, deren Urfassung 1870 fertig gestellt wurde.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Entstehung und Aufführungsgeschichte

Libretto vom Komponisten, nach dem Drama von Alexander Sergejewitsch Puschkin („Dramatische Chronik vom Zaren Boris und Grischka Otrepjeff“). Weitere Quellen Mussorgskis sind die „Geschichte des Russischen Imperiums“ von N. M. Karamzin (1816-29), das bereits Puschkin zur Grundlage seiner Dramatischen Chronik (1825) gedient hatte, außerdem Iwan Chudjakows „Das mittelalterliche Rußland“ (1867).

1868 bis 1870 entsteht eine erste Fassung („Urfassung“). Die zweite, bekanntere Fassung ist von 1872. Die Urfassung gab P.Lamm 1928 als Notendruck heraus. Das Fehlen einer großen Frauenrolle drohte jedoch die Verbreitung dieser ursprünglichen Version zu verhindern, so dass mit Einführung der Marina auch weitere Bilder hinzu komponiert wurden. Diese Fassung von 1872 wurde am 8. Februar (27. Jan.) 1874 im Mariinski-Theater in St. Petersburg uraufgeführt (Besetzung: Warlaam - Afanasajewitsch Petrow; Marina - Julia F. Platonowa). Die Inszenierung fand 25 Wiederholung, bevor sie aus offenbar politischen Gründen abgesetzt wurde. Unter Eduard Naprawnik (russischer Dirigent und Komponist, 1839 - 1916) wurden das „Schenkenbild“ und die beiden „Polen-Bilder“, die Mussorgski im Jahr zuvor komponiert hatte, bereits am 17. Februar 1873 an der Hofoper St. Petersburg aufgeführt. Bei seinem Tod 1881 hinterlässt Mussorgski noch mehrere nicht instrumentierte Szenen.

Weitere Aufführungen:

  • 28. Dez. 1888 Moskau, Bolschoi
  • 28. Nov. 1896 St. Petersburg, Großer Saal des Konservatoriums (Erste Bearbeitung von Rimsky-Korsakow)
  • 19. Dez. 1898 Moskau, Operngesellschaft Mamontow (mit Fjodor Iwanowitsch Schaljapin)
  • 19. Mai 1908 Paris, Grand Opéra (Weitere, zweite Bearbeitung von Rimsky-Korsakow)
  • 23. Okt. 1913 deutsche Erstaufführung in Breslau (deutsche Textfassung M.Lippold)
  • 5. März 1929 Moskau, Staatliches Operntheater K.S. Stanislawski (Fassung von 1869)
  • 22. Jan. 1936 deutsche Erstaufführung der Urfassung in Hamburg (deutsche Textfassung H. Möller)
  • Französische Erstaufführung 1908 (Paris, Grand Opéra), italienische Erstaufführung 1909 (Mailand, Scala) - beide in der Fassung von Rimski-Korsakow
  • 4. Nov. 1959 Leningrad, Kirow-Theater (ehemaliges Marinskij-Theater) (Fassung von Dimitri Schostakowitsch mit Instrumentierung aller von Mussorgski hinterlassenen Teile)


[Bearbeiten] Besetzung, Orchester und Partitur

[Bearbeiten] Solisten

  • Boris Godunow - Helden- oder Charakterbariton/Hoher Charakterbass
  • Fjodor - Lyrischer Sopran/Soubrette/Mezzosopran und Xenia - Lyrischer Sopran (seine Kinder)
  • Xenias Amme - Dramatischer Alt/Spielalt
  • Fürst Wassili Iwanowitsch Schuiski - Charaktertenor/Jugendlicher Heldentenor
  • Andrei Stschelkalow (Geheimschreiber der Bojaren-Duma) - Charakterbariton
  • Pimen (Chronikschreiber, Mönch) - Seriöser Bass/Heldenbariton
  • Grigori Otrepjew (Prätendent, der falsche Dimitri) - Jugendlicher Heldentenor
  • Marina Mnischek (Tochter des Woiwoden von Sandomir) - Dramatischer Sopran/Dramatischer Mezzosopran
  • Rangoni (geheimer Jesuit) - Charakterbariton oder -bass
  • Warlaam - Charakterbaß/Baß buffo/Baß-Bariton und Missail - Spieltenor/Tenor buffo (entlaufene, vagabundierende Mönche)
  • Eine Schenkwirtin - Spielalt/Mezzosopran
  • Ein Schwachsinniger (Narr) - Spieltenor/Tenor buffo
  • Nikititsch (Vogt) - Bariton/Baß
  • Ein Leibbojar - Tenor
  • Bojar Chrustschow - Tenor
  • Lowitzki und Tschernjakowski - Bässe (Jesuiten)
  • Mitjuch (Bauer) - Bariton/Baß
  • Eine Frau aus dem Volke - Alt
  • Chor Chrustschow, Mitjuch und Frau aus dem Volke. Volk, Bojaren, Strelitzen, Wachen, Hauptleute, Aufseher, Magnaten, Polnische Damen, Mädchen aus Sandomir, Wandernde Pilger und Kinder (Knabenchor im letzten Bild) (Große Aufgaben)

[Bearbeiten] Orchester

Fassung Rimski-Korsakow: 3 Flöten (3. auch Kleine Flöte), 2 Oboen (2. auch Englisch Horn), 3 Klarinetten (3. auch Bassklarinette), 2 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Basstuba, Pauken, Schlagzeug, Glocken, Harfe, Klavier, Streicher Bühnenmusik: Trompete, Glocken, Tamtam Fassung Schostakowitsch: 3 Flöten (3 auch Kleine Flöte), 2 Oboen, Englisch Horn, 3 Klarinetten (3. auch Es-Klarinette), Baßklarinette, 3 Fagotte (3. auch Kontrafagott), 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Baßtuba, Pauken, Schlagzeug, Glocken, Glockenspiel, Harfe, Klavier, Celesta, Streicher Bühnenmusik: 4 Trompeten, 2 Cornets à piston, 2 Hörner, 2 Tenorhörner, 2 Baritonhörner, 2 Basstuben, Balaika und Domra ad lib.

[Bearbeiten] Partitur

Durchkomponierte Szenenfolge (insofern ist die in den Opernführern, z.B. Reclam oder Clemens Wolthens, zu findende Bezeichnung von vier Akten eher fiktiv) Verlage:

  • Fassung 1869 und 1872/74 Oxford University Press, London (hrsg. von David Lloyd-Jones)
  • Bearbeitungen von Rimskij-Korsakow Muzgiz, Moskau; Breitkopf & Härtel, Wiesbaden
  • Bearbeitung von Schostakowitsch Henschel Verlag, Berlin (DDR)

[Bearbeiten] Inhalt

Die Handlung spielt in den Jahren 1598 bis 1605 in Russland und Polen.

[Bearbeiten] Prolog

Erstes Bild: Boris Godunow weigert sich bislang, die ihm angetragene Zarenwürde anzunehmen. Im Hofe des Jungfrauenklosters bei Moskau zwingt Vogt Nikitisch das herandrängende Volk mit Peitschenhieben auf die Knie, damit sein Flehen Boris erweiche. Er fordert die Menge auf, mit dem Bild des Heiligen Wladimir dem zukünftigen Zaren entgegen zu ziehen. Zweites Bild: Auf dem Platze im Moskauer Kreml begibt sich Boris schließlich unter Glockenklange und Jubel der Bevölkerung zur Krönung in die Kathedrale. In banger Ahnung ums Geschick seiner Herrschaft bittet er um des Himmels Segen, der dem Volke wieder einen Vater geben möge. Unendlicher Jubel der Volksmenge.

[Bearbeiten] Erster Akt

Erstes Bild: Im Kloster Tschudow sitzt der Mönch Pimen über der Chronik Russlands, die er schreibt. Er bittet den jungen Grigorij, das letzte Kapitel für ihn zu vollenden, da er sich selbst zu müde und schwach fühlt. In diesem letzten Kapitel wird es um die Geschehnisse um den jungen Zarewitsch gehen, der auf Betreiben Boris Godunows ermordet wurde. Er wäre jetzt so alt wie der Mönch Grigorij. Dieser zeigt sich von der Geschichte sehr angetan. Zweites Bild: In einer Gastwirtschaft an der Grenze zu Litauen kehrt Grigorij zusammen mit zwei entlaufenen Mönchen, denen Grigorij sich angeschlossen hat, ein. Von der Wirtin versucht er den Weg über die Grenze zu erfahren. Die auftauchende Wache zeigt einen Steckbrief vor, in dem nach dem aus dem Moskauer Kloster entlaufenen Mönch gefahndet wird. Da der Soldat jedoch nicht lesen kann, erhält Grigorij die Gelegenheit, den Verdacht auf einen seiner beiden Begleiter zu lenken. Dieser jedoch entziffert die wahren Angaben des Steckbriefs und Grigorij rettet sich mit einem Sprung aus dem Fenster.

[Bearbeiten] Zweiter Akt

Erstes Bild: Saal im Kreml. Die Tochter Boris', Xenia, trauert um ihren verstorbenen Verlobten. Ihr Bruder studiert die Landkarte des großen russischen Reiches. Amme und Feodor suchen Xenia durch ein munteres Lied zu erheitern. Nach Eintreten des Vaters weist dieser seinen Sohn Feodor auf das schwere Amt des Herrschers hin. Das Familienidyll wird aufgelöst durch das Erscheinen Schuiskijs, den Boris konspirativer Tätigkeit verdächtigt. Schuiskij berichtet von einem Usurpator, der sich in Polen als rechtmäßiger Zar Dimitrij ausgebe und starken Anhang gefunden habe. Schuiskij muss durch die verunsicherte Nachfrage Boris beteuern, dass der Zarewitsch den sichereren Tod gefunden habe, da er selbst seine Leiche in der Kathedrale von Uglitsch gesehen habe. Boris bleibt, gequält vom Gewissen, im Zimmer zurück. Ihm erscheint die Vision des gemordeten Knaben und er sinkt zusammen.

[Bearbeiten] Dritter Akt

Erstes Bild: Im Schlosse von Sandomir in Polen träumt Marina Mnischek, egoistische Tochter des Wojwoden von Sandomir, als künftige Zarin Einzug in Moskau zu halten. Den fremden Abenteurer, der sich für den Zarewitsch Dimitrij ausgibt, will sie sich zu Nutze machen. Der Jesuit Rangoni bestützt Marina in diesem Ansinnen, da das hohe Ziel der Kirche durch eine Heirat der Katholikin mit Dmitrij erreicht würde. Zweites Bild: Rangoni überbringt dem im Schlossgarten wartenden Dimitrij die Kunde von Marinas Liebe zu ihm und bittet den Zarewitsch als dessen Ratgeber ihn begleiten zu dürfen. Als Marina, umschwärmt von einem Haufen Magnaten, Dimitrij entgegen tritt, fühlt dieser Eifersucht aufsteigen. Marina, die bald darauf allein zurückkehrt, versichert ihm jedoch, ihm angehören zu wollen, so er ihr die Zarenkrone verschaffe.

[Bearbeiten] Vierter Akt

Erstes Bild: Im Kreml beraten die Bojaren über Maßnahmen gegen den Usupator. Schuiskij berichtet vom schlechten Gesundheitszustande des Zaren, der jedoch zur Ratsversammlung erscheint - ein Schatten seiner selbst. Pimen tritt ein und berichtet vom Wunder des Blinden, dem der ermordete Knabe im Dom zu Uglitsch erschienen sei und der darauf sein Augenlicht wiedergewann. Boris Godunow bricht darauf zusammen, verlangt das Büßergewand, übergibt die Krone an seinen herbeigerufenen Sohn Feodor und stirbt. Zweites Bild: Wald bei Kromy. Die erregte Menge schleppt den Bojaren Chruschtschow herbei, um ihn zu verhöhnen. Ein Schwachsinniger (Gottesnarr) wird von Knaben geneckt und beraubt. Die beiden entlaufenen Mönche aus der Schenke treten auf und singen, um Stimmung für den Zarewitsch Dimitrij zu machen. Zwei Jesuiten schließen sich ihnen an, erregen jedoch das Missfallen der Menge, so dass Dimitrij dazwischentreten muss, dass sie nicht gelyncht werden. Der Usurpator verheißt allen von Boris Godunow Verfolgten Beistand. Die Menge bricht in Jubel aus, nur der Schwachsinnige (Narr) klagt: "Wehe dir, du armes Volk!"

[Bearbeiten] Musik

"Nächst Richard Wagners Tristan und Isolde hat kaum ein anders Werk so zukunftweisend und anregend auf die Entwicklung der Oper gewirkt wie Boris Godunow. Mussorgskij ist eine ebenso elementare musikalische wie dramatische Begabung. Im Grunde wurzelt er in der russischen Volksweise mit ihren mannigfachen Beziehungen zur asiatischen Musik und deren Harmonik. Aber das Geheimnis seiner Tonsprache und ihrer faszinierenden wirkung wird damit noch nicht völlig erklärt. Es kommt etwas Eigenstes hinzu, das sich rein verstandesmäßiger Deutung entzieht. Staunenswert ist die Spannweite dieser Musik, die von der naiven Kinderweise bis zu wildester Leidenschaft, vom derbsten Humor bis zu keuschester Verinnerlichung, vom Dämonischen bis zu himmlischer Verklärung reicht und für alles den natürlichsten, treffendsten Ausdruck findet" (Wilhelm Zentner in: Reclams Opernführer. 32. Aufl. 1988, S. 333)

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Weblinks

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