British Parliamentary Style
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Im englischen Sprachraum gibt es viele Debattierclubs, die nach bestimmten Regeln durchgeführt werden. Eine der jüngsten von diesen ist der sogenannte British Parlimentary Style. Die ersten Deutschen Meisterschaften wurden 2001 in Berlin nach diesem Regelwerk durchgeführt. Auch Europa- und Weltmeiterschaften werden in diesem Format ausgetragen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Allgemeines
Eine Debatte im Debattieren im British Parliamentary Style besteht aus einer Regierungsfraktion und einer Oppositionsfraktion. Jede Fraktion besteht aus zwei Teams à zwei Redner. Jedem Team wird dabei eine Position (Regierung oder Opposition) zugelost, so dass niemand davon ausgehen kann, seine eigene Meinung vertreten zu dürfen. Dies soll über das Debattieren hinaus jeden in die Lage versetzen, sich in fremde Sichtweisen hineindenken zu können.
Am Beginn der Debatte steht eine zentrale Streitfrage, das Thema der Debatte. Es kann lauten: Dieses Parlament glaubt, dass es einen Mindestlohn in Deutschland braucht. Der Bekanntgabe bzw. Wahl des Themas schließt sich eine 15-minütige Vorbereitungszeit an, in der sich die vier Teams getrennt auf die Debatte vorbereiten. Danach fordert der mit Glocke und Stoppuhr ausgerüstete Präsident (vergleichbar mit einem Schiedsrichter) die Redner und die Juroren auf, ihre Plätze einzunehmen, und die Debatte kann beginnen.
Erster Redner ist der Premierminister. Er formuliert aus dem Thema der Debatte einen konkreten Antrag, der fortan im Zentrum der Debatte steht. Die Regierung streitet für die Umsetzung des Antrags, die Opposition dagegen. Ihm schließt sich die Gegenrede des Oppositionsführers an. Diesem erwidert der stellvertretende Premierminister, diesem der stellvertretende Oppositionsführer, und so weiter im Wechsel zwischen Regierung und Opposition. Dabei darf kein Redner der Regierung einem vorangegangenen Redner der Regierung und kein Redner der Opposition einem vorangegangenen Redner der Opposition inhaltlich widersprechen („Dolchstoß“).
Jeder Redner hat 7 Minuten Redezeit, die er nach Möglichkeit ausschöpfen soll. Nach Ablauf der ersten und nach Ablauf der sechsten Minute der Rede erklingt jeweils ein Glockenschlag. Diese Signale grenzen die geschützte Redezeit zu Beginn und Ende der Rede von der freien Redezeit dazwischen ab. Während der freien Redezeit dürfen die Redner der Gegenseite Wortmeldungen anbieten. Dazu erheben sie sich und erklären laut und deutlich, dass sie eine Wortmeldung anbringen möchten („Zu diesem Punkt“, „Zwischenfrage“, „Wortmeldung“). Nimmt der Redner am Pult die Wortmeldung an, darf sie vorgetragen werden. Jeder Redner soll ein bis zwei Wortmeldungen annehmen. Die Wortmeldung darf 15 Sekunden nicht überschreiten und muss sich auf den aktuellen Punkt des Redners am Pult beziehen. Nach Ablauf der siebenminütigen Redezeit erklingen zwei Glockenschläge. Die Rede muss dann innerhalb von 15 Sekunden zum Ende gebracht werden.
Nach Ende der Debatte beraten sich die Juroren einige Minuten über die Leistungen der Redner und Teams. Danach tragen sie ihre Bewertung vor. Dabei versuchen sie, jedem Redner eine konstruktive Kritik seiner Rede mit auf den Weg zu geben. Jeder Redner soll sich darüber im Klaren sein, dass die Eindrücke der Juroren nur subjektiv sein können, und auch bei gegenteiliger Auffassung zunächst das Ende des gesamten Bewertungsvortrages abwarten, ehe er in einem sachlichen Gespräch mit den Juroren die eigene Meinung vertritt.
[Bearbeiten] Die Aufgaben der einzelnen Redner
1. Premierminister: Konkretisierung des Themas im Antrag. Dieser besteht aus der Problemdarstellung, der Ursachenbeschreibung, dem Plan der Regierung und der Beschreibung der Konsequenzen der Planausführung. Der Plan muss eine Änderung des Status quo beinhalten und durch eine Parlamentsentscheidung umsetzbar sein. Ausblick auf Punkte des stellvertretenden Premierministers.
2. Oppositionsführer: Darstellung eines grundlegenden Gegenstandpunktes zum Vorschlag der Regierung. Die Gegenposition muss sich nicht gegen das Grundproblem richten, sondern kann auf jeden Teil des Regierungsantrags bezogen sein. Es kann auch ein Oppositionsplan zur Problemlösung vorgeschlagen werden. Ausblick auf Punkte des stellvertretenden Oppositionsführers.
3. Stellvertretender Premierminister: Untermauern des Standpunktes der Eröffnenden Regierung, d.h. vertiefendes Darstellen der Antragsteile und Einbringen neuer Argumente. Wichtig: Eingehen auf Vorredner der Gegenseite in Gegenargumentation.
4. Stellvertretender Oppositionsführer: Untermauern des Gegenstandpunktes der Eröffnenden Opposition, d.h. vertiefende Darstellung und Einbringen neuer Argumente. Wichtig: Eingehen auf Vorredner der Gegenseite in Gegenargumentation.
5. Mitglied der Regierung: Weiterführen der Debatte im Sinne des Regierungsantrags. Unbedingt: Einführung eines gewichtigen neuen Arguments und/oder einer Erweiterung, d.h. eines Unterantrags, der dem Regierungsantrag einen neuen Aspekt hinzufügt und optimalerweise während der Debatte aufgetretene kritische Punkte behebt. Wichtig: Eingehen auf Gegenseite.
6. Mitglied der Opposition: Weiterführen der Debatte im Sinne des Oppositionsstandpunktes. Unbedingt: Einführung eines gewichtigen neuen Arguments und/oder einer Erweiterung, d.h. eines Unterantrags, der dem Oppositionsplan einen neuen Aspekt hinzufügt und optimalerweise während der Debatte aufgetretene kritische Punkte behebt. Wichtig: Eingehen auf Gegenseite.
7. Einpeitscher der Regierung: Zusammenfassen der Debatte aus Regierungssicht. Kernthesen und Argumente herausfiltern. Nachdrücklich und leidenschaftlich für Plan inkl. Erweiterung werben. Keinesfalls neue Argumente einbringen. Dennoch wichtig: Eingehen auf Vorredner der Gegenseite.
8. Einpeitscher der Opposition: Zusammenfassen der Debatte aus Oppositionssicht. Kernthesen und Argumente herausfiltern. Nachdrücklich und leidenschaftlich für Gegenstandpunkt inkl. Erweiterung werben. Keinesfalls neue Argumente einbringen. Dennoch wichtig: Eingehen auf Vorredner der Gegenseite.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Debatte
- Debattierclub
- World Schools Debating Style
- Offene Parlamentarische Debatte
- Verband der Debattierclubs an Hochschulen.
[Bearbeiten] Weblinks
- Deutsches Debattierportal
- dresden-debating.de
- Debating Society Germany e.V.
- Vaevictis Debattierclub Frankfurt e.V.
[Bearbeiten] Literatur
- Blum, Christian: Debattieren - die Königsform der Rhetorik erlernen. München 2007.