Der Stellvertreter
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Der Stellvertreter ist ein Dokumentarschauspiel von Rolf Hochhuth. Es behandelt die Schuldfrage von Papst Pius XII. zur Zeit der NS-Diktatur und wurde am 20. Februar 1963 in der Freien Volksbühne West-Berlin uraufgeführt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Inhalt
Zu Beginn des ersten Aktes versuchen der SS-Obersturmführer Kurt Gerstein mit Unterstützung des Jesuitenpaters Riccardo Fontana den Berliner Nuntius zu überzeugen, gegen die Judenvernichtung zu protestieren. Der päpstliche Vertreter verweist jedoch darauf, dass er dazu keine Befugnis hätte. In der zweiten Szene folgt eine Exposition vieler Figuren. Einige Nationalsozialisten sind nämlich zum Kegeln versammelt. Besonders auffällig ist der Zynismus des Doktors, der medizinische Experimente in Auschwitz durchführt. Die nächste Szene hat Gersteins Wohnung zum Schauplatz. Riccardo besucht ihn und übergibt seinen Pass und Soutane an Jacobsen, einen Juden, dem der SS-Offizier Unterschlupf gewährt.
Wenig später spricht Riccardo zusammen mit seinem Vater direkt beim Papst vor, um abermals seine Forderung nach Protest gegen den Holocaust zu stellen. Der Heilige Vater jedoch zeigt sich unkooperativ. Die Kirche habe die Stellung eines Vermittlers, zudem sei die Sowjetunion eine Gefahr für das Christentum, weshalb man neutral bleiben möchte.
Inzwischen werden die italienischen Juden deportiert. Ein Kardinal besucht ein Kloster, das privilegierten Juden Unterschlupf gewährt. Riccardo und Gerstein nutzen diese Gelegenheit, um diese Maßnahmen als unzureichend zu deklarieren. Riccardo möchte den Generalabt überzeugen, sich des vatikanischen Rundfunks zu bemächtigen, um Protestaufforderungen auszustrahlen, was dieser jedoch ablehnt.
Der vierte Akt besteht wieder aus einer Konfrontation zwischen Papst und Riccardo. Des Paters Hauptvorwürfe sind Gott soll die Kirche nicht verderben, nur weil ein Papst sich seinem Ruf entzieht (S. 292) und Ein Stellvertreter Christi, der das vor Augen hat und dennoch schweigt, ein solcher Papst ist ein Verbrecher. Als das Gespräch weiter ergebnislos bleibt, plant Riccardo nach Auschwitz zu gehen, schließlich könne ein Priester als Stellvertreter des Papstes fungieren, wenn der Pontifex Christus auf Erden vertritt. Der Papst schweigt erschüttert und kann nur noch ein Gebet mit den restlich Anwesenden sprechen.
In Auschwitz angekommen trifft Riccardo auf den zynischen Lagerarzt, der ihn als Gottesforscher arrangieren möchte: Teufel – wundervoll! Ich: der Teufel. Sie: mein Hauskaplan (…) Sie sterben hier, wenn Sie’s nicht lassen können, wie eine Schnecke unterm Autoreifen – sterben, wie halt der Held von heute stirbt, namenlos und ausgelöscht von Mächten, die er nicht einmal kennt, geschweige denn bekämpfen könnte. Also sinnlos. (S. 326f.) Gerstein will den Pater abholen und verlangt, an seiner Stelle Jacobsen mitzunehmen.Doch der Arzt lässt den Geistlichen erschießen. Der Papst hat sich (…) zu keiner demonstrativen Äußerung gegen den Abtransport der Juden hinreißen lassen. (S. 378) Der Mord an den Juden wird bis zum Kriegsende fortgesetzt.
[Bearbeiten] Stichpunktartige Zusammenfassung der wichtigsten Szenen
[Bearbeiten] 1. Akt 1.Szene
- Kurt Gerstein verschafft sich zutritt zum Nuntius
- erzählt über Leid der Juden
- Nuntius weist ihn ab.Berliner Nuntius sei nicht verantwortlich für die Juden. Somit könne er nichts ändern
- Ricardo zutiefst geschockt
[Bearbeiten] 1. Akt 3.Szene
- besucht Gerstein zu Hause
- Ricardo verspricht Gerstein zum Papst zu fahren und diesen von den Umständen in den KZs zu erzählen
- Ricardo tauscht mit Jacobsen den Pass. Jacobsen ist ein Jude, den Gerstein zu Hause versteckt
[Bearbeiten] 2. Akt
- Ricardo fährt nach Rom zu seinem Vater
- Riccardo verurteilt den Papst, da er nichts unternimmt
- Beschimpft ihn:
„„Ein Stellvertreter Christi, der das vor Augen hat und dennoch schweigt, aus Staatsräson, der sich nur einen Tag besinnt, nur eine Stunde zögert, die Stimme seines Schmerzes zu erheben zu einem Fluch, der nach den letzten Menschen dieser Erde erschauern lässt - : ein solcher Papst ist … ein Verbrecher.““
– Zitat aus "Der Stellvertreter" S.137
- Ricardo schafft es nicht seinen Vater zu überzeugen, der hält nur mit schlechten Argumenten dagegen
- Der Kardinal kommt zu Besuch
- Ricardo versucht zu erfahren ob der Papst das Konkordat mit Hitler kündigen will
(Konkordat ist ein Bündnis zwischen Hitler und dem Papst, dass sich der Papst nicht in die Politik Hitlers einmischt und dafür lässt Hitler die Katholiken in Ruhe)
- Der Kardinal jedoch vertritt die neutrale Linie und zählt Argumente auf, warum man sich gegenüber den Gräueltaten ruhig verhalten sollte.
- Der Kardinal erzählt Riccardo, wie er die ganze Sache zu sehen habe und schickt ihn als Strafe nach Lissabon.
- Von dieser Zeit an teilt Graf Fontana die Meinung seines Sohnes.
[Bearbeiten] 3.Akt 2.Szene
- Als der Kardinal den Abt besucht, treffen auch Riccardo (zurück aus Lissabon) und Gerstein ein.
- Gerstein berichtet wie nun auch Deportationen in Rom stattfinden. (Rom wurde bis jetzt verschont)
- Der Kardinal argumentiert mit der
- neutralen Haltung der Kirche und dass
- wenn man Hitler jetzt schwächen würde, würde er in Russland verlieren und
- der Kommunismus kommt
- Dass wiederum würde die Kirche schwächen.
- Riccardo will alle Priester Europas zu einem offenen Protest aufrufen. (Vatikan Radio)
- Er bittet den Abt um Beihilfe.
- Ein geplanter Mord am Papst, der vom Abt als von der SS verübt dargestellt werden soll, soll den öffentlichen Protest der Kirche hervorrufen.
- Der Abt ist entsetzt.
- Schmeißt beide raus
[Bearbeiten] 4. Akt 1.Szene
- Danach kommt es zu einem Gespräch zwischen dem Kardinal und Graf Fontana im päpstlichen Palast.
- Fontana ist der Meinung, dass der Papst Hitler schreiben sollte.
- Er unterrichtet den Kardinal von einem Protestbrief eines deutschen Bischoffs (verurteilt Hinrichtung Kranker)
- Kardinal ist bestürzt und hat davon nichts gewusst
- Dann kommt es zu einer Beratung mit dem Papst, wobei es um machtpolitische und wirtschaftliche Interessen des Vatikans geht.
- Fontana erzählt auch dem Papst von dem Protest des Bischofs.
- Dieser ist erstaunt und verärgert. Dennoch will er nichts unternehmen
- Er will Hitler nicht provozieren
- Ricardo kommt hinzu
- Riccardo erklärt, dass es um die Ehre des Heiligen Stuhls ginge.
- Der Papst jedoch hält dagegen und sagt, dass nur seine Vorgehensweise es möglich gemacht hätte, Juden zu verstecken, Pässe zu beschaffen
- Der Papst gibt zu, schon lange von den Deportationen in Rom gewusst zu haben.
- Fontana versucht den Papst zu einem Protest zu bewegen
- Papst:
„„Fontana! Ein Berater von Ihrem Blick – wie bitter daß jetzt auch Sie uns mißverstehen. Sehen Sie nicht, daß für das christliche Europa die Katastrophe naht, wenn Gott nicht Uns, den Heiligen Stuhl, zum Vermittler macht* Die Stunde ist düster: zwar wissen Wir, den Vatikan rührt man nicht an. Doch Unsere Schiffe draußen, die Wir steuern sollen* Polen, der ganze Balkan, ja Österreich und Bayern noch* In wessen Häfen werden sie geraten* Sie könnten leicht im Sturm zerschellen. Oder sie treiben hilflos an Stalins Küsten. Deutschland ist heute Hitler. Phantasten, die da behaupten, der Sturz des jetzigen Regimes in Deutschland habe nicht den Zusammenbruch der Front zur Folge. Hitlers Generalen, die ihn beseitigen wollen trauen wir weniger zu als gar nichts. Sie wollten schon im Frühjahr vierzig handeln. Wie handelten sie denn* Sie ließen sich von Hitler dekorieren und schlugen ganz Europa kurz und klein. Wir kennen ihresgleichen aus Berlin: Die Generalität hat keine Meinung, wenn Hitler fällt, wird sie nach Hause gehen…““
– Zitat aus "Der Stellvertreter" S.273
- Riccardo beginnt eine harte Diskussion
- Doch der Papst wehrt sich entschieden. Vor allem mit dem Argument, dass Stalin kommt wenn Hitler fällt.
- kann den Papst jedoch nicht umstimmen.
- Danach setzt er eine nichts sagende, äußerst neutrale Botschaft auf, die von Riccardo als Blankovollmacht für Hitler gegenüber den Juden bezeichnet wird.
- Dieser heftet sich daraufhin den gelben Judenstern an.
- und will für die Last der Kirche im KZ und als Zeichen des Protests zu sterben
[Bearbeiten] 5.Akt 2.Szene
- Im KZ trifft Riccardo auf den „Doktor“, den „Chef“ im KZ
- Im Gespräch mit ihm stellt der Doktor fest, dass Ricardo ein Märtyrer ist und in Qual Christo sterben will
- Doch der Doktor hat ganz andere Pläne mit ihm
- Er will ihn als Laborpartner haben
- Riccardo äußert sich nicht zu diesem Vorschlag
- Er verabscheut diesen Menschen er hält ihn für Krank
- Auf die Frag, warum der Doktor das alles macht antwortet der Doktor, dass er ein Zeichen Gottes sucht auch wenn dieses sehr negativ ist
- seit er das macht wurde er noch nicht vom Blitz getroffen
- der Doktor glaubt nicht mehr an den Sieg Hitlers
- und hat Angst von den Alliierten gehängt zu werden.
- Macht Riccardo einen Vorschlag
- Er gibt ihm die Freiheit und bringt ihn zurück nach Rom
- Dafür will er sich in Rom mit der Hilfe eines gefälschten Pass des Stuhles Petri verschanzen
- Riccardo soll einen legalen Fahrbefehl besorgen
[Bearbeiten] 5.Akt 3.Szene
- Gerstein kommt ins KZ und um Ricardo mit Hilfe eines fingierten Befehls zu befreien
- Riccardo weigert sich zu fliehen
- Dort findet er Jacobsen wieder. Mit dem Riccardo die Pässe getauscht hat
- Jacobsen überredet Gerstein ihn stattdessen zu befreien
- der Doktor bemerkt den Schwindel
- Riccardo versucht ihn umzubringen wird aber dabei erschossen
- Gerstein wird verhaftet
- Gerstein kommt später als Rebell um
--Benutzer:C.Dolansky 18:47, 6. Feb. 2007 (CET)
[Bearbeiten] Kontroverse Wirkung
Beträchtliches Konfliktpotential bezieht Hochhuths Werk sowohl aus seinen kontroversen Thesen, darunter die Brandmarkung des ökonomischen und antikommunistischen Kalküls des Papstes sowie die Übertragung der päpstlichen Stellvertreterfunktion auf den Märtyrer Riccardo Fontana, als auch aus der historischen Authentizität, die der Autor durch seine ausgiebige Recherchetätigkeit und die Darstellung von Personen der Zeitgeschichte beansprucht. [1]
Die Uraufführung einer moderat gekürzten Fassung des "christlichen Trauerspiels" Der Stellvertreter durch den Regisseur des politischen Theaters Erwin Piscator im Theater am Kurfürstendamm (Haus der Freien Volksbühne) in West-Berlin am 20. Februar 1963 löste die bis dahin größte und weitreichendste Theaterdebatte der Bundesrepublik aus und sorgte international für erhebliches Aufsehen. Die politische Theoretikerin Hannah Arendt hat das Drama im Laufe dieser Auseinandersetzung mehrfach verteidigt (z.B. in: Persönliche Verantwortung in der Diktatur, Vortrag 1964/65).
2002 verfilmte Constantin Costa-Gavras das Werk u.a. mit Ulrich Tukur, Mathieu Kassovitz, Ulrich Mühe und Sebastian Koch.
David G. Dalin, Professor für Geschichte und Politikwissenschaften an der “Ave Maria University” im US-Bundesstaat Florida, vertritt die Auffassung, dass Pius XII. den jüdischen Ehrentitel “Gerechter unter den Völkern” erhalten sollte, weil er Hunderttausende von Juden vor dem Tod im Konzentrationslager gerettet habe. Das erklärt er in seinem Buch “The Myth of Hitler’s Pope” (Das Märchen vom Hitler-Papst), das 2005 im amerikanischen Verlag “Regnery” veröffentlicht wurde. Dalin zitiert in seinem Werk auch das Dankschreiben der langjährigen israelischen Aussenministerin und späteren Premierministerin Golda Meir (1898 bis 1978) anlässlich des Todes von Pius XII. im Jahr 1958. Dort heißt es: “Wir trauern. Wir haben einen Diener des Friedens verloren. Die Stimme des Papstes war während der Nazizeit klar, und sie verteidigte die Opfer.” Dalin analysiert und dokumentiert auch die Deportation der römischen Juden nach Auschwitz im Jahr 1943. Unter dem umfangreichen Quellenmaterial, das er anführt, befindet sich auch das Zeugnis der katholischen Prinzessin Enza Aragona Cortes. Sie und andere bezeugen, dass der damalige Papst seinen Staatssektetär, Kardinal Luigi Maglione, angewiesen habe, beim deutschen Botschafter im Vatikan, Ernst von Weizsäcker, Beschwerde einzulegen. Nach Worten Tenembaums habe der Kardinal diesem Auftrag Folge geleistet und den Botschafter aufgefordert: “Versuchen Sie, die Unschuldigen zu retten, die darunter leiden, einer bestimmten Rasse anzugehören.” Auf diese Bitte hin habe der deutsche Botschafter Befehl gegeben, die Deportation zu stoppen. Pius XII. habe daraufhin seinerseits die Anweisung gegeben, die Pforten des Vatikans zu öffnen, um den Juden Roms Unterschlupf zu gewähren.
- Siehe auch: Holocaust-Drama (als Genre im neueren Film)
[Bearbeiten] Literatur
- Fritz J. Raddatz: (Hrsg.), Summa iniuria oder Durfte der Papst schweigen? Reinbek 1963.
- Rolf Hochhuth. Dokumente zur politischen Wirkung. Hrsg. und eingeleitet von Reinhard Hoffmeister. München 1980.
- Karl-Heinz Wiest: „Der Stellvertreter“ – Ein Stück und seine Wirkung, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 2 (1983) S. 203-248.
- Michael F. Feldkamp: Der „Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth in der Innen- und Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Mit einem Anhang ausgewählter Aktenstücke aus den Vatikanakten des Auswärtigen Amtes, in: Geschichte im Bis-tum Aachen – Beiheft 2: Von Pius XII. bis Johannes XXIII. Hrsg. vom Geschichtsverein für das Bistum Aachen e.V., Neustadt a.d. Aisch 2001, S. 127-177.
- Thomas Brechenmacher: Der Dichter als Fallensteller: Hochhuths „Stellvertreter“ und die Ohnmacht des Faktischen – Versuch über die Mechanismen einer Geschichtsdebatte, in: Geschichte als Falle. Deutschland und die jüdische Welt. Für die Forschungsstelle deutsch-jüdische Zeitgeschichte hrsg. von Michael Wolffsohn und Thomas Brechenmacher, Neuried 2001, S. 217-257.
- Hannah Arendt: Responsibility and Judgment, Schocken Books, New York 2003 ISBN 0-8052-1162-4 (enthält die Essays The Deputy : Guilt by Silence?, Erstveröffentlichung im New York Herald Tribune Magazine vom 23. Februar 1964, sowie als Erstveröffentlichung den Volltext von Personal Responsibility Under Dictatorship von 1964)
- David G. Dalin: The Myth of Hitler's Pope: Pope Pius XII and His Secret War Against Nazi Germany. Regnery Publishing, USA, 256 S. 2005. ISBN 0895260344