Der russische Wald
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Der russische Wald (Originaltitel: Russkij les) ist ein 1953 erschienener Roman von Leonid Leonow, für den der Autor 1956 den Leninpreis erhielt. Die erste deutsche Übersetzung erschien 1960 im Verlag Kultur und Fortschritt, Berlin-Ost. Die Übersetzung von Maximilian Schick, Maria Riwkin und Lieselotte Remané wurde zudem von Harry Burck bearbeitet.
[Bearbeiten] Inhalt
Moskau 1941.
Iwan Matwejitsch Wichrow und Alexander „Sascha“ Jakowlewitsch Grazianski, Professoren der Forstwirtschaft an einem Moskauer Institut, bilden das (fiktive) „Doppelgestirn der sowjetischen Forstwirtschaft“. Während ersterer für einen nachhaltigen Forstbetrieb eintritt, wonach dem Wald nur soviel Holz entnommen werden darf, wie nachwächst, wird er von letzterem attackiert, dass er mit seinen Lehren dem Volk das Holz aus romantischen Motiven oder jedenfalls mit fraglichen wissenschaftlichen Begründungen vorenthalte. Der Zweite Weltkrieg treibt den jahrelang schwelenden Konflikt einem Höhepunkt und einer „Lösung“ zu (G.´s Selbstmord), und klärt „nebenbei“ W.´s Familienverhältnisse (v.a. zu seiner (Ex-)Frau und zu seiner Tochter).
Man erschließt sich, dass die beiden ca. 1894 geboren wurden. Während Wichrow aus einfachsten, bäuerlichen Verhältnissen vom Land stammt, wächst Grazianski behütet in der Petersburger Mittelschicht auf. Die beiden lernen sich kennen (und freunden sich in gewissem Umfang an), während sie beide in Petersburg studieren. Sie werden Zeitzeugen der Situation des Russland vor der Oktoberrevolution (etwa des Attentats auf Stolypin ) bzw. nehmen als Akteure Einfluss.
[Bearbeiten] Struktur
Die oberste Erzählebene des umfangreichen (ca. 800 Seiten, etwa 230.000 Wörter) Romans spielt zwischen 1941 und ca. 1943 v.a. in Moskau. Umfangreiche Rückblenden beleuchten Episoden aus der Vergangenheit der Protagonisten ab ca. 1900. Im letzten Drittel wird diese Form etwas dynamischer, indem in aufeinander folgenden Kapiteln Ereignisse geschildert werden, die eigentlich parallel ablaufen.
Einen besonders geschlossenen Einschub bildet eine Vorlesung, die Wichrow vor künftigen Studenten hält.
Ca. 60 % des Textes werden dem Leser von einem allwissenden, stets ironisch Abstand bewahrenden, Erzähler präsentiert, der Rest setzt sich aus wörtlichen Reden der Romanfiguren zusammen.
[Bearbeiten] Wertung
Es ist zu bemerken, dass Leonow nicht unparteiisch erzählt, sondern von der Berechtigung der Oktoberrevolution und den Maßnahmen des sozialistischen bzw. kommunistischen Aufbaus der Sowjetunion überzeugt zu sein scheint. Allerdings ist er auch kein unkritischer Propagandist des Kommunismus; interessanterweise wird Stalin kein einziges Mal erwähnt. Man gewinnt den Eindruck, für den Autor und für seine Figuren ist der Kommunismus (als Zustand, in dessen Richtung sich die gegenwärtige (d.h. 1940) Gesellschaft entwickelt) eine derart ausgemachte Sache, dass man gar nicht auf die Idee kommt, sie in Frage zu stellen. In dieser, an diesem Buch gut studierbaren Haltung manifestiert sich der seinerzeit offenbar verbreitete marxistische Glaube, die Entwicklung von Gesellschaften würde nach Gesetzmäßigkeiten verlaufen, die den gleichen Status wie etwa Naturgesetze haben.
Seinen Figuren verleiht er eine komplexe Substruktur, so dass sich eine - naheliegende - Stilisierung von Wichrow zum positiven bzw. Grazianski zum negativen Helden von selbst erledigt. Er steht im Gegenteil allen seinen Figuren mit großer Sympathie und Anteilnahme gegenüber.
Die Positionen, die Leonow seinen Wichrow über die nachhaltige Nutzung von Naturreichtümern vertreten lässt, können heute als anerkannt gelten.