Doberaner Münster
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Bad Doberaner Münster, eine ehemalige Zisterzienser-Klosterkirche, gehört zu den schönsten hochgotischen Backsteinbauten Mecklenburgs (siehe auch Backsteingotik). Das Münster ist heute die Kirche der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Bad Doberan.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Architektur
Die Vorbilder dieses Bauwerkes - die Lübecker Marienkirche, die Nikolaikirche in Stralsund und die Marienkirche in Rostock – erreichen nicht die geschlossene Einheit im Verhältnis von Baukörper zum Innenraum, wie sie das Doberaner Münster in seiner klaren Wirkung zeigt.
Das gewölbte Mittelschiff hat mit 26 m Höhe und 11 m Breite (Gesamtinnenlänge = 76 m) einen intimeren Charakter als andere vergleichbare Kirchen, die im Innenraum wesentlich höher aufstreben. Mit den beiden halb so hohen Seitenschiffen, dem kreuzförmigen Querschiff und dem polygonalen Chorabschluß, an den sich nach außen 5 Kapellen anschließen, ist das Münster ein Beispiel für kaum zu übertreffenden Formensinn und für gründliche technische Überlegung bei aller Harmonie und Würde des Ganzen. Entsprechend den Ordensregeln der Zisterzienser hat das Münster keine Westtürme und kein großes Glockengeläut, sondern lediglich einen Dachreiter, dessen heutige Form bei der Wiederherstellung des Münsters 1881 bis 1894 durch Gotthilf Ludwig Möckel gegeben wurde. Er beherbergt zwei Glocken mit den Schlagtönen fis′ und a′. Die größere Glocke wurde 1960 aus Gussstahl gegossen und hat ein Gewicht von 1 100 kg; sie trägt die Inschrift „Er ist unser Friede“. Die mit 560 kg kleinere Glocke ist zugleich die zweitälteste ihrer Art in Mecklenburg und wurde im Jahre 1301 gegossen. Ihre Inschrift (in lombardischen Majuskeln) lautet: „Im Jahre des Herrn 1301 wurde diese Glocke gegossen am ersten Dezember, unter dem Abt Johannes von Elbing“.
Man betritt das Münster von der Stelle aus, an der sich der Kapitelsaal der Mönche befand. Eine romanische Bogenwand (1220) ist erhalten geblieben. Hier hindurch gelangt man zur Westfront des Mittelschiffes, die mit ihrem prächtigen Ziergiebel und einem Treppenturm von den Seitenschiffen flankiert wird. Der heutige Zustand entspricht dem von 1350. Rechts vom Treppenturm Reste der ersten romanischen Kirche mit Rundbogenportal, Kreuzbogenfries und halbem Treppengiebel. Die Giebelrosette und die nicht glücklichen Größenverhältnisse des Dachreiters zum Gesamtbau sind eine Veränderung bei der Wiederherstellung durch Möckel.
Das Nordportal (um 1300) führte einst zum Mönchsfriedhof. Wenige Schritte nördlich das überaus anmutige, schmuckhafte Beinhaus (1250, frühgotisch mit romanischen Nachklängen), das die Gräberreste des Mönchsfriedhofs aufnahm. Die Laterne, ein durchbrochener, türmchenartiger Aufsatz über der Kuppel, ist eine Zugabe der Restaurierung von 1883. Die Kirche betritt man durch das heutige Hauptportal (1884/91).
[Bearbeiten] Hochaltar, Sakramentshaus, Kreuzaltar
Der Hochaltar (um 1300) ist ein frühes Beispiel eines Flügelaltars; man ahnt seine typengeschichtliche Herkunft aus der steinernen Retabelwand einerseits und den Reliquienschreinen andererseits. Er ist ohne Fialentürme 4 m hoch und wurde Ende des 19. Jh. restauriert. Im Mittelteil werden hochgotische Architekturformen in einer siebenachsigen Arkadenreihe mit Wimpergen verkleinert, die einst Reliquiare enthielten. Über dem Mittelteil erheben sich drei zierlich durchbrochene Fialentürme, von denen der mittlere 6 m hoch ist. Auf den Flügeln wurden in den beiden oberen Figurenreihen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament in typologischer Entsprechung wiedergegeben. Diese Figuren ähneln in der grazilen Körperhaltung und der Gewandung französischen Kathedralskulptur, ihre Herkunft ist umstritten (lübisch oder westfälisch-magdeburgisch?) . Die unterste Figurenreihe ist jüngeren Datums (vor 1368) und unterscheidet sich stilistisch wie inhaltlich (es werden einzelne Heilige und eine Marienkrönung dargestellt) vom übrigen Figurenschmuck.
Nördlich neben dem Hochaltar (von diesem aus gesehen auf der rechten, der bedeutenderen Seite) steht der älteste Sakramentsturm Deutschlands (vor 1368), in Eichenholz geschnitzt, 11,60 m hoch. Der Stil der Figuren (von unten nach oben: Gestalten des Alten Testaments, des Neuen Testaments und Heilige) entspricht denen des Kreuzaltars.
Der Kreuzaltar, heute wieder an seiner ursprünglichen Stelle zwischen dem ehemaligen Mönchschor und dem Chor der Laienmönche (Konversen) aufgestellt, nachdem er einige Jahrhunderte an die Westwand der Kirche verbannt worden war, vereinigt einen zweiseitigen Flügelaltar mit einem ebenfalls doppelseitigen 15 m hohen monumentalen Kreuz - ein einzigartiges Werk, wie man es in dieser Art und in diesem Alter (vor 1368) in keiner anderen Kirche findet. Von links nach rechts sind, wie beim Hochaltar, alttestamentarische Szenen neutestamentarischen gegenübergestellt - ein so genanntes typologisches Programm, da nach mittelalterlicher Denkweise das Alte Testament schon Hinweise auf das Erlösungswerk des Neuen Testaments enthielt (Typologie). So wurde der betende Prophet Elia der Darstellung Christi am Ölberg zugeordnet usf. In der Szene des Sündenfalls auf der Westseite des Retabels wird die paradiesische Nacktheit durch zwei sehr fein geschnitzte Maßwerk-Türchen aus der Entstehungszeit des Altars verdeckt, die vermutlich in einer liturgischen Feier am Karsamstag (an dem Christus in die Vorhölle hinabstieg) geöffnet wurden, um der Befreiung Adams und Evas aus der Vorhölle zu gedenken (so der Restaurator Johannes Voss, der das Werk genauestens untersucht und restauriert hat). Passionsszenen wie die Kreuztragung und Dornenkrönung werden der Verspottung Ijobs gegenübergestellt (genaueres zu den typologischen Szenen kann man den Werken von Jens Christian Jensen von 1956 und 1964 entnehmen sowie einer neuen Broschüre zum Kreuzaltar von Kathrin Wagner). Gleiches gilt für die Marienseite des Altars wie auch für das Monumentalkreuz. Dieses einmalige Kunstwerk (Laienaltar und Triumphkreuz als Einheit) ist aufs Engste mit der Kunst des seit 1367 in Hamburg nachweisbaren Meister Bertram von Minden (etwa 1335-1415) verbunden.
[Bearbeiten] Weitere Ausstattung
Von den zahlreichen bedeutenden Kunstwerken der reichen mittelalterlichen Ausstattung seien hier der Kelchschrank, heute wieder an seinem ursprünglichen Platz an der Nordseite des Altarraums, das Chorgestühl der Mönche und der Konversen sowie der Marienleuchter genannt.
Von den 16 Relieffiguren des Kelchschranks (um 1300) sind nur vier erhalten. Der Kelchschrank ist, da er vielleicht kurz vor dem Hochaltar entstand, das älteste gottesdienstliche Ausstattungsstück der Kirche. Die sechzehn Fächer in seinem Innern bewahrten einst die Vasa sacra, insbesondere Kelche und Patenen, die beim Abendmahl (Eucharistie) verwendet wurden und mit Wein und Brot, nach altkirchlicher Auffassung also Leib und Blut Christi, in Verbindung kamen. Deshalb sind auf den Innenseiten der Flügel auch zwei alttestamentarische Gestalten dargestellt, die nach typologischem Denken mit der Eucharistie in Verbindung gebracht wurden: Melchisedek mit dem Kelch, Abel mit dem Lamm, das mit dem Lamm Gottes, und das heißt Christus, identifiziert wurde. Sie bringen ihre Gaben einer Büste Christi im Giebelfeld dar. Der Erlöser hält ein aufgeschlagenes Buch, das die Priester mit einem alttestamentarischen Spruch, der heute nur noch in alten Abschriften überliefert ist, zur besonderen Sorgfalt im Umgang mit den heiligen Gefäßen aufforderte. Entgegen älteren Meinungen ist der Kelchschrank somit ein Werk aus einem Guss - was auch der stilkritische Vergleich der Büste im Giebel mit den Reliefs auf den Außenseiten der Schranktüren eindeutig beweist. Sein Zweck war immer der der Aufbewahrung der liturgische Gefäße, was nicht nur die überlieferte Inschrift des Giebels, sondern auch eingeritzte alte Schriftzüge auf der Innenseite der Schranktüren beweisen, die die Zahl der einst vorhandenen Kelche festhalten. Der Kelchschrank, stilistisch dem Hochaltar nicht allzu fern stehend, verrät Einflüsse französischer Gotik und vielleicht des so genannten niedersächsischen Kunstkreises.
Das Mönchgestühl (1. Hälfte 14. Jh.) ist in ursprünglicher Vollständigkeit erhalten und zeigt in Verbindung mit Pflanzenornamenten verschiedene symbolische Tierdarstellungen.
Der im Presbyterium hängende Marienleuchter wurde Anfang des 15. Jahrhunderts geschaffen. Damals wurde eine ältere Madonnenfigur, die um 1300 für die Mittelnische des Hochaltarschreins geschaffen worden war, mit Baldachin, Strahlenkranz, Krone und Mondsichel versehen und besonders herausgehoben, indem man sie dem besagten Leuchter einfügte. Kind und Madonna halten ein kleines Gefäß (Pyxis), das einst wohl die Hostie, das Brot des Abendmahls, enthielt.
Das Doberaner Münster enthält auch weitere hochbedeutende Kunstwerke: So das Retabel mit der Kreuzigung Christi durch die Tugenden (um 1330) und das Retabel mit der Darstellung der Hostienmühle (um 1390).
[Bearbeiten] Grabstätten
Aus der Fülle der Grabstätten und Grabdenkmäler im Doberaner Münster seien besonders genannt:
Der Klostergründer Pribislaw erhielt im 19. Jahrhundert eine neue Grabplatte im Nordquerhaus.
Das Grabdenkmal der Margarethe von Dänemark (gest. 1282 in Rostock), künstlerisch der Madonna des Marienleuchters und somit dem Hochaltar verwandt (um 1300).
Eine einzigartige Besonderheit ist das Oktogon, errichtet wohl als Grablege Herzog Albrechts II. von Mecklenburg, der von Kaiser Karl IV. zum Herzog erhoben wurde. Um 1422 wurden an den angrenzenden Pfeilern Darstellungen mehrerer mecklenburgischer Herzöge sowie König Albrechts von Schweden aus dem Hause Mecklenburg angebracht.
Das Doppelgrabmal Albrechts von Schweden (gest. 1412) und seiner ersten Gemahlin Richardis von Schwerin (gest. 1377), entstanden wohl um 1390.
Drei Herzöge von Mecklenburg erhielten Anfang des 16. Jahrhunderts bemerkenswerte Standfiguren an Pfeilern des Chorumgangs.
Das Reitermonument Samuel von Behrs (gest. 1621) in der Chorumgangskapelle auf der Nordseite.
Die überlebensgroßen Statuen des Herzogpaares Adolf Friedrich I. und Anna Maria in der Achskapelle.
Zahlreiche Grabplatten von Äbten, Adeligen der Region (Peter Wise, Familie von Axkow usf.) von teils guter Qualität.
[Bearbeiten] Weitere Klosteranlagen
Zisterzienserkloster: Erhalten sind die Ringmauer (1283/90 erbaut und 1963/65 restauriert), ein Torhaus, das Brauhaus (1290), das Kornhaus (1270/80) und Reste des Klausurgebäudes (1230).
[Bearbeiten] Nutzung
Jeden Sonntag wird im Münster Gottesdienst gefeiert. Eine wesentliche Nutzung erfolgt durch Touristen, die das Münster wegen der bau- und kirchengeschichtlichen Bedeutung besuchen. Zahlreiche hochrangige Konzerte finden hier statt.
[Bearbeiten] Literatur
- Ernst von Bülow: Doberan und seine Geschichte, Godewind Verlag 2006, ISBN 978-3-938347-61-4
- Friedrich Compart: Geschichte des Klosters Doberan, Godewind Verlag 2004, ISBN 978-3-938347-07-2 (Reprint der Originalausgabe von 1872)
- Wolfgang Erdmann: Zisterzienser-Abtei Doberan. Kult und Kunst., Königstein/Taunus, 1995 (Die blauen Bücher), ISBN 978-3-7845-0411-7
- Edith Fründt: Das Kloster Doberan, Aufnahmen von Thomas Helms, Berlin 1987, 2. Aufl. 1989. ISBN 978-3-7954-5582-8
- Günter Gloede: Das Doberaner Münster. Geschichte, Baugeschichte, Kunstwerke., Berlin 1960, 2. Aufl. 1965, 6. Aufl. 1970.
- Heinrich Hesse: Die Geschichte von Doberan-Heiligendamm. Godewind Verlag 2004, ISBN 978-3-938347-09-6
- Markus Hörsch: Bad Doberaner Münster – Innenausstattung, Regensburg 2003 (Kunstführer 2524). ISBN 3-7954-6443-9
- Annegret Laabs: Malerei und Plastik im Zisterzienserorden. Zum Bildgebrauch zwischen sakralem Zeremoniell und Stiftermemoria 1250–1430, Petersberg b. Fulda 2000, (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 8). ISBN 978-3-932526-55-4
- Johannes Voss: Anmerkungen zur Geschichte des Kreuzaltares und seines Retabels im Doberaner Münster, Konzeption und Ergebnisse der Restaurierung 1975–1984. In: Uwe Albrecht / Jan von Bonsdorff (Hgg.): Figur und Raum. Mittelalterliche Holzbildwerke im historischen und kunstgeographischen Kontext, Berlin 1994, 112–123. ISBN 3-4960-1121-1
- Johannes Voss: Der Doberaner Kelchschrank. Ein Beitrag über Konstruktion, Standort und Datierung, In: Hartmut Krohm / Klaus Krüger / Matthias Weniger (Hg.): Entstehung und Frühgeschichte des Flügelaltarschreines. Veröffentlichung der Beiträge des Internationalen Kolloquiums „Entstehung und Frühgeschichte des Flügelaltarschreins“, Berlin, 28.–29. 6.1996. Berlin / Wiesbaden 2001 (2003), 125–142.
- Kathrin Wagner: Der Kreuzaltar im Münster zu Bad Doberan, München / Berlin, 2006 (DKV-Künstführer 635). ISBN 978-3-4220-2016-0
[Bearbeiten] Weblink
Commons: Doberaner Münster – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
Koordinaten: 54° 06′ 28″ N, 11° 54′ 35″ O