Entity-Relationship-Modell
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Entity-Relationship-Modell oder auch Gegenstands-Beziehungs-Modell (deutsche Übersetzung), kurz ER-Modell oder ERM, dient dazu, im Rahmen der Datenmodellierung einen Ausschnitt der realen Welt zu beschreiben. Das ER-Modell besteht meistens aus einer Grafik und einer Beschreibung der darin verwendeten einzelnen Elemente (siehe nachfolgend unter ER-Diagramme). Es dient zum einen in der konzeptionellen Phase der Anwendungsentwicklung der Verständigung zwischen Anwendern und Entwicklern, wobei ausschließlich das Was, also die Sachlogik, und nicht das Wie, also die Technik, wesentlich ist. Zum Anderen dient das ER-Modell in der Implementierungsphase als Grundlage für das Design der Datenbank.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Begriffe
Grundlage der Entity-Relationship-Modelle ist die Typisierung von Objekten und deren Beziehungen untereinander:
- Entität (Entity): Objekt der Wirklichkeit, materiell oder abstrakt (zum Beispiel Angestellter "Müller", Projekt "3232")
- Entitätstyp: Typisierung gleichartiger Entitäten (zum Beispiel Angestellter, Projekt, Buch, Autor, Verlag)
- Beziehung (Relationship): semantische Beziehung zwischen zwei Objekten (zum Beispiel "Angestellter Müller leitet Projekt 3232")
- Beziehungstyp: Typisierung gleichartiger Beziehungen (zum Beispiel Projektleitungsbeziehung zwischen Angestellter und Projekt)
Bei einer Datenmodellierung wird in den Diskussionen und Beispielen in der Regel mit den konkreten Objekten gearbeitet (Entitäten und Beziehungen). Das Modell selbst besteht aber immer ausschließlich aus Entitätstypen und Beziehungstypen. Vielleicht wird aus diesem Grund oftmals nicht sauber zwischen den Begriffen unterschieden.
- Attribut: Elementarinformation einer Entität oder einer Beziehung (zum Beispiel Vorname und Nachname von Angestellter)
- Kardinalität: mögliche Anzahl der an einer Beziehung beteiligten Entitäten (zum Beispiel kann ein Angestellter mehrere Projekte leiten, während ein Projekt von genau einem Angestellten geleitet wird)
[Bearbeiten] Beziehungen mit spezieller Semantik
Die inhaltliche Bedeutung der Beziehungstypen zwischen Entitätstypen kommt im ER-Diagramm lediglich durch einen kurzen Text in der Raute (meistens ein Verb) bzw. als Beschriftung der Kante zum Ausdruck, wobei es dem Modellierer freigestellt ist, welche Bezeichnung er vergibt. Nun gibt es Beziehungen mit spezieller Semantik, die relativ häufig bei der Modellierung vorkommen. Daher hat man für diese Beziehungstypen spezielle Bezeichner und grafische Symbole definiert. Spezialisierung/Generalisierung und Zerlegung/Aggregation sind zwei ergänzende Beschreibungsmittel mit einer speziellen Semantik. Mit diesen beiden speziellen Beziehungen kann die Realwelt verfeinert/vergröbert modelliert werden. Mit fest definierten Namen und speziellen grafischen Symbolen wird gezeigt, dass es sich um semantisch vorbesetzte Beziehungen handelt.
[Bearbeiten] Die Spezialisierung/Generalisierung mittels „is-a“-Beziehung
Bei der Spezialisierung wird ein Entitätstyp als Teilmenge eines anderen Entitätstyps deklariert, wobei sich die Teilmenge (spezialisierte Menge) durch besondere Eigenschaften (spezielle Attribute und/oder Beziehungen) gegenüber der übergeordneten (generalisierten Menge) auszeichnet. Da es sich bei einem Einzelobjekt einer spezialisierten Menge um dasselbe Einzelobjekt der generalisierten Menge handelt, gelten alle Eigenschaften – insbesondere die Identifikation – und alle Beziehungen des generalisierten Einzelobjektes auch für das spezialisierte Einzelobjekt.
Die Beziehung Spezialisierung/Generalisierung wird durch „is-a“/„can-be“ („ist ein“/„kann ein ... sein“) beschrieben. Für „is-a“ wird gelegentlich auch „a-kind-of“ („eine Art ...“) benutzt. Es handelt sich hierbei um eine 1:c-Beziehung.
Beispiel zur „is-a“-Beziehung: Dackel is-a Hund
und in anderer Leserichtung: Hund can-be Dackel
Die Spezialisierung erhält man durch Aufteilung, während die Generalisierung durch Zusammenführen von gleichen Einzelobjekten mit gemeinsamen Eigenschaften und Beziehungen, die in verschiedenen Entities vorkommen, in einer neuen Entity begründet ist. So können z. B. Kunden und Lieferanten zusätzlich zu Geschäftspartnern zusammengeführt werden, da Name, Anschrift, Bankverbindung etc. sowohl bei den Kunden als auch bei den Lieferanten vorkommen.
[Bearbeiten] Die Aggregation/Zerlegung mittels „is-part-of“-Beziehung
Werden mehrere Einzelobjekte (z. B. Person und Hotel) zu einem eigenständigen Einzelobjekt (z. B. Reservierung) zusammengefasst, dann spricht man von Aggregation. Dabei wird das übergeordnet eigenständige Ganze Aggregat genannt; die Teile, aus denen es sich zusammensetzt, heißen Komponenten. Aggregat und Komponenten werden als Entitätstyp deklariert.
Bei Aggregation/Zerlegung wird zwischen Rollen- und Mengenaggregation unterschieden:
Eine Rollenaggregation liegt vor, wenn es mehrere rollenspezifische Komponenten gibt, diese zu einem Aggregat zusammengefasst werden und es sich um ein 1:c-Beziehung handelt.
Beispiel zur „is-part-of“-Beziehung: Fußballmannschaft is-part-of Fußballspiel und Spielort is-part-of Fußballspiel und in anderer Leserichtung: Fußballspiel besteht-aus Fußballmannschaft und Spielort.
Eine Mengenaggregation liegt vor, wenn das Aggregat durch Zusammenfassung von Einzelobjekten aus genau einer Komponente entsteht. Hier liegt ein 1:cN-Beziehung vor.
Beispiel zur Mengenaggregation: Fußballspieler is-part-of Fußballmannschaft
und in anderer Leserichtung: Fußballmannschaft besteht aus (mehreren, N) Fußballspielern
[Bearbeiten] ER-Diagramme
Die grafische Darstellung von Entitätstypen und Beziehungstypen wird Entity-Relationship-Diagramm (ERD) oder ER-Diagramm genannt. Es sind unterschiedliche Darstellungsformen in Gebrauch. Für den Entitätstyp wird meistens ein Rechteck verwendet, der Beziehungstyp meistens in Form einer Verbindungslinie mit besonderen Linienenden oder Beschriftungen, die die Kardinalitäten des Beziehungstyps darstellen.
Es gibt heute eine Vielzahl unterschiedlicher Notationen, die sich unter anderem in Klarheit, Umfang der grafischen Sprache, Unterstützung durch Standards und Werkzeuge unterscheiden. Im folgenden finden sich einige wichtige Beispiele, die vor allem deutlich machen, dass bei allen grafischen Unterschieden die Kernaussage der ER-Diagramme nahezu identisch ist.
Von besonderer − zum Teil historischer − Bedeutung sind unter anderem:
- Die Chen-Notation von Peter Chen, dem Entwickler der ER-Diagramme.
- Die IDEF1X als langjähriger de-facto Standard bei U.S. amerikanischen Behörden.
- Die Bachman-Notation von Charles Bachman als weit verbreitete Werkzeug-Diagramm-Sprache.
- Die Martin-Notation (Krähenfuß-Notation) als weit verbreitete Werkzeug-Diagramm-Sprache (Information Engineering).
- Die Min-Max-Notation als (kurzlebiger) ISO-Standard.
- UML als heutiger Standard, den selbst ISO in eigenen Normen für ER-Diagramme verwendet.
Alle nebenstehenden Notationen drücken auf ihre Art den folgenden Sachverhalt aus:
Eine Person ist in maximal einem Ort geboren. Ein Ort ist Geburtsort von beliebig vielen Personen.
Ein Ort kann ein Geburtsort sein, muss es aber nicht sein.
Bis auf das Chen-Diagramm wird diese Aussage ergänzt um:
Eine Person muss in einem Ort geboren sein; bzw. ist in genau einem Ort geboren.
[Bearbeiten] Einsatz in der Praxis
Das ER-Modell kann (und soll) bei der Erstellung von Datenbanken genutzt werden. Hierbei wird mit Hilfe von ER-Modellen zunächst die Konzeption der Datenbank vorgenommen, auf deren Grundlage dann die Implementierung der Datenbank erfolgt. Die Umsetzung der in der Realwelt erkannten Objekte und Beziehungen in ein Datenbank-Schema erfolgt dabei in mehreren Schritten:
- Erkennen und Zusammenfassen von Objekten zu Entitätstypen durch Abstraktion (z. B. Die Kollegen Fritz Maier und Paul Lehmann und viele weitere zum Entitätstyp „Angestellter“).
- Erkennen und Zusammenfassen von Beziehungen zwischen je zwei Objekten zu einem Beziehungstyp (z. B. der Angestellte Paul Lehmann leitet das Projekt Verbesserung des Betriebsklimas und der Angestellte Fritz Maier leitet das Projekt Effizienzsteigerung in der Verwaltung). Dieses führt zum Beziehungstyp „Angestellter leitet Projekt“.
- Bestimmung der Kardinalitäten, d. h. der Häufigkeit des Auftretens (z. B. wird ein Projekt immer von genau einem Angestellten geleitet und ein Angestellter darf mehrere Projekte leiten).
All dieses lässt sich in einem ER-Modell darstellen.
Weiter sind folgende Schritte notwendig, deren Ergebnis meistens jedoch nicht grafisch dargestellt wird (so z. B. in der obigen Grafik):
- Bestimmung der relevanten Attribute der einzelnen Entitätstypen.
- Markierung bestimmter Attribute eines Entitätstyps als identifizierende Attribute, so genannte Schlüsselattribute.
- Durchführung des Prozesses der Normalisierung, um die Redundanz innerhalb der zu erstellenden Datenbank zu verringern und um die Datenintegrität zu erhöhen. Da das Ergebnis der Normalisierung meistens zu neuen Entitätstypen und geänderten Beziehungstypen führt, beginnt man in diesen Fällen wieder mit dem ersten Schritt.
- Generierung des Schemas einer relationalen Datenbank mit all seinen Tabellen- und zugehörigen Felddefinitionen mit ihren jeweiligen Datentypen.
[Bearbeiten] Geschichte
Das ER-Modell wurde 1976 von Peter Chen in seiner Veröffentlichung The Entity-Relationship Model vorgestellt. Die Beschreibungsmittel für Generalisierung und Aggregation wurden 1977 von Smith and Smith eingeführt. Danach gab es einige Weiterentwicklungen so z. B. Ende der 80er Jahre durch Wong und Katz.
Das ERM ist das erste Beschreibungsmittel zur Erstellung von konzeptionellen Schemata.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Peter Pin-Shan Chen: The Entity-Relationship Model--Toward a Unified View of Data. In: ACM Transactions on Database Systems 1/1/1976 ACM-Press ISSN 0362-5915, S. 9-36
- J.M. Smith, D.C.P. Smith: Database Abstractions: Aggregation and Generalization, ACM Transactions on Database Systems, Vol. 2, No. 2 (1977), S. 105-133
- J. M. Smith and D. C. P. Smith: Database Abstraction: Aggregation, Communications of the ACM, Vol. 20, Nr. 6, pp. 405-413, June 1977